Günter Dönges

Butler Parker Jubiläumsbox 4 – Kriminalroman


Скачать книгу

Sir, Schnelligkeit gehört zu den wenigen Tugenden, die ich besitze.«

      »Sind Sie sicher?« frotzelte Mike Rander. Und bevor Parker antworten konnte, verschwand Mike Rander hinter der Glastür, die der Portier nervös aufgestoßen hatte.

      Mike Rander wollte sich auf keinen Fall auf eine Diskussion mit seinem Butler einlassen, die Zeitverschwendung wäre nämlich zu groß gewesen.

      Interessiert sah er sich in dem Club um.

      Es herrschte nur Halblicht. Es reichte gerade aus, die Menschen an den Nebentischen zu erkennen. Junge Damen in mehr als knapp sitzenden Badeanzügen servierten die diversen Getränke. Die einteiligen Badeanzüge waren aus Gründen der allgemeinen Schicklichkeit mit einigen zusätzlichen Stoffetzchen drapiert worden. Dennoch blieb der Eindruck einer gewissen Peinlichkeit. Die spärliche, auf die Kurven der Damen hinweisende Kleidung wirkte unnötig provozierend.

      Vom Erdgeschoß des Clubs aus führten zwei weit ausladende Freitreppen hinauf zu einer Galerie, auf der ebenfalls Tische standen. Eingerahmt von den beiden Freitreppen befand sich eine kleine Bühne, auf deren Hintergrund sehr naturalistisch die Einzelheiten eines üppigen, tropischen Dschungels zu sehen waren. Dichtes, saftstrotzendes Buschwerk rankte sich hoch bis zur Galerie. Es gab echte Baumstämme, Lianen, die wie dicke Stricke herunterhingen und dazu noch kreischende Papageien, die den Lärm der kleinen, aber gut spielenden Band übertönten.

      Diese Band saß in einer Grotte unter der rechten Freitreppe. Ihr genau gegenüber befand sich in einer anderen Grotte ein Miniatursee, der von einem Quell plätschernd gespeist wurde. Dieser Quell, von buntem Licht magisch angestrahlt, entsprang der Wand.

      Im Club herrschte eine im wahrsten Sinne des Wortes schwüle, tropische Atmosphäre. Das hing wahrscheinlich damit zusammen, daß der Manager des Clubs die Klimaanlage auf plus fünfundzwanzig Grad aufgedreht hatte. Einmal zur Förderung der tropischen Atmosphäre, dann, damit seine weiblichen Angestellten sich auf keinen Fall erkälteten und schließlich, um den Umsatz an eisgekühlten Getränken zu heben.

      Mike Rander ließ sich von einer der jungen Damen an seinen Tisch führen. Er stand in der Nähe der kleinen Bühne, auf der sich vorerst noch nichts tat. Rander bestellte für sich und Parker schottischen Whisky, zündete sich eine Zigarette an und war darauf gespannt, wie Parker diese Umgebung kommentieren würde.

      »Sonst noch Wünsche?« erkundigte sich die junge Dame bei ihm, nachdem er die Bestellung aufgegeben hatte.

      »Sagen Sie, wann tritt die ›Weiße Göttin‹ auf?« fragte Rander.

      »In einer guten Viertelstunde, Sir.« Die junge Dame im Badeanzug gab sich freundlich, aber betont reserviert.

      »Eine Frage am Rande, wissen Sie, wie sie außerdem noch heißt?«

      »Wenden Sie sich bitte an den Manager, Sir«, lautete die Auskunft.

      »Sie nennt sich Rita Malcona, ja?«

      »Warum fragen Sie, wenn Sie es ohnehin schon wissen.« Die junge Dame lächelte etwas mokant. »Wer weiß das nicht. Sie ist doch bekannt wie eine bunte Kuh … oh, ich meine, wie ein bunter Hund …!«

      »Sie mögen Sie nicht, wie?« Rander lächelte.

      »Die Getränke werden sofort serviert«, antwortete die junge Dame ausweichend. Und bevor Mike Rander weitere Fragen stellen konnte, hatte sie bereits den Tisch verlassen, und war im Halbdunkel des Clubs verschwunden.

      Mike Rander sah sich nach seinem Butler um.

      Josuah Parker aber ließ sich nicht blicken. Für einen ganz kurzen Moment dachte Rander an die Möglichkeit, daß Parker sich schon wieder einmal auf ein Abenteuer eingelassen haben könnte. Doch wie gesagt, daran dachte er nur einen kurzen Augenblick.

      Er hatte keine Ahnung, wie richtig und zutreffend seine Vermutungen waren …

      *

      Nachdem Parker sein hochbeiniges Monstrum auf dem Parkplatz untergebracht hatte, schickte er sich an, zurück zum Eingang der Bar zu gehen. Er kam dabei an einigen dürftigen Bäumen vorbei, die hier inmitten des Häusermeers ihr Leben fristeten.

      Plötzlich wurde Parker alarmiert.

      Nicht etwa durch ein lautes Geräusch, durch ein Scharren oder durch irgendeine verdächtige Bewegung. Nein, in seinem Innern schrillte irgendwo eine laute, nicht zu überhörende Alarmklingel, die ihn förmlich elektrisierte. Schließlich hatte Parker so etwas wie einen geheimen Sinn für drohende Gefahr entwickelt. Nicht umsonst schlug er sich schon seit Jahren mit tückischen und raffinierten Gangstern herum.

      Parker blieb also nicht nur stehen, sondern ging zusätzlich noch hinter einem der Baumstämme in Deckung.

      Was sein Glück war, wie sich Sekunden später zeigte!

      Irgend etwas klirrte scheppernd gegen den Baumstamm. Dann waren schnelle, hastige Schritte zu hören, die sich irgendwo in der Dunkelheit verliefen.

      Parker wartete sicherheitshalber noch einige Zeit ab, bis er seine Deckung hinter dem Baumstamm verließ. Dann bückte er sich nach dem Gegenstand, der vom Stamm abgeprallt und zu Boden gefallen war. Seine tastenden, suchenden Finger kamen mit einer Messerklinge in Berührung. Der Butler hob das Messer auf und sah es sich sehr interessiert an. Trotz des mangelnden Lichts auf dem Parkplatz stellte er fest, daß es ein Wurfmesser war, wie es von Artisten im Varieté benutzt wurde. Dieses Messer hier war besonders scharf. Es war ein perfektes Mordwerkzeug!

      Leicht beeindruckt ließ Parker dieses Wurfmesser in die Innentasche seines schwarzen Jacketts gleiten. Dann legte er sich den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm und schritt zur Straße hinüber. Er war sicher, nun nicht mehr beobachtet zu werden. Der Inhaber und Werfer des Messers hatte sich gewiß längst abgesetzt und in Sicherheit gebracht.

      Natürlich dachte Parker an die beiden Drohbriefe, die seinem jungen Herrn und ihm zugeschickt waren. In beiden Fällen hatte die Unterschrift »Die langen Messer« geheißen. War dieses Wurfmesser hier eine erste deutliche Erinnerung des Briefschreibers?

      Dieser Verdacht lag selbstverständlich nahe. Demnach handelte es sich wahrscheinlich doch um eine ernstzunehmende Drohung, eine Tatsache, die sein junger Herr unbedingt und schleunigst erfahren mußte. Parker hatte die Straße erreicht und hielt bereits auf den bewußten Baldachin zu, als seine Blicke magisch angezogen wurden.

      In einer schmalen Gasse zwischen dem Nachtclub und einem benachbarten Bürohaus stand eine junge Frau, die recht ungewöhnlich gekleidet war und auf keinen Fall in diese Umgebung paßte. Sie wurde vom Licht der gleißenden Neonreklamen immerhin so gut angeleuchtet, daß Parker einige Einzelheiten zu unterscheiden vermochte.

      Diese junge Frau hatte erst einmal nackte Füße. In einer Großstadt und um diese Zeit schon ungewöhnlich genug. Sie trug einen tief auf den Hüften sitzenden Sarong nach Art der Südsee-Eingeborenen und auf dem schmalen Oberkörper eine Art Blumengirlande. Im langen, glatten Haar, das bis auf die Schultern herabfiel, stak eine leuchtend bunte Orchidee, die dem schmalen Gesicht mit den hervortretenden Backenknochen einen exotisch aparten Reiz verlieh.

      Parker war sehr beeindruckt, zumal diese Frau von einem normal gekleideten Mann geohrfeigt wurde.

      Parker konnte es grundsätzlich nicht ausstehen, wenn Frauen auf diese Art und Weise behandelt wurden. Er sah sich also gezwungen, in die Privatunterhaltung der beiden einzugreifen. Lautlos und geschmeidig wie eine Katze stand er nach wenigen Schritten seitlich hinter dem Mann.

      »Mach’ das nicht noch einmal, sonst bring’ ich dich um«, fauchte die knapp bekleidete Frau wütend.

      »Ich werde schneller sein als du«, gab der Mann zurück. Seine Stimme klang böse und drohend. »Überleg dir genau, was du tust, Rita! Ich lass’ mich nicht gern an der Nase ’rumführen.«

      »Geh’ zum Teufel«, sagte die ungewöhnlich gekleidete Frau. – Sodann wandte sie sich ab und wollte gehen.

      Der Mann, der einen normalen Straßenanzug trug, schien ihr im ersten Augenblick