Günter Dönges

Butler Parker Jubiläumsbox 4 – Kriminalroman


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      Plötzlich griff der junge Mann in seine Rocktasche und zerrte wütend ungeschickt eine Schußwaffe hervor. Er schien fest entschlossen zu sein, einen Schuß auf die Frau abzufeuern.

      »Wie leicht kann man mit Handfeuerwaffen dieser Art Unheil anrichten«, sagte Parker, sich vorwurfsvoll einschaltend. »Ich würde doch sehr empfehlen, die Waffe wieder einzustecken und sie dann bei Gelegenheit zu veräußern.«

      Der junge Mann, der so plötzlich angesprochen wurde, wirbelte blitzschnell herum. Sein Reaktionsvermögen war erstaunlich. Doch nicht schnell genug. Wenigstens nicht für einen Josuah Parker.

      Der Butler klopfte mit dem bleigefütterten Griff seines Universal-Regenschirms leicht auf die Waffe, die daraufhin prompt zu Boden fiel. Als der junge Mann sich schnell nach ihr bücken wollte, kickte Parker das Schießeisen wie ein gelernter Fußballspieler unter einen an dem Straßenrand parkenden Wagen.

      »Warum, so frage ich mich, wollen Sie sich unglücklich machen?«

      »Hauen Sie ab, Mann …!« Der junge Mann erwachte wie aus einem tiefen Traum. Er fuhr sich fahrig über die Stirn und wandte sich ab. Ohne sich weiter um den Butler zu kümmern, schritt er die Straße hinunter. Selbst die entfallene Waffe schien er bereits vergessen zu haben.

      Parker angelte sie mit der Spitze seines Regenschirms unter dem Wagen hervor und steckte sie ein. Dann folgte er dem jungen Mann, der bereits die nächste Straßenecke erreicht hatte und in ein wartendes Taxi einstieg.

      Parker beschränkte sich darauf, sich das Kennzeichen des Taxis zu merken. Dann ging er würdevoll und gemessen zurück zum Nachtclub, während das Taxi davonfuhr.

      Parker verzichtete darauf, den Nachtclub durch den Haupteingang zu betreten. Er bog in die schmale, dunkle Gasse ein und suchte den Weg, den die junge Frau aus der Südsee genommen hatte. Er folgte diesen Spuren nicht gerade errötend, aber immerhin doch sehr interessiert. Parker war eben von Natur aus neugierig, wenn es darum ging, geheime Zusammenhänge aufzudecken.

      »Nee, hier dürfen S’ nich’ durch«, sagte ein kleines, energisch aussehendes Mädchen, das den Bühneneingang bewachte. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, breitete es beide Arme wie eine Schranke aus.

      »Sie kennen mich nicht?« erkundigte sich Josuah Parker.

      »Nee, tu’ ich nich’«, antwortete das Mädchen respektlos.

      »Daran würde ich an Ihrer Stelle aber einiges tun«, meinte Parker, höflich seine schwarze Melone lüftend. »Sie könnten sonst in die peinliche Lage versetzt werden, Nachhilfestunden nehmen zu müssen.«

      »Wie war das …?« Das Mädchen ließ beeindruckt die Arme sinken.

      »Ich rate Ihnen ebenso herzlich wie dringend, über meine Worte einmal gründlich nachzudenken«, erklärte Parker, setzte die Melone wieder auf und schritt würdevoll wie ein Aristokrat an dem verblüfften Mädchen vorbei.

      Zielsicher fand Parker die Garderoben der Künstler. Sie waren in einem niedrigen Seitenbau untergebracht und sahen nicht besonders einladend aus. Zwei der vier Türen waren weit geöffnet. Sie gaben den Blick frei auf nackte Ziegelwände, einfache Schminktische und billiges, abgewetztes Mobiliar. Parker öffnete nach sehr leisem Anklopfen die dritte Tür und sah sich zu seiner Freude der jungen Südseeschönheit gegenüber, die sich gerade die Nase puderte.

      »Ich wünsche einen erfreulichen und ruhigen Abend«, grüßte Parker, als sich die junge Frau erstaunt zu ihm umwendete. »Ich freue mich, Sie nach so kurzer Zeit Wiedersehen zu können.«

      »Sie haben mich in der vorherigen Vorstellung gesehen?« fragte die junge Dame, deren Vorname Rita lautete, wie Parker inzwischen wußte.

      »Die Vorstellung, der beizuwohnen ich das Glück hatte, fand erst vor wenigen Minuten statt«, sagte Parker milde lächelnd. »Spuren dieser Vorstellung dürften sich noch auf Ihrer linken Wange befinden. Ich empfehle übrigens, die deutlich abgezeichneten Finger ebenfalls etwas zu überpudern …!«

      Das höfliche Lächeln Ritas erstarb jäh. Sie kniff die Augen zusammen und ließ die Puderquaste auf den Schminktisch fallen.

      »Was wollen Sie damit sagen?« fragte sie dann!

      »Der junge Mann, mit dem Sie sich lautstark unterhielten, schien mir nicht besonders gut erzogen gewesen zu sein«, erklärte Parker.

      »Schnüffeln Sie mir etwa nach?« Scharf und wenig freundlich klang die Frage der jungen Dame.

      »Ich verhütete den Gebrauch einer Handfeuerwaffe, wenn ich mich einmal so ausdrücken darf«, setzte Parker ihr auseinander. »Mit anderen Worten, jener junge Mann schien darauf erpicht gewesen zu sein, Sie zu erschießen.«

      »Unsinn …! Wovon reden Sie eigentlich? Wer sind Sie denn? Was haben Sie überhaupt hier in der Garderobe zu suchen. Wie sind Sie überhaupt hier reingekommen, he?«

      »Welche der vier Fragen möchten Sie zuerst beantwortet haben?«

      »Wer sind Sie?« präzisierte Rita ihre Fragen und Wünsche.

      »Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Ich habe die Ehre und die Freude, der Butler Mr. Mike Randers zu sein.«

      »Mike Rander? Meinen Sie den Anwalt?«

      »Genau ihn, Miss Malcona …! Das dürfte doch wohl Ihr Name sein, nicht wahr?«

      »Ach so … Ja, das bin ich … Hat Ihr Chef Sie geschickt?«

      »Nicht direkt, Miss Malcona. Mr. Rander wartet in der Bar auf Sie und möchte sich Ihren Auftritt auf keinen Fall entgehen lassen.«

      »Wollen Sie nicht auch zusehen?« fragte Rita Malcona und lächelte Parker etwas zu schelmisch an.

      »Darf ich mit einer bescheidenen Gegenfrage antworten?«

      »Na? Was haben Sie denn auf dem Herzen, Mr. Parker?« Sie lächelte noch schelmischer.

      »Wollen Sie mir nicht sagen, wer der junge Mann ist, der so unhöflich zu Ihnen war?«

      »Sagen Sie mal, wovon reden Sie eigentlich?« fragte sie gespielt erstaunt. Sie wollte absichtlich nicht verstehen.

      »Ich werde nicht weiter in Sie eindringen«, meinte Parker. »Frauen müssen wohl ihre kleinen Geheimnisse haben. Ich darf aber wohl annehmen, daß dieser junge Mann nicht mit dem identisch ist, von dem Sie fürchten ermordet zu werden, ja?«

      »Aber nein«, erklärte sie, womit sie natürlich insgeheim zugab, den jungen Mann gut zu kennen. »Ermorden wollen mich ganz andere …! Und die haben es in sich … Warten Sie, bis mein Auftritt vorüber ist, dann erzähle ich Ihnen die ganze Geschichte. Vielleicht haben Sie dann plötzlich keine Lust mehr, irgend etwas für mich zu tun …!«

      »Wenn Sie gestatten, warte ich hier in Ihrer Garderobe auf Sie«, bat Josuah Parker, »ein Mensch wie ich braucht seine kleinen Ruhepausen. Sie werden gewiß Verständnis dafür haben, nicht wahr?«

      »Schlafen Sie aber bloß nicht ein«, sagte sie auflachend. Dann wirbelte sie auch schon zur Tür hinaus und ließ den Butler allein in der Garderobe zurück.

      Josuah Parker wartete, bis ihre schnellen Schritte auf dem Korridor verhallt waren. Dann machte er sich daran, etwas Ordnung zu schaffen. Er konnte nicht aus seiner Haut heraus, dazu war er schließlich der geborene hochherrschaftliche Butler …

      *

      Mike Rander langweilte sich sichtlich. Und das hing mit der »Weißen Göttin« zusammen, die sich auf der kleinen Bühne zwischen den beiden Freitreppen zu den Klängen der Band abmühte, das Barpublikum zu unterhalten. Dieses Abmühen bestand darin, die an sich schon reichlich spärliche Kleidung noch weiter zu dezimieren.

      Rita Malcona gab sich redliche Mühe, das alles recht spannend zu machen, aber Vorführungen dieser Art waren eben doch auf der ganzen Welt genormt. Neue Reize ließen sich dem wahrlich nicht abgewinnen …

      Mike Rander, der gerade einen Schluck aus dem Drinkglas nahm, sah zur Bühne hinüber. Rita Malcona turnte