Robert Fitzthum

Krise am Golf


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in Libyen sowie Iran in Syrien), während andere sich eher auf den Einsatz von soft-power-Methoden konzentrieren. Zu den letzteren Staaten gehören vor allem Oman und Kuwait, mit Einschränkungen auch Katar.5

      Aus meiner Sicht geht es vor allem um zwei essenzielle Auffassungsunterschiede. Zum einen vertreten Oman, Katar und Kuwait – von manchen Abweichungen abgesehen – ein Prinzip der diplomatischen, nicht-militärischen Lösung von Konflikten. Hier hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte vor allem der Oman als Vermittler bei den verschiedensten Konflikten große Verdienste erworben, aber auch Kuwait engagierte sich immer wieder als vermittelnder Gesprächspartner, z.B. bei GCC-internen Differenzen. Die zweite Differenz ist in ihrer grundsätzlichen und langfristigen Bedeutung bei weitem gravierender, es sind unterschiedliche Interpretationen des politischen Islam. Hier geht es vor allem darum, welche Spielarten des politischen Islam man akzeptiert und auch zu unterstützen bereit ist. Der ganz offen ausgetragene Konflikt zwischen Saudi-Arabien, VAE und Ägypten auf der einen und Katar und Türkei auf der anderen Seite über die Einschätzung der Moslembrüder ist zentraler Bestandteil dieses Konfliktes. Dass sich mit Ägypten und der Türkei auch zwei nicht aus der unmittelbaren Golfregion stammende Staaten direkt beteiligen, ist ein deutliches Anzeichen für die große Bedeutung dieses Disputs. Konkret unterstützt dabei die eine Seite Parteien und Organisationen, welche der gesamtarabischen Bewegung der Moslembrüder zugerechnet werden, während die andere Partei (hier vor allem Saudi-Arabien, VAE und Ägypten) diese als Terrororganisationen beurteilen und verfolgen. Dass es hier auch um Machtfragen geht, ist evident. Denn gerade jene Staaten, die die Moslembrüder verfolgen, haben offensichtlich keinerlei Hemmungen, weitaus radikalere islamistische Organisationen zu unterstützen, wenn es ihren jeweiligen Machtinteressen entspricht. Hier ist also ein hohes Ausmaß an Taktik und regional unterschiedlichen Machtinteressen im Spiel. Von der bei bestimmten hohen Anlässen proklamierten »panarabischen Bruderschaft« kann also bereits lange keine Rede mehr sein.

       Externe Einflüsse sind zumeist destruktiv und interessensgesteuert

      Dafür sind letztlich auch die massiven externen Einflüsse verantwortlich. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Golfregion seit vielen Jahrzehnten zum Tummelplatz aller globalen Mächte geworden ist. Der Ölreichtum aber auch die strategisch exponierte Lage sind ausschlaggebend dafür. De facto dominieren seit dem Zerfall des Osmanischen Reiches vor genau 100 Jahren westliche Mächte die Region, zunächst für wenige Jahrzehnte Großbritannien, spätestens seit Ende des Zweiten Weltkrieges die USA. Auch in den Zeiten des Kalten Krieges konnte kein Konkurrent den USA das Wasser reichen. Auch jetzt ist es weitgehend noch so, selbst wenn China (Stichwort Seidenstraße) die Allmacht des Trump‘schen Imperiums – nicht zuletzt aber auch wegen der widersprüchlichen und sprunghaften Politik der USA – infrage stellt. Russland wiederum hat zuletzt die US-amerikanischen Fehler durch geschicktes Agieren das eine oder andere Mal zum eigenen Vorteil genutzt. Dennoch garantiert die extreme US-amerikanische militärische Übermacht in der Region, dass die Interessen des Imperiums und seiner Alliierten noch für einige Zeit dominieren werden.

      Sowohl in der Region als auch weltweit existieren allerdings auch Kräfte, die die hegemoniale westliche Politik ablehnen und nach Alternativen suchen. Diese können nur im Abbau von Feindbildern und im Aufbau einer langfristig wirkenden Politik des Dialogs und Ausgleichs liegen. Die Befürworter einer solchen Politik sind jedoch schwach und unkoordiniert. Eine derartigen Werten und Methoden wie Multilateralismus, Diplomatie und friedlicher Konfliktlösung verpflichtete Politik ist schwer durchzusetzen, denn sie müsste auch die Macht der Rüstungs- und Ölindustrie brechen. Sie ist aber die einzige Möglichkeit, die im Menschen- und Völkerrecht verankerten Ziele zu verwirklichen und damit auch den Golfstaaten eine friedliche Zukunft zu sichern. Im 75. Gründungsjahr der Vereinten Nationen darf man das nicht völlig aus den Augen verlieren.

      Das vorliegenden Buch soll also nicht nur den Blick auf die höchst bedrohliche Situation in der Golfregion schärfen, sondern auch die – wenngleich derzeit noch äußerst schwachen – Möglichkeiten eines Politikwechsels (anstelle eines Regimewechsels) in Erinnerung rufen.

      Wie bereits erwähnt, ist es uns gelungen, ein buntes Team an Autorinnen und Autoren zusammenzubringen. Für die thematischen Lücken möchte ich bei dieser Gelegenheit nochmals um Nachsicht und Verständnis ersuchen. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir einen guten Überblick über die komplexe und zugleich höchst bedrohliche Situation in der Golfregion bieten und dies durchaus kritischer angelegt haben als viele andere Publikationen.

       Fritz Edlinger Wien, am 24. Februar 2020

      1 Der Persische Golf, im Deutschen nur selten Arabischer Golf genannt, ist ein Binnenmeer zwischen dem Iranischen Plateau und der Arabischen Halbinsel. Der Persische Golf ist etwa 1.000 km lang und 200 bis 300 km breit, die Fläche beträgt 235.000 qkm.

      2 Dazu ein kurzer Zahlenvergleich: Die sechs Staaten des Golfkooperationsrates (Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, Kuwait, Oman und VAE) haben zusammen rund 57 Millionen Einwohner, wenn man noch Irak und Jemen, die im weiteren Sinne durchaus