Marisa Frank

Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman


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stand er vor dem großen Schaufenster und bewunderte die Dekoration.

      Die Besitzerin – wer immer sie sein mochte! – hatte wirklich tolle Ideen. Sie hatte einen bemoosten, dekorativ gekrümmten, toten Baum ins Fenster gelegt, und auf ihm wuchsen scheinbar die herrlichsten Orchideen in allen Farben und Formen. Darunter welche, die Ansgar, der in seinem Leben schon viel erlebt hatte, noch nie gesehen hatte. Von der Decke hingen Körbe mit weit herunterrankenden Schmetterlingsorchideen, und auf dem Boden wuchsen aus dem Moos alle möglichen Arten von Frauenschuh und auch die kleinen, einheimischen Orchideengewächse.

      »Toll«, murmelte er.

      »Es gefällt Ihnen, Herr Dr. von Hohenried?« Buchner, der ihn bemerkt hatte, kam aus dem Geschäft. Ansgar hatte ihn angerufen und seinen Besuch angemeldet.

      »Toll«, wiederholte er. »Das ist ja auch der Grund, weswegen ich so gerne die Besitzerin selbst sprechen möchte. Wie heißt sie übrigens?«

      Buchner gab vor, die letzte Frage nicht gehört zu haben, und bat ihn in das Geschäft. Wie erwartet, war von der Besitzerin nichts zu sehen, doch eine leichte Bewegung des Vorhangs, der den Verkaufsraum von dem dahinter befindlichen Raum trennte, zeigte Ansgar, daß die geheimnisvolle Dame anwesend war.

      Angelina hatte mit Josef noch etwas besprochen, als Ansgar Hohenried am Schaufenster auftauchte.

      »Ist er das?« fragte sie den Gärtner.

      Der nickte.

      Plötzlich tat ihr das Herz weh. Warum war sie so ein armseliger Krüppel, daß sich niemals ein Mann für sie interessieren würde? Ganz gewiß keiner, der so gut und interessant aussah und zudem, wie Buchner ihr erzählt hatte, reich und erfolgreich war.

      Sie starrte ihn an. Dann wendete sie sich um und sagte in schroffem Ton zu Buchner:

      »Holen Sie ihn herein und unterbreiten Sie ihm meine Vorschläge.«

      Der alte Mann sah ihr nach, wie sie im rückwärtigen Teil des Geschäftes verschwand. Es kam ihm vor, als hinke sie heute stärker als sonst. Er seufzte und bat Hohenried herein.

      Angelina setzte sich an den großen Tisch, um weiter an dem Gesteck für eine Erstkommuniontafel zu arbeiten. Aber irgendwie vermochte sie sich nicht zu konzentrieren, ihre Hände sanken ihr in den Schoß und sie lauschte auf die Unterhaltung, die Buchner mit Dr. von Hohenried führte.

      »Sie wollen mir also nicht den Namen der Besitzerin verraten?« fragte Ansgar direkt, kaum, daß er den Laden betreten hatte.

      Buchner erwiderte nichts und hob nur mit einem bedauernden Lächeln die Schultern.

      »Verraten Sie mir wenigstens den Grund, weshalb diese Dame sich unsichtbar macht?« Es klang ziemlich ironisch.

      »Es tut mir leid«, erwiderte Buchner, aber das war auch schon alles.

      »Nun, auch wenn sie offensichtlich einen ausgesprochenen Spleen hat, von Blumen versteht sie etwas. Und die Sträuße und Gestecke, die hier stehen«, er sah sich in dem Geschäft um, »sind wirklich besonders schön und einfallsreich. Absolut nicht das Übliche.«

      Angelinas Herz klopfte. Warum freute sie sich so über sein Lob? Er kannte sie nicht, sie kannte ihn nicht, und sie würden sich auch nie kennenlernen.

      Ansgar überlegte einen Moment.

      »Wollen Sie sie wirklich nicht noch mal fragen? Wissen Sie, es handelt sich um die Goldene Hochzeit meiner Eltern, und Sie werden verstehen, daß ich da etwas ganz Besonderes möchte. Und wenn möglich, möchte ich die Blumen dazu mit ihr zusammen aussuchen.«

      »Ich verstehe Sie vollkommen, Herr Dr. von Hohenried«, sagte Buchner unglücklich, »aber es ist wirklich sinnlos. Sie können die Blumen mit mir zusammen aussuchen. Und ich werde Ihnen dann die Vorschläge von meiner Arbeitgeberin übermitteln.«

      »Versuchen Sie es trotzdem«, beharrte Ansgar. »Vielleicht macht sie eine Ausnahme.«

      »Wenn Sie darauf bestehen.« Buchner seufzte. Er wünschte von Herzen, daß Angelina eine Ausnahme machte, aber er konnte es sich nicht vorstellen.

      Er verschwand hinter dem Vorhang, und Ansgar hörte ihn leise sprechen. Ihre Stimme hörte er nicht.

      Er wartete nicht ab, bis Buchner zurückkam, sondern folgte ihm einfach in das Hinterzimmer, und blieb wie angewurzelt stehen.

      Hinter dem mit Blumen beladenen Tisch saß das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte. Sie sah aus wie eine Prinzessin aus einem Märchen. Der Anblick des feinen Gesichts mit den süßen, blassen Lippen, den großen nachtblauen Augen unter unwahrscheinlich langen Wimpern, die schöngezeichneten Brauen auf der hohen, klaren Stirn, das fast schwarze, leicht gewellte Haar – mein Gott! So mußte Andersen sich seine kleine Seejungfrau vorgestellt haben, sogar der traurige Ausdruck paßte in das Märchen.

      Er wußte nicht, wie lange er sie angestarrt hatte. Endlich sagte sie mit einer leisen dunklen Stimme: »Ich hatte Sie nicht hereingebeten, Dr. von Hohenried.«

      »Verzeihung!« Wahrhaftig, er stotterte! »Wenn es nicht die Goldene Hochzeit meiner Eltern wäre…« Was für eine dumme Entschuldigung.

      »Wie schön, daß Sie ein so gutes Verhältnis zu Ihren Eltern haben.« Es klang bitter. Oder bildete er sich das nur ein?

      »Ein sehr gutes«, erwiderte er hastig, »und ich hoffe, das bleibt auch so, falls ich einmal heirate…« Warum hatte er das gesagt? Das war doch geradezu lächerlich.

      Angelina sagte nichts darauf, sondern schlug nur die Augen nieder, so daß ihre Wimpern zarte Schatten auf ihre blassen Wangen zauberten.

      »Es tut mir so leid, Komteß«, entschuldigte sich Buchner unglücklich. »Ich hatte wirklich ausdrücklich gesagt…«

      »Herrn Buchner trifft keine Schuld!« warf Ansgar schnell ein.

      »Ich weiß«, antwortete sie. Und weil in diesem Moment die Türglocke des Geschäftes anschlug, bat sie Buchner, sich um den Kunden zu kümmern.

      Sobald sie allein waren, riß Angelina sich zusammen und erkundigte sich betont kühl: »Sie wollen also etwas ganz Besonderes für Ihre Eltern? Haben Sie eine genauere Vorstellung?«

      »Es ist die Goldene Hochzeit. Die Blumen sollten also goldfarben sein.« Angelina nickte. »Und wenn möglich, Rosen!«

      Sie nickte wieder.

      »Dort ist die Tür zum Kühlraum. Es stehen darin zwei Bottiche mit gelben Rosen. Holen Sie je eine heraus, dann können wir weiterreden.«

      Er war etwas verwundert, daß sie ihn schickte und nicht selbst ging, aber sie war eben nicht nur wunderschön, sondern auch sonderbar. Geheimnisvoll – verbesserte er sich in Gedanken. Hatte er sich vorhin verhört, oder hatte Buchner sie wirklich mit ›Komteß‹ angesprochen?

      Der Raum war kühl und dunkel, es dauerte, bis er sich an die Beleuchtung gewöhnt hatte. Er zog aus jedem der beiden großen Bottiche einen Stiel. An einem war nur eine Knospe, am anderen mehrere.

      Als er damit zurückkam, erklärte sie: »Die mehrblütige Rose ist eine Polyantha-Rose, das andere ist eine duftende Edelrose.«

      »Dann möchte ich die Edelrose«, sagte er spontan.

      Sie lächelte kurz.

      »Das wird sehr teuer.«

      »Das macht nichts«, erwiderte er, ebenso kurz angebunden.

      »Es wird besonders teuer, weil die ›Sutters Gold‹, so heißt die Rose, nur als Knospe oder halb aufgeblüht wirklich schön ist. Sie ist berühmt für ihren herrlichen Duft, aber sobald sie sich völlig öffnet, verblassen ihre Farben. Sie hat auch weit weniger Blütenblätter als zum Beispiel die Gloria Dei.«

      »Dann nehmen wir eben Knospen und halberblühte Rosen«, gab er zur Antwort.

      »Das bedeutet, daß wir sehr viel mehr brauchen. Es sei denn, Sie möchten noch etwas anderes dazunehmen.«

      »Ich