Gisela Reutling

Mami Bestseller 4 – Familienroman


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fasste sich schneller. Mit einer übermütigen Bewegung riss er sie an sich. »Regine, jetzt werden wir reiche Leute! Jetzt kann ich mich selbstständig machen. Oder du verkaufst das Haus, und wir leben erst mal eine Weile in Saus und Braus. Wie wäre das denn, hm?«

      Sie machte sich von ihm los. Ihr Blick ging an ihm vorbei. Sie sah das Haus vor sich, in seiner ganzen Schönheit. »Ich weiß nicht, ob ich es verkaufen würde«, sprach sie vor sich hin.

      »Na hör mal! Was sollen wir mit einem Haus da unten? Das wäre doch nur ein Klotz am Bein. Na ja«, unterbrach er sich und wiegte überlegend den Kopf, »man könnte es unter Umständen auch zu einem horrenden Preis vermieten, wenn es wirklich so große Klasse ist. Solche Objekte sind gefragt.« Er lachte erregt. »Lass mich nur machen, Regine. Wozu bin ich im Immobiliengeschäft tätig.«

      »Ich war glücklich dort«, murmelte sie, als seien seine Worte an ihrem Ohr vorbeigegangen.

      »Wie du das sagst …« Sein Lachen verschwand. Ein Verdacht keimte in seinen Augen auf. »Sag mal, hast du vielleicht was mit dem Alten gehabt?«, fragte er brüsk.

      Regine fuhr herum. Ihre Augen sprühten. »Wie kannst du es wagen, so etwas auszusprechen, oder auch nur zu denken. Roberto Valli war fast fünfundvierzig Jahre älter als ich, er hätte mein Großvater sein können!«, hielt sie ihm aufgebracht entgegen.

      »Soll alles schon vorgekommen sein«, behauptete er mit einem schiefen Lächeln.

      Regine schwieg verletzt. Sie presste die Lippen zusammen und wandte sich ab. Es kam ihr vor, als habe er etwas beschmutzt, was ihr sehr viel bedeutet hatte. Martin hielt sie mit einer Handbewegung zurück.

      »Komm, Mädchen, sei nicht gleich beleidigt«, sagte er in versöhnlichem Ton. »Ich hab’s ja nicht so gemeint. Du kennst mich doch. Ich bin manchmal ein bisschen derb und schnodderig.«

      Ja, in der Tat, das war er. Es hatte sie schon manchmal irritiert. Aber sie wollte jetzt keinen Streit mit ihm. »Martin«, begann sie und sah ihn mit einem großen Blick an, »ich weiß ja selber nicht, wie ich dazu komme. Wir empfanden eine große Zuneigung füreinander – irgendwie – ich kann es schlecht erklären.«

      »Ist ja auch egal«, fiel Martin ihr ins Wort. »Halten wir uns an die Tatsachen. Da gibt es jetzt eine Menge zu bereden …! Aber erst könnte ich einen Schnaps brauchen. Hast du einen da?«

      »Ja. Und dann mache ich uns etwas zu essen. Du wirst hungrig sein.«

      »Oder wir gehen essen«, schlug er vergnügt vor, »so ganz groß. Wir könnten doch eigentlich leichtsinnig sein, als Vorschuss auf den Segen hin, der da auf uns zukommen wird.«

      Regine wehrte ab. Dazu war sie nicht aufgelegt, und überhaupt, es ging ihr alles viel zu schnell, wie Martin dieser ganzen Angelegenheit gegenüberstand. Noch hatte sie das Erbe nicht angetreten. Es standen noch viele Fragen dahinter.

      »Du wirst also morgen, spätestens übermorgen nach Rom fahren«, sagte Martin wenig später, während er im Zimmer auf und ab schritt. »Du kannst in der Firma ja gleich sagen, dass mit dir nicht mehr zu rechnen ist. Als vermögende Frau hast du es nicht mehr nötig, in drei Sprachen Briefe zu tippen. Wenn du zurückkommst, reden wir über alles, und dann werde ich die Geschäfte in die Hand nehmen.« Selbstbewusst reckte er sich auf.

      Regine sagte nichts drauf. Sie sah mit gesenkten Lidern vor sich hin. Endlich fiel Martin ihr Schweigen auf.

      »Du freust dich ja gar nicht!«, bemerkte er. »Du müsstest doch eigentlich jubeln. Was ist denn los mit dir?«

      »Ich weiß nicht – ich kann noch nicht richtig daran glauben …«

      »Aber du hast es doch schwarz auf weiß!«, rief er aus. »Da kann doch gar nichts mehr passieren.«

      »Valli hat eine Tochter«, sagte Regine mit einem verlorenen Blick. Martin stutzte.

      »Eine Tochter?«, fragte er verdutzt. »Wieso, davon hast du mir noch gar nichts erzählt. Ich denke, er war allein.«

      »Das war er auch. Seine Frau soll ihn verlassen haben, und mit der Tochter hat er sich wohl nicht verstanden. Er soll sie aus dem Haus gewiesen haben. Aber das alles weiß ich nicht von ihm, sondern von dem Gärtner. Roberto Valli sprach nie über persönliche Dinge, und man durfte auch nicht daran rühren.«

      »Muss ja ein seltsamer Vogel gewesen sein«, meinte Martin abschätzig. Aber sein Unbehagen verflüchtigte sich schnell. »Dann wird er die Tochter enterbt haben«, vereinfachte er die Dinge, »oder sie kriegt die Hälfte des Vermögens. Die andere Hälfte, die für dich, wird ja wohl hoffentlich auch noch beträchtlich sein. Und auf alle Fälle hast du das Haus. Warte ab, daraus werde ich das größtmögliche Kapital schlagen, Regine.« Er rieb sich die Hände. »Darauf werden wir jetzt ein Glas Sekt trinken. Ich habe gesehen, du hast eine Flasche im Kühlschrank.« Pfeifend ging er zur Küche und ließ den Korken knallen. Regine stand auf und nahm zwei Gläser heraus. Sie verstand es auch nicht, warum sie nicht glücklicher war. Aber sie lächelte mit bebenden Lippen, als sie sich zuprosteten.

      »Auf eine wunderbare Zukunft!«, sagte Martin strahlend.

      »Ja«, sagte Regine und trank.

      *

      Dr. Paolo Monta empfing Regine mit ausgesuchter Höflichkeit. Er war ein mittelgroßer, unauffälliger Mann um die fünfzig, mit straff zurückgekämmtem dunklem Haar, in das sich einige graue Fäden mischten, und sehr wachen, aufmerksam blickenden Augen. Er kam sofort zur Sache.

      »Ich habe alles vorbereitet«, sagte er und schlug einen Aktenordner auf. »Hier ist das Testament, und hier der Erbschein.« Er nahm beide Schriftstücke heraus und legte sie vor Regine hin. »Außerdem habe ich noch einen persönlichen Brief von Signor Valli für Sie … Bitte.« Er überreichte ihr den verschlossenen Umschlag. Regine nahm ihn an sich.

      »Ich verstehe immer noch nicht, wieso Signor Valli dazu kam, mich als Erbin einzusetzen«, sprach sie verhalten. »Ich war doch nur seine Sekretärin.«

      »Sie waren viel mehr für ihn, Signora Peters«, entgegnete der Advokat. »Er hat viel von Ihnen gesprochen in seinen letzten Tagen.«

      »Er bedeutete mir auch viel. Ich habe ihn sehr verehrt.« Sie hob den Blick, Trauer war in ihren Augen. »Woran ist er gestorben?«

      »Er erlitt einen Herzinfarkt. Er lag noch vierzehn Tage in der Klinik, aber er erholte sich nicht mehr davon. Ich setzte dieses Testament mit ihm auf, denn ich war schon seit Jahren sein Anwalt und kannte ihn gut … So weit«, schränkte er ein, »man eine widersprüchliche Persönlichkeit wie Roberto Valli eben kennen konnte.« Er zögerte einen Moment, bevor er gedankenvoll hinzufügte: »Er hatte eine Frau, und eine Tochter – und er hatte doch beide nicht.«

      »Aber haben sie nicht Anspruch auf das Erbe, anders als ich, eine Fremde?«, fragte Regine beklommen.

      Dr. Monta legte die Fingerspitzen vor sich auf dem Schreibtisch zusammen. »Seine Frau«, begann er in erklärendem Ton, »verzichtete auf alle Ansprüche, als sie ihn verließ. Sie wollte frei sein. Das ist wohl an die zwanzig Jahre her. Sie scheidet also aus. Seine Tochter Elena ist vor zwei Jahren tödlich verunglückt.«

      Regine zuckte zusammen. »Das musste aber doch schlimm für Signor Valli gewesen sein«, brachte sie stockend hervor, »auch wenn …« Etwas hilflos verstummte sie.

      »Wenn er sich mit ihr entzweit hatte, meinen Sie«, vollendete der Anwalt. »Ja, sie waren wie Feuer und Wasser, Vater und Tochter. Sie war, ganz im Gegensatz zu ihm, sehr freizügig in ihren Ansichten. Eine temperamentvolle moderne junge Frau, die leben wollte, wie es ihr gefiel. Als sie schließlich ein Kind erwartete und den Mann nicht heiraten wollte, wies er ihr die Tür und verbot ihr, ihm jemals wieder unter die Augen zu treten.« Er sah Regine an, die ihm mit blasser Miene zugehört hatte. »Ob es schlimm für ihn war, erst nach ihrem Tode wieder von ihr zu hören?« Ungewiss hob er die Schultern. »Er hat es erst viel später erfahren. In den letzten Jahren war er wieder viel auf Reisen gegangen, wie von einer inneren Unruhe getrieben …«

      »Und das Kind?«, fragte Regine mit angehaltenem Atem.