zu prüfen und schwingt sich dann bedächtig hinüber auf den nächsten Ast, auf dem er wie vorher weitergeht. Nie hüpft oder springt er oder scheint auch nur zu eilen, und doch kommt er fast ebenso schnell fort, wie jemand unten durch den Wald laufen kann. Die langen mächtigen Arme sind für das Tier von dem größten Nutzen; sie befähigen es, mit Leichtigkeit die höchsten Bäume zu erklimmen, Früchte und junge Blätter von dünnen Zweigen zu ergreifen, die sein Gewicht nicht aushalten würden und Blätter und Äste zu sammeln, um sich ein Nest zu bauen. Ich erzählte schon, wie es sein Lager bereitet, wenn es verwundet ist, aber es benutzt ein ähnliches auch fast jede Nacht zum Schlafen. Jedoch wird dieses niedriger angebracht auf einem kleinen Baum, nicht höher als zwanzig bis fünfzig Fuß vom Boden, wahrscheinlich weil es da wärmer und weniger den Winden ausgesetzt ist als oben. Jeder Mias soll sich jede Nacht ein neues machen; aber ich halte das deshalb kaum für wahrscheinlich, da man sonst die Überreste häufiger finden würde; denn wenn ich auch in der Nähe der Kohlenminen einige gesehen habe, so müssen doch viele Orangs täglich dort gewesen sein, und in einem Jahr schon würden ihre verlassenen Lager sehr zahlreich werden. Die Dajaks sagen, dass sich der Mias, wenn es sehr nass ist, mit Pandang-Blättern oder großen Farnen bedeckt, und das hat vielleicht dazu verleitet zu meinen, er baue sich eine Hütte in den Bäumen.
Der Orang verlässt sein Lager erst, wenn die Sonne ziemlich hoch steht und den Tau auf den Blättern getrocknet hat. Er frisst die ganze mittlere Zeit des Tages hindurch, aber kehrt selten während zweier Tage zu demselben Baum zurück. Die Tiere scheinen sich vor Menschen nicht sehr zu fürchten; sie glotzten häufig Minutenlang auf mich herab und entfernten sich dann nur langsam bis zu einem benachbarten Baum. Wenn ich einen gesehen hatte, musste ich oft eine halbe Meile und weiter um meine Flinte gehen, und fand ihn nach meiner Rückkehr fast stets auf demselben Baum oder innerhalb eines Umkreises von ein paar Hundert Fuß. Ich sah nie zwei ganz erwachsene Tiere zusammen, aber sowohl Männchen als auch Weibchen sind manchmal von halb erwachsenen Jungen begleitet, während auch drei oder vier Junge zusammen allein gesehen werden. Sie nähren sich fast ausschließlich von Obst, gelegentlich auch von Blättern, Knospen und jungen Schösslingen. Unreife Früchte scheinen sie vorzuziehen, von denen einige sehr sauer, andere intensiv bitter waren, hauptsächlich aber schien die große rote fleischige Samendecke einer Frucht ihnen sehr zu schmecken. Manchmal essen sie nur den kleinen Samen einer großen Frucht, und sie verwüsten und zerstören fast immer mehr, als sie essen, sodass unter den Bäumen, auf denen sie gefressen haben, stets eine Menge Reste liegen. Die Durian lieben sie sehr, und Mengen dieser köstlichen Frucht, wo immer im Wald sie wachsen, werden von ihnen zerstört, aber nie kreuzen sie Lichtungen, um sie zu holen. Es scheint wunderbar, wie das Tier diese Frucht öffnen kann, da die Schale so dick, zäh und dicht mit starken konischen Spitzen besetzt ist. Wahrscheinlich beißt es erst einige dieser ab, macht ein kleines Loch und reißt dann die Frucht mit seinen mächtigen Fingern auf.
Der Mias steigt selten auf die Erde herab, nur dann, wenn er vom Hunger getrieben saftige Schösslinge am Ufer sucht; oder wenn er bei sehr trockenem Wetter nach Wasser geht, von dem er für gewöhnlich genug in den Höhlungen der Blätter findet. Nur einmal sah ich zwei halb erwachsene Orangs auf der Erde in einem trockenen Loch am Fuß der Simunjon-Hügel. Sie spielten zusammen, standen aufrecht und fassten sich gegenseitig an den Armen an. Es ist übrigens ganz sicher gestellt, dass der Orang nie aufrecht geht, außer wenn er sich mit den Händen an höheren Zweigen festhält oder wenn er angegriffen wird. Abbildungen, auf denen er mit einem Stock geht, sind ganz aus der Luft gegriffen.
Die Dajaks sagen, dass der Mias nie von Tieren im Wald angefallen wird, mit zwei seltenen Ausnahmen; und die Erzählungen davon sind so merkwürdig, dass ich sie möglichst mit den Worten meiner Berichterstatter, alter Dajak-Häuptlinge, welche ihr ganzes Leben an Orten, wo das Tier sehr viel vorkommt, zugebracht haben, geben will. Der erste, den ich danach fragte, sagte: »Kein Tier ist stark genug, um den Mias zu verletzen, und das einzige Geschöpf, mit dem er überhaupt kämpft, ist das Krokodil. Wenn er kein Obst im Dschungel findet, so geht er an die Flussufer, wo es viele junge Schösslinge gibt, die er gern frisst, und Früchte, die dicht am Wasser wachsen. Dann versucht das Krokodil oft ihn zu packen, aber der Mias springt auf dasselbe, schlägt es mit Händen und Füßen, zerfleischt und tötet es.« Er fügte hinzu, dass er einmal solchem Kampf zugeschaut habe, und dass der Mias stets Sieger bliebe.
Mein zweiter Berichterstatter war der Orang Kaya oder Häuptling der Balow-Dajaks am Simunjon-Fluss. Er sagte: »Der Mias hat keine Feinde; kein Tier wagt es, ihn anzugreifen, bis auf das Krokodil und die Tigerschlange. Er tötet das Krokodil stets nur durch seine Kraft, indem er auf demselben steht, seine Kiefern aufreißt und die Kehle aufschlitzt. Wenn eine Tigerschlange einen Mias angreift, packt er sie mit seinen Händen, beißt sie und tötet sie bald. Der Mias ist sehr stark; kein Tier im Dschungel ist so stark wie er.«
Es ist sehr bemerkenswert, dass ein so großes, so eigentümliches und so hochorganisiertes Tier wie der Orang-Utan auf so begrenzte Distrikte beschränkt ist – auf zwei Inseln, die fast am wenigsten von höheren Säugetieren bewohnt werden; denn östlich von Borneo und Java vermindern sich die Vierhänder, Wiederkäuer und Raubtiere rapide und werden bald ganz verschwunden sein. Wenn wir weiter bedenken, dass fast alle anderen Tiere in früheren Zeitaltern durch verwandte, wenn auch distinkte Formen repräsentiert waren – dass in der letzten Zeit der Tertiärperiode Europa von Bären, Hirschen, Wölfen, Katzen bevölkert war; Australien von Kängurus und anderen Beuteltieren; Südamerika von gigantischen Faultieren und Ameisenfressern; alle verschieden von irgendwelchen jetzt existierenden, wenn auch sehr nahe mit ihnen verwandten – so haben wir guten Grund zu glauben, dass der Orang-Utan, der Schimpanse und der Gorilla auch ihre Vorgänger gehabt haben. Mit welchem Interesse muss jeder Naturforscher an die Zeit denken, in der die Höhlen und Tertiärablagerungen der Tropen durchsucht sind, und man die frühe Geschichte und das erste Erscheinen der großen menschenähnlichen Affen endlich kennenlernen wird.
Ich will nun einiges anführen in Betreff der vermeinten Existenz eines borneonischen Orangs von der Größe des Gorillas. Ich selbst habe die Körper von siebzehn frisch getöteten Orangs untersucht und habe alle sorgfältig gemessen; von sieben bewahrte ich das Skelett auf. Ich erhielt ferner zwei Skelette von Tieren, die andere töteten. Von dieser großen Reihe waren sechzehn ganz ausgewachsen, neun Männchen und sieben Weibchen. Die erwachsenen Männchen des großen Orangs variierten in der Höhe nur zwischen vier Fuß ein Zoll und vier Fuß zwei Zoll, bis zu den Hacken gemessen, sodass es sich hier um die Höhe des aufrecht stehenden Tieres handelt; die Breite der ausgestreckten Arme variierte von sieben Fuß zwei Zoll bis sieben Fuß acht Zoll und die Breite der Gesichter von zehn bis dreizehneinhalb Zoll. Die von anderen Naturforschern beigebrachten Maße stimmen genau mit den meinigen. Der größte von Temminck gemessene Orang war vier Fuß hoch. Von fünfundzwanzig von Schlegel und Müller gemessenen Exemplaren war das größte alte Männchen vier Fuß ein Zoll; und das größte Skelett im Kalkuttaer Museum betrug, nach Herrn Blyths Angabe, vier Fuß anderthalb Zoll. Meine Exemplare waren alle von der Nordwestküste Borneos; die der Holländer von den West- und Südküsten; und kein Exemplar ist bis jetzt nach Europa gekommen, das diese Maße überschreitet, obschon die Gesamtzahl von Häuten und Skeletten wohl mehr als hundert beträgt.
Dennoch aber behaupten sonderbarerweise einige Menschen, dass sie Orangs von viel bedeutenderer Größe gemessen haben. Temminck erzählt in seiner Monographie des Orangs, er habe gerade Nachricht erhalten, dass ein Exemplar von fünf Fuß drei Zoll Höhe gefangen sei. Unglücklicherweise scheint es Holland nie erreicht zu haben, denn nichts verlautete seitdem von diesem Tier. Herr St. John, in seinem »Life in the Forests of the Far East«, Bd. II, S. 237, erzählt uns von einem Orang, den ein Freund von ihm geschossen und der fünf Fuß zwei Zoll von der Ferse bis zum Scheitel gemessen habe; der Arm war siebzehn Zoll im Umfang und das Handgelenk zwölf Zoll! Nur der Kopf wurde nach Sarawak gebracht, und Herr St. John erzählt uns, dass er dabei war, als er gemessen wurde, und dass er fünfzehn Zoll breit und vierzehn lang gewesen. Unglücklicherweise scheint auch dieser Schädel nicht aufbewahrt worden zu sein, denn nie hat ein Exemplar, das diesen Maßen entspräche, England erreicht.
In einem Brief von Sir James Brooke vom Oktober 1857, in welchem er mir den Empfang meiner Abhandlung über den Orang, die in den »Annals and Magazine of Natural History« publiziert ist, anzeigt, schickt er mir die Maße eines von seinem Neffen