Sven Plöger

Zieht euch warm an, es wird heiß!


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Natur tut uns leider nicht den Gefallen, unseren Prioritäten in der Bewältigung paralleler Krisen zu folgen. Vielmehr sind wir ihr schlicht und einfach egal, denn sie ist für unsere Wünsche völlig taub. Soll es uns gut gehen, müssen wir solche Krisen bestmöglich lösen, und wenn sie parallel ablaufen, müssen wir sie zumindest auch parallel denken. Im Idealfall sollten wir dabei einsehen, dass wir Täter und Opfer zugleich sein können, also die Krise, unter der wir leiden, (mit)ausgelöst haben. Das zu erkennen kann im Falle klugen Handelns dazu beitragen, gleiche Fehler in der Zukunft nicht zu wiederholen. Bei Corona könnte ein solcher Fehler eine unangemessene Nähe zu Wildtieren und ihrer »Nutzung« in Asien sein, beim Klimawandel sind es zweifellos die Massen an Treibhausgasen und anderen Schadstoffen, die wir stetig und in weiterwachsender Menge in die Luft blasen.

      Der Dalai-Lama bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: »Kata­stro­phen können unsere Lernhelfer werden!« Kann der Shutdown durch Corona – ohne die daraus hervorgehenden teils riesigen Probleme zu verharmlosen – mit all seiner Entschleunigung vielleicht dazu beitragen, dass wir unser Verhalten einmal ernsthaft mit einer gewissen Außensicht hinterfragen? Die immer schneller getaktete Welt, die in einem gierigen Konsumrausch des »Größer! Höher! Weiter!« quasi als Kollateralschaden versehentlich den eigenen Planeten zerstört, müsste doch durch etwas für uns alle Vernünftigeres ersetzbar sein! Eine Welt mit Wohlstand, aber mehr Zeit, weniger Stress und einer gesunden Umwelt klingt eigentlich nicht so unangenehm. Was hindert uns daran, so etwas anzustreben? Welcher Zwang weist so vielen von uns das heutige System als alternativlos aus, wohlwissend, dass das gleiche System unseren eigenen Nachkommen kaum Perspektiven bieten wird?

      Viele Politiker, einige mit durchaus ehrlich wirkender Korrektur ihrer Auffassung aus jüngeren Jahren, erkennen immer deutlicher die Notwendigkeit des Umsteuerns und fordern dieses auch ein: Corona als Chance nutzen, quasi ein Neuanfang unter der Leitlinie des »Green Deal«. Sie denken parallel – Corona und Klima – und binden etwa die notwendige Unterstützung einer wahrlich krisengebeutelten Fluggesellschaft an ihre zukünftige Umweltfreundlichkeit. Wer nur zu linearem Denken befähigt ist, gibt derzeit hingegen magere Sätze wie »Jetzt geht es erst mal um die Wirtschaft, das Klima muss warten« von sich. Wer aber an einer Küste steht und wegen eines 5 Meter hohen Tsunamis auf den er starrt, nicht in der Lage ist, den 50 Meter hohen Wellenberg zu sehen, der dahinter tosend anrollt, schwebt in Gefahr. Und wer sich mit dem Denken generell schwertut – was kein Karrierehindernis für manche Staatslenker zu sein scheint –, äußert nicht nur magere, sondern sogar verstörende oder gefährliche Sätze, die Menschenleben kosten können.

      Die Coronakrise ist mitten in die abschließenden Arbeiten zu diesem Buch hereingeplatzt und hat so einiges durcheinandergewirbelt. Das Leid, das sie verursacht, ist eine Prüfung unserer Gesellschaft, von der wir heute noch nicht sagen können, wie sie ausgeht und wie in 10, 20 oder 50 Jahren darüber berichtet werden wird. Aber wir können jetzt schon eine ganze Menge Schlüsse und Lehren aus ihr ziehen. Genau das könnte – dem Dalai-Lama folgend – ein Ansatz sein für ein vernünftigeres Handeln in der heutigen Zeit des Klimawandels. An welchen Stellen die Pandemie und die Analyse des bisherigen Umgangs mit ihr eine Hilfe dafür sein können, wird gleich auf den ersten Seiten dieses Buches behandelt.

      Ich freue mich sehr darüber, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich in diesen Zeiten dazu entschieden haben, sich parallel zu Corona auch mit dem Klima und unserer Umwelt zu beschäftigen. Ich wünsche mir, dass es diesem Buch gelingt, Ihre Perspektive auf das Weltklima und die herausragende Wichtigkeit seines Schutzes etwas zu erweitern.

      Sven Plöger, im Juni 2020

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      Zum Umgang mit diesem Buch

      Der Klimawandel ist ein schier unerschöpfliches Thema, das naturwissenschaftliche, geisteswissenschaftliche und gesellschaftspolitische Aspekte umfasst. Mit diesem Buch versuche ich, verschiedene Ebenen zu verbinden, um Ihnen als Leser einen »gesunden Überblick« zu ermöglichen. Mein Wunsch ist, dass es Ihnen damit in Zukunft leichter fallen wird, Nachrichten und Schlagzeilen rund um den Zustand unseres Planeten sowie zu Klimaschutzmaßnahmen einzuordnen.

      Im ersten Teil des Buches wird gezeigt, wo wir als menschliche Gesellschaft stehen und warum wir uns trotz der deutlich spürbaren Klimaveränderungen weiterhin so schwer damit tun, die Dinge umzusetzen, die wir uns auf diversen Konferenzen längst verbindlich versprochen haben. Das komplexe Thema wird hier aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, um eine taugliche Übersicht zu gewinnen, die unsere derzeitigen Debatten ebenso einordnet, wie die vertiefenden Kapitel im weiteren Verlauf des Buches.

      Im Mittelteil werden die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge erklärt: Wie funktioniert das Klimasystem und was ändert sich gerade aus welchen Gründen? Dabei werden auch klima­skeptische Äußerungen einbezogen und auf ihre Sachlichkeit überprüft.

      Der letzte Teil vertieft schließlich die behandelten Themen in praxisnaher Weise. Hier geht es darum, unser Klimaverhalten anhand der großen Stellschrauben zu untersuchen und mit Ideen und Vorschlägen zu zeigen, wie unsere Gesellschaft – das schließt Sie ein! – klimafreundlicher werden kann.

      Stichwort klimafreundlich: Um Platz und Papier zu sparen, haben wir uns dazu entschlossen, das Literaturverzeichnis online unter www.westendverlag.de/klima zur Verfügung zu stellen.

      Dieses Buch will nicht missionieren, sondern ein komplexes Thema für jedermann »übersetzen«. Im Indefinitpronomen »jedermann« steckt etymologisch übrigens nicht »Mann«, sondern »man«. Dem Wortursprung nach ist hiermit also »jeder« gemeint. Das bietet mir auch die Gelegenheit für einen Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit sind in diesem Buch sämtliche Personalpronomen und allgemeinen Ausdrücke stets inklusiv für Frauen, Männer und auch alle anderen zu verstehen.

      Eine ehrliche Bestandsaufnahme

      Kann uns die Coronakrise beim Umgang mit dem Klimawandel helfen?

      Ein Erdbeben, ein Vulkanausbruch oder ein Asteroideneinschlag passiert schlagartig. Der Mensch hat keine Möglichkeit einzugreifen. Es handelt sich dabei schlicht um ein tragisches Schicksal, das uns allenfalls verdeutlicht, wie klein wir trotz all unserer technischen Entwicklungen und all unseres Erfindungsgeistes gegenüber der Natur weiterhin sind. Wir können in einem solchen Fall nichts anderes tun, als zu versuchen, die Überlebenden zu versorgen und den Schaden zu beseitigen.

      Setzt man die Ausbreitung des Coronavirus mit einem Asteroideneinschlag gleich, so hätten wir es quasi mit einem Asteroideneinschlag in Zeitlupe zu tun. Wir sind plötzlich nicht mehr völlig machtlos, sondern haben Zeit, um mit beschränkten Mitteln einzugreifen, die Ausbreitung zu steuern und abzubremsen – »flatten the curve« ist dafür der englische Ausdruck, der nun auch Eingang in unseren Wortschatz gefunden hat. Je intelligenter wir mit dieser Zeit umgehen, desto besser das Ergebnis oder konkret, desto mehr Leben können wir retten.

      Und jetzt der Sprung zum Klimawandel. Er ist in dieser Analogie ein Asteroideneinschlag in Superzeitlupe. Für unser Gefühl derart schleichend langsam, dass wir eigentlich alle Zeit der Welt hätten, um Einfluss auf ihn zu nehmen. Der Satz von eben kann also wiederholt werden: Je intelligenter wir mit dieser Zeit umgehen, desto besser das Ergebnis. Das Bedauerliche ist, dass der große Zeitvorteil leider zum Nachteil für