Gernot Hassknecht aus der »heute-show«, als dessen großer Fan ich mich hier oute, würde mutmaßlich brüllen »Peinlich ist was anderes als lustig. Wenn ihr schon nichts wisst, haltet wenigstens die Klappe und lasst eure Kinder nicht glauben, Doofheit verdient einen Ritterschlag!« Und danach schaut er immer so freundlich …
Kurzgefasst: Die Wissenschaftler stimmen fast ausnahmslos darin überein, dass der Mensch maßgeblich für den heutigen Klimawandel verantwortlich ist. Weil uns diese Erkenntnis aber nicht passt, da sie Handeln verlangt, sind wir empfänglich für Aussagen, die uns von der Verantwortung gegenüber der Umwelt und unseren Mitmenschen befreien. Dabei hilft uns eine Fähigkeit unseres Gehirns, die wir regelmäßig zum Bestehen unseres Alltags benötigen: Der Umgang mit kognitiver Dissonanz.
Die gesellschaftspolitische Aufgabe
So weit der akademische Teil, den inhaltlich zu erklären eines der Hauptziele dieses Buches ist. Um zunächst aber eine Übersicht über das große Ganze zu bekommen, gehen wir nun zum gesellschaftspolitischen Teil über. Hier ist nämlich die Frage zu beantworten, welche Schlüsse wir aus den erworbenen Erkenntnissen ziehen und wie wir diese zu Handlungsanweisungen verwerten. Dabei wird freilich vorausgesetzt, dass man die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch akzeptiert. Die Option, sich wegzuducken, das Thema unter fadenscheinigen Argumenten zu ignorieren und dummdreist, aber fröhlich weiterzumachen, bis wirklich alle fossilen Energieträger verbraucht sind, ist raus, weil sie nicht unserem Intellekt entspricht, auf den wir Menschen zu Recht gerne stolz sind. Für ein sinnvolles Handeln sind wieder zwei Pfade zu betrachten. Zum einen, wie wir weitere Treibhausgasemissionen vermeiden, und zum anderen, wie wir uns an den schon existierenden Klimawandel anpassen können – etwa durch bessere Warnsysteme gegen Unwetter, besseren Hochwasserschutz, aber auch bessere Wasserspeichersysteme, um großen Dürren zu begegnen, oder mehr Grün- und Wasserflächen in den Städten, um dort im Hochsommer für erträglichere Temperaturen zu sorgen.
Die Gewichtung zwischen Vermeidung und Anpassung liegt irgendwo zwischen der Einsicht, dass wir eine weitere Erwärmung nicht vollständig verhindern können, und der Ahnung, dass wir ausschließlich auf Anpassung zu setzen nicht bezahlen können. Folgt man einer Vielzahl von Studien zu den Kosten von Klimaschutz und Klimaanpassung, führt jeder heute nicht sinnvoll in den Klimaschutz gesteckte Euro später zu Ausgaben zwischen 2 und 11 Euro. Selbst beim konservativen Wert von 2 Euro geht es also um eine Verdopplung des Kapitaleinsatzes. Ganz ehrlich: Ich kenne wenige Anlagemöglichkeiten mit solch einer quasi gesicherten Rendite.
Momentan sind wir beim Umgang mit unserer Umwelt schlicht Opfer unserer eigenen Taten. Übersetzt sind wir also gerade fleißig dabei, an dem Ast zu sägen, auf dem wir sitzen. Das ist unklug – deswegen das zugehörige Sprichwort. Aber was tun, wenn man erst einmal klar erkannt hat, dass es dumm wäre, nichts zu tun, und das von einer eindeutigen Mehrheit der Menschen auf diesem Erdball auch nicht als sinnvolle Reaktion auf das Problem gesehen wird? Leider gibt es hierfür keine Bedienungsanleitung mit der Überschrift »Der Umgang mit dem Klimawandel und die Arbeitsschritte für die daraus folgende weltweite Transformation einer Gesellschaft von 7,7 Milliarden Menschen, in der ein kleiner Teil hoch technisiert ist und ein größerer unter ärmlichen Verhältnissen lebt«. Unsere Situation gleicht eher einem Sprung in ein Bällebad, wobei jeder kleine Ball eine Handlungsoption mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen darstellt – von der weltpolitischen Bühne, wo es sinnvoll ist, eine globale Energiewende voranzutreiben, bis hinunter zum kleinsten Alltäglichen, wo es sinnvoll ist, das Licht in Räumen auszuschalten, in denen wir uns gerade nicht befinden.
Die Erkenntnis und die zugehörige Plattitüde: Alles hängt mit allem zusammen. Die Folgen dieser banalen Einsicht sind aber dramatisch. Dreht man an einer Stellschraube, verändert man leider viele andere unabsichtlich mit und weiß am Ende oft gar nicht mehr so genau, was gut und was vielleicht trotz guter Absicht kontraproduktiv ist. Und »gut« oder »schlecht« hängt zu allem Überfluss noch von der jeweiligen Sichtweise ab, die sich aus der eigenen Interessenlage generiert. Jeder Einzelne verfolgt seine Interessen – schauen Sie in eine typische vierköpfige Familie, idealerweise mit zwei pubertierenden Kindern, und versuchen Sie, zu einer gemeinsamen Meinung etwa hinsichtlich eines Ausfluges zu gelangen. Äußerst schwierig! Ähnlich wie die Familie verfolgt auch jede Firma, ob mittelständisches Unternehmen oder multinationaler Großkonzern, ihre Interessen. Selten ist dabei die eigene Verkleinerung das Ziel …
Und am Ende kommen noch die nationalen Interessen hinzu. Nationen mit großen Unterschieden hinsichtlich Wirtschaftskraft, Entwicklungsstand und kultureller Prägung treffen dabei aufeinander. Sie merken schnell, wie schwer es wird, das alles unter einen Hut zu bringen und aus dieser Gemengelage eine konstruktive, uns allen gemeinsam nützliche Handlungsoption zu basteln. Und zwar ohne Schiedsrichter, der bei nicht enden wollenden, egoistischen Diskussionen irgendwann einfach laut in seine Trillerpfeife pustet und sagt, wo es nun langgeht. Diese Macht hat niemand und den »guten Weltdiktator«, der für alle nur das Beste will und alle Probleme in einer Weise, die jeden glücklich macht, löst, gibt es nicht.
Wo stehen wir?
Als der Club of Rome 1972 die »Grenzen des Wachstums« veröffentlichte, wurde verschriftlicht, was sich viele von uns schon als Kinder hin und wieder überlegten und dann auch ihre Eltern fragten: Kann ein Planet von gleichbleibender Größe immer mehr Menschen ernähren und mit Energie versorgen, sodass es allen auf Dauer immer besser gehen wird? Wäre das eine Quizfrage, würden wir wohl alle erst mal den Kopf schütteln. Und dann flott ergänzen, dass man natürlich nicht genau weiß, wann und wo die Grenze erreicht ist – was unser Handeln ein Stück weit rechtfertigt. Die kognitive Dissonanz lässt grüßen.
Als in den frühen 1980ern das Ozonloch entdeckt wurde, wurden wir Menschen nervös, weil wir bemerkten, dass wir offensichtlich einen sehr großen Einfluss auf unsere Umwelt auswirken können – und zwar ganz »aus Versehen«. Der Grund für dieses Versehen ist in der Theorie der freien Güter zu suchen – einem der eminenten Denkfehler der Wirtschaftstheoretiker, da er den grundlegenden Aussagen der Physik abgeschlossener Systeme – ein solches ist unser Planet in erster Näherung – widerspricht. Nach der Definition sind freie Güter solche, »die begrenzt aber nicht knapp sind. Sie sind in einem bestimmten Gebiet zu einem bestimmten Zeitpunkt im Überfluss vorhanden und kosten deshalb grundsätzlich kein Geld.« Aus dieser Sichtweise heraus wurde und wird eben auch das freie Gut Luft, also unsere Atmosphäre, als Gratisdeponie für unsere Rückstände in Anspruch genommen. Ein Gegenentwurf dazu besteht im Emissionshandel, auf den wir später noch zu sprechen kommen.
Als erste Ergebnisse der bis dahin eigentlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit arbeitenden Klimaforschung den Weg in die Medien fanden, wurden schrille Begriffe wie etwa »Klimakatastrophe« geprägt. Die Wissenschaft musste plötzlich lernen, dass sich ihre Denk- und Arbeitsweise von der der Medien stark unterscheidet. Eine vorsichtige, abwägende und differenzierende wissenschaftliche Ausdrucksweise ist nicht gerade die Grundlage für eine knappe, reißerische Überschrift. Der Lernprozess der Wissenschaft war natürlich auch in der Lage, die eigenen Geschäftsgrundlangen zu gefährden, und so versuchte man sich schnell vor den Auswirkungen neuer Erkenntnisse zu schützen: Unsicherheiten, die es in diesem (und jedem anderen) Forschungszweig in Detailfragen zweifellos bis heute gibt und immer geben wird – darum ist Wissenschaft ja stets auch etwas, was Wissen schafft –, wurden zur Verunsicherung schnell mit Unfähigkeit und Unwissen gleichgesetzt. Und wie bringt man das besonders destruktiv in die Öffentlichkeit? Mit Geld! Wer früher Artikel gegen die Klimaforschung schrieb, bekam von so manchem Konzern große Summen bar auf die sprichwörtliche Kralle. »Berühmt« sind Koch Industries oder Scaife Affiliated Foundations, die jeweils Millionen in Skeptiker-Einrichtungen wie das Heartland Institute stecken. Da wird schon so mancher zum willfährigen Unterstützer monetärer Ziele der Wirtschaft. Im weiteren Verlauf des Buches wird genauer eingeordnet, auf welche Weisen Erkenntnisse der Klimaforschung von diversen Gruppen abgelehnt wurden.
Trotz aller Versuche aus verschiedenen Richtungen, Klima- und Umweltthemen klein- oder nichtigzureden, wuchs die weltweite Erkenntnis, dass irgendetwas aus dem Ruder läuft. So wurde im Juni 1992 der Erdgipfel von Rio – oder korrekt die »Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung«