Ähnlich war es nochmals 1997, als das Kyotoprotokoll beschlossen wurde. Es trat 2005, also lange 8 Jahre später, in Kraft mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2012 gegenüber 1990 um 5,2 Prozent (richtig gelesen) zu reduzieren. 2015, als das Pariser Abkommen beschlossen wurde, keimte wiederum Hoffnung auf. In den vielen Jahren dazwischen und besonders in Madrid 2019 bestimmte, abgesehen von kleinen, meist nur verbalen Erfolgen, das Geschacher ums Geld die Szenerie. Im Wesentlichen zeigte jeder auf den anderen und forderte, zunächst möge man die Dinge bei sich verbessern und dann könne man gerne wieder reden – das bekannte »blame game«. Und so blieb alles wie immer, nur zeitigten die Steigerung des Lebensstandards und der damit einhergehende stark wachsende Energiebedarf sowie das Bevölkerungswachstum stetig mehr Emissionen. Derweil nahmen Unwetter und Hitzerekorde auf diesem Planten wie vorhergesagt zu.
Mittlerweile ist der Ausstoß von CO2, dem wichtigsten anthropogenen Treibhausgas, gegenüber dem Zeitpunkt des Erdgipfels von Rio um 67 Prozent (!) gestiegen. Das war sicher nicht das, was wir mit unserer Aufbruchsstimmung und dem durchaus intensiven politischen Dialog bezwecken wollten. Die Menschheit verbraucht derzeit jedes Jahr die nachwachsenden Ressourcen von nicht einer, sondern 1,75 Erden, wir Deutschen sogar die von 3, doch wissen wir qua schulischer Bildung recht genau, dass wir nur eine Erde haben. Drum finden wir den sogenannten »Earth Overshoot Day«, den Tag, an dem wir eben diese nachwachsenden Ressourcen für das Jahr verbraucht haben, mittlerweile bereits Ende Juli. Danach leben wir auf Kredit der Natur, derzeit ohne den ernsthaften Willen, diesen zurückzuzahlen. Da 1,75 größer ist als 1, ist auch die Frage der Nachhaltigkeit geklärt: Die Gattung Mensch ist nicht nachhaltig. Punkt. Natürlich gibt es viele kleine Maßnahmen, die etwa Kommunen oder auch Einzelne ergreifen, denen Umwelt, Natur und Klima sehr am Herzen liegen. Das ist erfreulich und gut, wird aber in keiner Weise ausreichen, das Problem auch nur annähernd zu lösen. Dazu braucht es nun einmal die großen Player und die überwiegende Masse der Erdbevölkerung.
Kurzgefasst: Betrachten wir die vergangenen fast 50 Jahre, so ist der Klimawandel zunehmend zum relevanten Thema geworden. Es wird viel darüber geredet, aber kaum etwas getan. Weder eine ständige Erhöhung der Dosis medialer Dramatik noch die mittlerweile 25 weltweiten jährlichen Klimakonferenzen brachten hier einen Durchbruch. Beides scheint also nicht besonders effektiv oder zumindest nicht ausreichend zu sein.
Warum wir viel wissen, aber nicht danach handeln
Wir müssen also offen darüber nachdenken, ob ein »Weiter so« noch akzeptabel ist. Nicht nur deshalb, weil es immer fragwürdig ist, Dinge fortzusetzen, die erkennbar wenig bringen, sondern vor allem deshalb, weil die Menschheit es in ihrer Existenz hier erstmals mit einem globalen Problem zu tun hat, für dessen Lösung sie sich nicht beliebig viel Zeit nehmen kann. Da steht jemand mit einer Stoppuhr hinter uns, den wir nicht ignorieren können! Um das in Paris vereinbarte Ziel zu halten, die globale Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, passen noch rund 720 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre (eine Gigatonne ist eine Milliarde Tonnen). Da wir derzeit weltweit – leider immer noch mit steigender Tendenz – pro Jahr etwa 38 Gigatonnen emittieren, bleiben uns noch knapp 19 Jahre. Ebenso einig wie über die 2 Grad als äußersten Wert war man sich in Paris, dass wir eigentlich nur »1,5 Grad plus« erreichen sollten. Eine echte Herausforderung, für die wir noch rund 10 Jahre Zeit hätten. Was bedeutet das für jeden Einzelnen? Mittelt man weltweit den Ausstoß von CO2 pro Kopf und Jahr, so setzt jeder Mensch derzeit knapp 5 Tonnen frei. Will man das 2-Grad-Ziel einhalten, dürfen es aber nicht mehr als 2 Tonnen sein. Wir Deutschen liegen heute bei 9!
Lassen Sie uns gedanklich an dieser Stelle also einfach die Tafel leer wischen und nehmen wir uns vor, bei der Neubeschriftung nicht sofort in Nebensächlichkeiten zu versinken. Als Erstes schreiben wir nun auf die leere Tafel, dass wir einen Klimawandel haben und dass wir maßgeblich dafür verantwortlich sind. Darunter, dass deshalb auch wir das Problem lösen müssen. Wir lieben unsere Kinder und Enkel. »Nach mir die Sintflut« ist zutiefst unanständig und damit unakzeptabel. Schreiben wir also die wichtigsten Gedanken zur Lösung des Problems auf, und skizzieren eine Weltanschauung, die konstruktiv zur Verbesserung der Zustände beiträgt:
1.Wir brauchen einen begründeten Optimismus, die große Herausforderung überhaupt bestehen zu können. Jeder Leistungssportler weiß: Wenn man nicht an sich glaubt, ist der Wettkampf vorbei, bevor er begonnen hat.
2.Wir müssen die Bevölkerungszunahme in den Griff bekommen. Das Thema darf nicht tabuisiert und außen vor gelassen werden, da es Maßnahmen konterkarieren kann. Entwicklungspolitik ist darum ein zentraler Bestandteil guter Klimapolitik.
3.Weltklimakonferenzen muss es weiterhin geben. Aber dort dürfen nicht die Bremser bestimmen, die sagen, was nicht geht, sondern die Zugpferde müssen den Takt angeben und aufzeigen, was notwendig, aber auch was möglich ist. Deshalb muss die Regel aufgegeben werden, die für das Abschlusskommuniqué einer solchen Konferenz Einstimmigkeit fordert.
4.Forschung und Technik spielen eine entscheidende Rolle. Sie können die Bedingungen dafür schaffen, dass die Masse der Menschen, die »ganz normal« ihrem Alltag nachgeht, per se umweltfreundlicher wird. Das funktioniert aber nur, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien im Mittelpunkt unserer Bemühungen steht.
5.Wir müssen unser Verhalten an Schlüsselstellen ändern. Freiwillig, so haben wir bewiesen, schaffen wir es nicht. Wir brauchen Regeln für alle und der summierte Beitrag von 7,7 Milliarden kleinen Emissionsminderungen ist nicht zu unterschätzen. Allein durch kleine Verhaltensänderungen kann man das Klimaproblem aber nicht lösen. So realistisch müssen wir sein.
6.Wir brauchen attraktive Alternativen. Menschen etwas wegzunehmen und keine Alternative anzubieten, stiftet Unfrieden und Ablehnung, die dem Populismus der Klimaleugner in die Hände spielen.
7.Damit zusammenhängend: Diese Veränderungen werden Geld kosten. Anderslautende Aussagen sind absurd. Aber die Kosten müssen jene tragen, die viel haben und dementsprechend mit ihrem Lebensstil auch viel emittieren. Später werden uns die heutigen »Vorauszahlungen« Vorteile verschaffen.
8.Bildung ist notwendig und muss ernst genommen werden. Von Sir Francis Bacon stammt der Satz: »Wissen ist Macht«. Kehrt man ihn um, steht da ebenso richtig »Unwissen ist Ohnmacht«. Eine von Unkenntnis der Sache getriebene, emotionale und möglicherweise ideologisch motivierte Auseinandersetzung ist Zeitverschwendung.
9.Die Berichterstattung zum Thema Klimawandel muss auf den Prüfstand. Wissensvermittlung, die Physik von Phantasie trennt, sowie der Hinweis auf Erfolge beim Vorgehen gegen den Klimawandel tun not. Sie können die Bevölkerung zum Nach- und Mitmachen motivieren.
10.Die Zeit drängt. Wir müssen Prozesse beschleunigen, die raschen Klimaänderungen erhöhen den Handlungsdruck. Zu viele oft veraltete Regeln und Gesetze, die durch immer neue Vorschriften und Ausnahmen in ein Bürokratiedickicht verwandelt werden, bremsen uns aus.
Nehmen wir also diese Punkte auf – wobei wir auf den folgenden Seiten vor allem auf die ersten fünf intensiver eingehen werden – und geben noch eine ordentliche Prise »gesunden Menschenverstand« dazu. Darin liegt nämlich das Erfolgsrezept des Homo sapiens: Es waren unsere Anpassungsfähigkeit und unser Erfindungsreichtum, die uns überhaupt erst ermöglichten, zu überleben und zu gedeihen.
Begründeter Optimismus ist wichtig
Mancher sagt, es wäre völlig naiv, noch Optimismus zu haben. Aber was dann? Verhalten wir uns völlig anders, wenn wir uns nun sagen, es sei »fünf nach zwölf« und nicht mehr »fünf vor zwölf«? Möglicherweise ist das sogar kontraproduktiv, denn wenn alles zu spät ist, kann man ja sowieso nichts mehr tun. Dann doch lieber »mitnehmen, was geht« und so resignierend und gleichzeitig trunken in den Ausverkauf der Welt taumeln! Pessimismus, der sich aus Behäbigkeit generiert und dann in Selbstmitleid wechselt, hilft ebenso wenig wie aufgeregte Worte. Vermutlich würden wir uns einfach an den »Fünf nach zwölf«-Satz genauso gewöhnen wie an alle anderen Klimasätze oder -wörter. Auch schlimme Unwetterbilder aus aller Herren Länder, großes und sichtbares Leid der Betroffenen eingeschlossen, sind irgendwann »Normalität«. Es ist auch unproblematisch, dauerhaft im Klimanotstand zu leben, solange diese Feststellung quasi