ihn jeden einzelnen Tag.«
Wenn ich morgen sterben würde, wie lange würden Chet und Cris trauern? Eine Woche lang? Einen Monat?
»Ich weiß, dass sich das jetzt alles sehr elend anhört«, fuhr Ned fort. »Aber ich hoffe, dass du diese Art von Liebe eines Tages ebenfalls findest, junger Jacob. Die Liebe, die durch die dunkelsten Stunden trägt und dir die größte aller Freuden ermöglicht.«
»Ich möchte das auch.« Er sah Potenzial in seinen Romanzen mit Chet und Cris, aber es war alles noch so neu. So ungewiss. Cris und Chet teilten eine achtjährige Geschichte, aber Jake kannte sie keine zwei Monate lang. Er wusste kaum etwas von ihnen.
»Was ist mit dem Jungen, mit dem du dich getroffen hast? Cris?«
Jake hatte Cris während seiner letzten Besuche erwähnt, aber nicht Chet. Er war nicht sicher, wie Ned auf eine Dreiecksbeziehung reagieren würde, besonders, wenn jemand so viel Älteres dabei war. »Wir treffen uns immer noch. Es ist alles so neu, dass es schwierig ist, in die Zukunft zu schauen. Abgesehen davon lautet mein neues Mantra Ein Tag nach dem anderen.«
»Das ist für jeden ein gutes Mantra. Nur lass dich nicht so sehr vom Heute fesseln, dass du dir nicht länger erlaubst, vom Morgen zu träumen.«
»Ich denke daran.« Sein Handy kündigte den Eingang einer Textnachricht an.
Chet: Kommst du zurück, um mir mit dem Abendessen zu helfen? Ich habe an Enchiladas gedacht.
Jake grinste, dann schrieb er: Das will ich auf keinen Fall verpassen. Wir sehen uns gleich.
Chet schickte ihm ein lächelndes Smiley.
»Darf ich fragen, ob das eine Nachricht von deinem Cris war?«, erkundigte sich Ned.
»Pläne fürs Abendessen mit einem Freund.« Das kam der Wahrheit nah genug, ohne zu lügen. »Genau genommen sollte ich bald los. Dich wieder deinen Sendungen überlassen.«
»Wie immer weiß ich deinen Besuch sehr zu schätzen. Meistens geht es hier recht einsam zu und du bringst einen höchst willkommenen frischen Windzug herein.«
»Immer wieder gern. Vielleicht bringe ich eines Tages Cris mit.« Die Worte waren heraus, bevor Jake richtig darüber nachgedacht hatte, aber es war keine große Sache, oder? Cris und Chet wussten von Ned. Aber würde Chet sich ausgebootet fühlen, wenn er Cris mitnahm?
Warum muss mein Liebesleben nur so kompliziert sein?
»Ich würde deinen Cris gern kennenlernen«, sagte Ned. »Sehr gern sogar. Bestell ihm Grüße.«
»Mach ich.«
Jake ließ sich Zeit auf dem Rückweg zum öffentlichen Parkhaus, in dem er Cris' Wagen untergebracht hatte. Er freute sich darauf, für eine neuerliche Lektion im Kochen in Chets Haus zurückzukehren, und gleichzeitig scheute er sich davor. Er hatte seine paar Stunden der Freiheit in der Stadt genossen. Sich niemandem erklären zu müssen und seine eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen. Es würde nicht leicht werden, ein Gleichgewicht zwischen seinem eigenen Leben und dem als Freund zweier anderer Männer zu finden. Aber es war der einzige Weg, um diese Dreiecksbeziehung zum Funktionieren zu bringen.
Kapitel Drei
Charles hatte alle notwendigen Zutaten für selbst gemachte Enchiladas auf dem Tresen ausgebreitet. Sie warteten nur darauf, zum Einsatz zu kommen. Er wollte mit seiner selbst gemachten Enchiladasoße angeben, statt welche aus dem Glas zu verwenden. Tatsächlich würde das Einzige, was sie nicht selbst kochen würden, die Tortillas sein. Charles musste diese spezielle Kochtechnik selbst noch lernen.
Seine vorherigen Nachrichten an Jake hatten geholfen, seine innere Unruhe zu dämpfen. Sie hatte ihn überfallen, nachdem er begriffen hatte, dass er all die Zutaten eingekauft hatte, ohne zu wissen, ob Jake zu Hause sein und ihm helfen würde. Ein kleiner Teil von ihm hatte sich den ganzen Tag lang gefragt, ob Jake überhaupt zurückkommen würde. Ihre gemeinsame Zeit kam ihm wie ein Traum vor, eine wunderbare Aneinanderreihung von Augenblicken, die ein anderer erlebt hatte.
Diese Angst löste sich auf, als sich hörbar die Haustür öffnete, gefolgt von Jakes vertrauten, leichten Schritten, die sich vom Foyer Richtung Küche bewegten. Jake trat durch die im Schatten liegende Tür und grinste auf unvertraute Weise – auf eine entschlossene Art, die normalerweise für Cristian reserviert war. »Hey«, sagte er.
Das Essen war vergessen. Freude und Erleichterung trugen Charles die acht oder mehr Schritte vorwärts, die es brauchte, um Jake zu erreichen. »Hallo, Fremder.« Er lehnte sich für einen sanften Kuss nach vorn, den Jake erwiderte. »Zu Hause alles eingeräumt?«
Die Wohnung als Jakes Zuhause zu bezeichnen, ging ihm nicht so selbstverständlich von der Zunge, wie er gehofft hatte: Er wünschte sich verzweifelt, dass Jake in diesem Haus sein Heim sah.
»So ziemlich.« Jake zuckte die Schultern. »Hat nicht lange gedauert, weil alles, was dort ist, Benny gehört. Aber für ihn dürfte es cool sein, einen Mitbewohner zu haben, den er nie zu sehen bekommt.«
»Du gehst davon aus, dass der einzige Grund, aus dem er einen Mitbewohner braucht, finanzieller Natur ist. Aber Benny ist ein geselliger junger Mann. Vielleicht hat er auch gehofft, einen Freund zu finden.«
»Vielleicht. Ich vermute, ich habe nicht lange genug mit ihm zusammengewohnt, um das mit Sicherheit sagen zu können.«
»Du solltest dir die Chance geben, ihn besser kennenzulernen.« Charles legte die rechte Hand um Jakes Nacken und hielt seinen Blick. »Du hast die furchtbare Eigenart, immer das Schlimmste von den Menschen zu denken und ihnen nicht zu erlauben, dir das Gegenteil zu beweisen.«
»Ich weiß.« Jake lehnte sich in seine Berührung. Seine dunkel bewimperten Augen schlossen sich halb und nahmen den süßen, verführerischen Ausdruck an, den er nur bei Charles verwendete. »Ich versuche, mich zu bessern.«
Charles ließ die linke Hand zu Jakes Hüfte gleiten und dort ruhen. Er genoss diese unverfänglichen Berührungen. Diese Erinnerungen, dass seine Gefühle nicht unerwidert blieben. »Du besserst dich bereits. Mit jedem Tag.«
»Ich war auch noch Ned besuchen. Anfangs hatte er keinen sonderlich guten Tag, aber dann ist er zu sich gekommen und ich habe ihm von meiner Bipolarität erzählt.«
Stolz wärmte Charles' Brust. »Das war tapfer von dir. Wie hat Ned es aufgenommen?«
»Er war genauso eine riesige Unterstützung, wie ich vermutet hatte.«
Charles lachte leise. »Du bist vom Besten ausgegangen? Wer bist du und wo steckt Jake Bowden?«
»Ha ha.« Jake rückte näher, legte die Hände um Charles' Taille und vervollständigte ihre lockere Umarmung. Nur ein schmaler Streifen Luft trennte sie noch und der Beinah-Kontakt ließ Charles' Innenleben flattern. »Ned hat angefangen, von seinem toten Liebhaber Wilson zu reden und wie er ihn ganz plötzlich an den Krebs verloren hat. Das hat mich begreifen lassen, dass man nie weiß, wann man jemandem verliert, und dass ich vieles vielleicht für selbstverständlich gehalten habe.«
Charles' Herz machte einen Satz. »Was denn zum Beispiel?«
»Uns. Dass du und ich es so langsam angehen lassen.«
»Ich habe mich immer deinem Tempo angepasst, Jake. Ich möchte nicht, dass du jemals bereust, was wir zusammen tun.«
»Ich weiß und ich weiß auch, dass Cris und du euch wegen mir zurückgehalten habt, und ich will nicht mehr, dass einer von uns sich zurückhält.«
Die anzügliche Entschlossenheit in diesen Worten vertrieb jeden Gedanken ans Kochen. Charles las die kleinen Zeichen: Jakes leicht geöffnete Lippen, den Glanz seiner verschleierten Augen, wie seine Wangen an Farbe gewonnen hatten. Dann drückte Jake sich an ihn und Charles keuchte angesichts der ausgewachsenen Erektion an seinem Oberschenkel. Jake hatte in diesem Bereich seit Wochen Schwierigkeiten gehabt, aber irgendetwas hatte sich heute verändert.
Charles wechselte so rasch von halb hart zu steif, dass er die Luft einsog. »Nur