Stefan Burban

SKULL 3: Die Würfel fallen


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einer Bedrohung. Und davon gab es hier einige. Die meisten der Anwesenden wirkten, als würden sie für eine Handvoll Münzen der eigenen Großmutter die Kehle durchschneiden. Wenn ihn sein Urteilsvermögen nicht trog, dann hatten viele hier bereits ähnlich Schlimmes getan.

      »Das ist ein ganz beschissener Plan«, kommentierte Barrera nicht zum ersten Mal.

      Lennox zuckte die Achseln. »Sie hätten ja nicht mitkommen müssen.«

      Barrera warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Als ob ich Sie allein in die Höhle des Löwen gehen lassen würde.«

      Das Etablissement verfügte über einige Damen des horizontalen Gewerbes. Lennox beobachtete eine ganze Weile, wie eine davon, rittlings auf dem Schoß eines Minenarbeiters saß, sich dabei leicht bewegte, um diesen von ihren Vorzügen zu überzeugen.

      Der Mann gab schließlich nach und die beiden schlenderten grinsend Hand in Hand die Treppe hinauf. Was die zwei dort anstellten, dafür brauchte man kein Genie zu sein. Lennox schmunzelte. Es war schon einige Zeit her, dass er die Wärme einer Frau gespürt hatte. Die Versuchung war groß, eine der hiesigen Damen anzusprechen. Gut möglich, dass es noch eine Weile dauern würde, bevor es losging.

      Informanten der Skulls hatten Barrera und Lennox denunziert und an das Konsortium verraten. Es war nicht allzu offensichtlich geschehen, um keinen Verdacht zu erregen. Lennox hoffte, dass die Idioten vom Konsortium nicht zu lange brauchen würden, um sie zu finden. Er persönlich war der Meinung, diese Schwachköpfe waren zu dämlich, um den eigenen Hintern zu finden – selbst unter Zuhilfenahme einer Landkarte.

      Sein Blick glitt über die anwesenden Dirnen und es gab tatsächlich einige, die seinen Ansprüchen genügten. Ein paar waren sogar sehr ansehnlich.

      Barrera bemerkte den forschenden Blick seines Begleiters und grinste. »Ich befürchte, dafür haben wir keine Zeit, Colonel.«

      Lennox konzentrierte sich augenblicklich wieder. »Probleme?«

      »Wir ziehen Aufmerksamkeit auf uns. An der Bar.«

      Lennox griff sich sein halb volles Schnapsglas und führte es zum Mund. Dabei drehte er den Kopf so, dass er die Bar aus dem Augenwinkel mustern konnte. Er wusste sofort, wen Barrera meinte. Dort saßen auf wackligen Barhockern zwei Typen, die vorgaben, zu den Minenarbeitern zu gehören.

      Lennox nahm ihnen das aber nicht ab. Zum einen wurden sie von keinem der anderen Minenarbeiter angesprochen und sie beteiligten sich auch nicht an deren Gesprächen, Kartenspielen oder den gegenseitigen Scherzen. Die anderen kannten die zwei ganz offensichtlich gar nicht. Zum anderen war ihre Kleidung einen Tick zu sauber.

      Lennox seufzte enttäuscht. Eine Matratzenrunde mit einer der hiesigen Dirnen fiel damit wohl leider vorerst ins Wasser. Er fluchte innerlich. Ein Grund mehr, wütend auf das Konsortium zu sein.

      »Es geht also los«, flüsterte er.

      Barrera nickte.

      Wie auf Kommando ging die Tür auf und ein Trupp Konsortiums-Soldaten betrat den Raum. Sie zogen unwillkürlich sämtliche Aufmerksamkeit auf sich.

      Lennox bemerkte, wie düstere Blicke den Männern folgten. Einer der Minenarbeiter spuckte auf den ohnehin dreckigen Boden, als die Soldaten nicht hinsahen. Das Konsortium schien nicht wirklich beliebt zu sein.

      Der Marine-Colonel deutete ein Kopfnicken an in Richtung der hasserfüllten Blicke der Minenarbeiter. Barrera beugte sich zu ihm hinüber und senkte verschwörerisch die Stimme. »Die Minenarbeiter müssen für einen Hungerlohn schuften, während der Graf von Rayat das Erz zu überhöhten Preisen verkauft. Die Familien der Arbeiter werden noch nicht einmal entschädigt, falls es zu einem Unglück kommt und der Ernährer verletzt oder getötet wird. Ich habe mit einigen der Arbeiter gesprochen. Es wurde noch viel schlimmer, seit das Konsortium die Sicherheit hier übernommen hat. Die Söldner haben die Gewerkschaften zerschlagen und ihren Fuß fest in den Nacken der Arbeiter gedrückt. Vor rund drei Wochen kam es deshalb zu Unruhen. Die Soldaten des Konsortiums schlugen ihn blutig nieder. Es gab mindestens zwanzig Tote. Der Mond gleicht einem Pulverfass, das nur darauf wartet hochzugehen.«

      Lennox schüttelte fassungslos den Kopf. »Und so was mitten im Königreich. Ich dachte wirklich, solche Zustände gehörten seit Jahrhunderten der Vergangenheit an.«

      Barrera schnalzte mit der Zunge. »Sie erleben gerade eine Renaissance. Die Menschen würden von hier weggehen, aber dann verhungern ihre Familien. Es gibt nicht so viel Arbeit, vor allem seit Ende des Bürgerkriegs und der Entlassung Hunderttausender Soldaten. Die Menschen müssen essen.«

      Lennox nickte. »Das ist ein ziemlich guter Grund, um hierzubleiben. Die Menschen nehmen viel in Kauf, wenn es darum geht, das Überleben der eigenen Familie zu sichern. Ich wundere mich nur, dass so etwas von Castor Prime geduldet wird.«

      Barrera schnaubte. »König Liam hätte sich das niemals bieten lassen. Aber seit seinem Tod ist vieles anders. Und den Prinzen scheint nichts davon wirklich zu kümmern.«

      »Das ist auch kein Wunder, falls er tatsächlich vom Zirkel gesteuert wird.«

      Während der Unterhaltung ließ Lennox die Konsortiums-Soldaten niemals aus den Augen. Die Kerle gaben nicht einmal vor, wegen der Vergnügungen hier zu sein. Sie ignorierten jegliches Angebot der Prostituierten, egal wie anzüglich oder eindeutig es auch war. Und sie tranken nur Wasser. Ihre Blicke zuckten immer wieder in Barreras und Lennox’ Richtung. Einige der anwesenden Gäste schienen zu bemerken, dass etwas vor sich ging, und verschwanden eilig durch die Tür. Innerhalb von nur zwei Minuten leerte sich das Etablissement zusehends und plötzlich befand sich weniger als die Hälfte der Gäste im Schankraum.

      Ein zweiter Trupp Konsortiums-Soldaten betrat das Etablissement und setzte sich demonstrativ an einen Tisch in der Nähe der Tür. Barrera und Lennox befanden sich nun genau zwischen beiden Einheiten. Die zwei Marines wechselten einen vielsagenden Blick. Gunnery Sergeant Barrera nickte Lennox knapp zu. Dieser reckte verstehend das Kinn. Es ging jeden Augenblick los.

      Lennox hielt unauffällig nach offen getragenen oder versteckten Waffen Ausschau. Als er keine fand, gönnte er sich selbst ein gewisses Maß an Zufriedenheit. Die Konsortiums-Soldaten trugen Schlagstöcke am Gürtel sowie etwas, das aussah wie ein Elektroschocker. Sorensons Plan ging wohl auf. Sie hatten tatsächlich vor, Barrera und ihn selbst lebendig zu fangen.

      Die beiden Marines trugen Handfeuerwaffen in Holstern an der Hüfte. Sie hatten jedoch nicht vor, allzu großzügig Gebrauch davon zu machen. Wenn sie zu viele Gegner töteten, kamen ihre Gegenspieler vielleicht zu dem Schluss, dass der Preis, den sie zahlten, den Nutzen der Gefangennahme der beiden Skulls überstieg. Sie wollten gefangen genommen werden, auch wenn das zutiefst gegen die Instinkte sowie die innere Überzeugung der beiden Marines verstieß.

      Ein gegnerischer Offizier, der offenbar den ersten Trupp kommandierte, nickte seinen Leuten zu und diese standen quasi wie ein Mann auf. Dies war der Augenblick, in dem sich der Inhaber des Etablissements ins Hinterzimmer verkrümelte und seine Damen die Treppe hinaufeilten. Jeder mit auch nur einem Funken Verstand wollte jetzt ganz woanders sein. Lennox grinste zynisch. Was sagte das dann über ihn selbst und Barrera aus?

      Der Offizier baute sich vor den beiden Marines auf. »Sie zwei. Sie werden jetzt ohne viel Aufhebens mitkommen. Aber vorher werden Sie Ihre Waffen aushändigen. Vorsichtig. Bei allzu hektischen Bewegungen wird die Sache hier schnell hässlich.«

      Lennox und Barrera sahen gleichzeitig auf und musterten den Offizier einen Augenblick lang. Barrera grinste und warf seinem Vorgesetzten einen um Erlaubnis bittenden Blick zu. Lennox’ Antwort bestand in einem gehässigen Grinsen sowie einem kurzen Schulterzucken. Sie durften es dem Konsortium nicht zu leicht machen. Das wäre verdächtig gewesen. Sie würden heute eine Tracht Prügel einstecken, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Dann konnten sie vorher auch genauso gut noch ihren Spaß haben.

      Barrera erhob sich in einem für seine Körpermaße beeindruckenden Beispiel von Eleganz, packte in einer fließenden Bewegung mit seiner rechten – kybernetischen – Hand den Kopf des verdutzten Offiziers