Maus? Die zwei wollen nichts von dir kaufen. Mach dich vom Acker!«
Maus zog kleinlaut den Kopf zwischen die Schultern. »Ja, Boss«, hauchte er verschüchtert und schlich sich davon wie ein geprügelter Hund.
Walsh musterte die beiden Marines einen unendlich scheinenden Moment lang. Schließlich nickte er in Jankovics Richtung. »Wenn ihr dachtet, es wäre bisher schlimm, dann wartet mal ab, was euch ab jetzt erwartet. Jankovic hat gerade die Freigabe von Renard bekommen. Ab jetzt werdet ihr jeden Tag kämpfen. Euer Aufenthalt hier wird zum Spießrutenlauf und zum ständigen Kampf ums Überleben. Und zwar so lange, bis ihr vernünftig seid und ein paar Fragen beantwortet.«
Lennox lag eigentlich schon eine passende Antwort auf der Zunge. Er hätte dem Kerl nur zu gern seine Drohungen in eine seiner Körperöffnungen gerammt. Aber er hielt sich zurück. Er war noch schwach und er würde seine Kraft wohl noch dringend brauchen.
Der Terror seiner Gegenspieler hatte Methode, das musste er ihnen zugestehen. Folter war eine Sache, doch ein ständiger Überlebenskampf mit der Ungewissheit, dem Adrenalin und dem andauernden Über-die-Schulter-Sehen, das besaß eine ganz andere Qualität. Damit wollten sie die Marines also nun kleinkriegen.
Walsh schlenderte davon, aber nicht, ohne vorher noch Jankovic einen kurzen Wink zu geben. Dieser wiederum nickte. Ein Dutzend seiner Schergen standen drohend auf und kamen zu ihnen herüber. Barrera erhob sich. Ein Muskelberg, der – einmal von der Leine gelassen – nicht mehr zu stoppen war. Die zwölf Schläger zögerten. Dann bellte ihr Anführer sie auf Russisch an und sie beeilten sich, dem Befehl nachzukommen. In vorsichtiger Kampfhaltung gingen sie auf Barrera los. Lennox erhob sich ebenfalls, obwohl er wusste, er würde keine große Hilfe sein. Die beiden Marines wehrten sich nach Leibeskräften. Vor allem Barrera teilte kräftig aus und drei Angreifer gingen unter seinen linken Haken zu Boden. Barrera kämpfte nicht gerade fair. Einen packte er am Genitalbereich und drückte so lange zu, bis dieser nur noch ein winselndes Bündel am Boden war. Ein anderer kassierte zwei üble Schläge in die Niere. Lennox wäre nicht überrascht, wenn der Kerl in absehbarer Zeit nur noch Blut pisste. Dennoch konnte auch ein Hüne wie Barrera eine solche Meute nicht ewig alleine zurückhalten. Bereits nach wenigen Augenblicken gingen die beiden zu Boden und wurden mit Schlägen und Tritten traktiert.
MacTavish fühlte sich nicht so recht wohl dabei. Ihm blieb aber keine andere Wahl, als Kilgannon zu folgen. Der Pionier führte ihn zu einer größeren Wohnsiedlung in Kopenhagen, die ausschließlich aus anonymen, grauen Wohnblöcken bestand. Jedes der Hochhäuser bestand aus fünfhundert Wohneinheiten. Es war ein deprimierender Anblick. Diese Gebilde dienten als Unterkunft für die Ärmsten der Armen.
»Und hier wohnt deine Reporterin?«
Kilgannon nickte, während er MacTavish durch ein Labyrinth verschachtelter kleiner Gassen zwischen den einzelnen Hochhäusern führte. »Sie ist gut in ihrem Job, aber nicht erfolgreich. Ironischerweise gerade deswegen, weil sie gut ist und ihren Job ernst nimmt. Sie ist nicht linientreu, sondern lässt sich lieber von ihrem Instinkt und ihrem Berufsethos zu einer Story führen. Das passt vielen nicht. Sie hat sich einige Feinde geschaffen.«
Gegen seinen Willen war MacTavish ein klein wenig beeindruckt. Wenn ihre Erfolglosigkeit parallel zu ihrem Können und ihrer Sturheit verlief, dann war Catherine Shaw genau die Frau, die sie jetzt brauchten.
Kilgannon begab sich in den dritten Stock und hielt vor einer Tür. Der Mann atmete einmal tief durch und betätigte die Klingel. Kilgannon und MacTavish warteten. Zunächst geschah gar nichts. Doch dann öffnete eine junge, recht attraktive Frau mit brünetter Löwenmähne. Sobald sie Kilgannon erblickte, erstarrte sie zur unbeweglichen Säule.
Unbehagliches Schweigen dehnte sich schier unerträglich in die Länge. Schließlich grinste Kilgannon, breitete die Arme aus und sagte: »Schatz! Ich bin zu Hause.«
MacTavish war nie ein großer Frauenkenner gewesen. Aber selbst ihm war klar, dass von allen möglichen Anfängen einer Konversation sein Begleiter sich ausgerechnet für die schlimmste entschieden hatte. Die Reaktion erfolgte auf dem Fuße. Catherine Shaws Augen wurden groß, ihre Miene verzerrte sich und Kilgannon bekam prompt ihre Faust mit solcher Wucht ins Gesicht, dass er mit glasigen Augen rücklings umkippte.
MacTavish musste sich selbst vorhalten, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, den Fall Kilgannons zumindest zu bremsen. Stattdessen blieb er einfach nur stehen und genoss den Anblick, wie der Pionier aus den Latschen kippte. Er hob den Blick und betrachtete vergnügt Shaws immer noch vor Wut schnaubendes Gesicht. Die Reporterin hielt sich ihre schmerzende Hand, deren Knöchel aufgeplatzt waren. Dennoch blitzte ein Funken Genugtuung in ihren Augen auf. MacTavish nickte. Kilgannon hatte recht gehabt. Er mochte die Frau.
Lieutenant Colonel Carl Randazotti machte sich nicht die Mühe, in Eile zu verfallen. Er schlenderte durch die Korridore des Großschlachtschiffes Merlin – das Flaggschiff des Konsortiums – und begutachtete die Ausstattung. Dass das Oberkommando der Expeditionsstreitmacht der Söldner gerade auf ihn wartete, um die Besprechung zu beginnen, störte ihn nicht besonders. Im Gegenteil, es handelte sich um die Kirsche oben auf der Torte.
Randazotti strich mit der Hand über das bloße Metall. Das Deck war blank poliert. Falls dieses Schiff bereits jemals einen Einsatz erlebt hatte, dann fraß er einen Besen. Es wirkte fabrikneu, beinahe wie soeben aus dem Werftdock geschwebt. Er hob den Blick. Draußen vor dem Bullauge flog einer der Truppentransporter des Konsortiums vorüber. Er schien ebenso neu und gut in Schuss zu sein wie die Merlin. Für einen Moment fraß sich ein Gefühl durch seine Eingeweide, das sich verdächtig nach Neid anfühlte. Randazotti verzog leicht die Miene.
Das Schiff, in dem sein eigenes Regiment eingepfercht war, hatte man vor gut zwanzig Jahren in Dienst gestellt. Seine Leute mussten sich mit uralter Ausrüstung begnügen, während dieser Söldnerabschaum das Neueste vom Neuen bekam. Das war einfach nicht fair. Mehr noch, es war verdächtig, auch wenn Randazottis Verstand nicht genau festmachen konnte, inwieweit es verdächtig war. Die Geldmittel, über die das Konsortium verfügte, waren jedenfalls ganz erheblich. Wo kamen all diese Hunderte Millionen her? Oder waren es mittlerweile bereits Milliarden? Er zuckte innerlich die Achseln. Gut möglich. Wer konnte das schon konkret sagen?
Das Konsortium erfreute sich eines Kombikontraktes der Grafschaften Rayat und Onbele. Allein diese beiden warfen dem Konsortium bereits einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens in den Rachen, um die Söldner bestmöglich auszurüsten. Aber das allein konnte unmöglich die Antwort sein. Auch die staatlichen Subventionen des Königreichs reichten dazu nicht aus. Hier war mehr im Gange. Hinter dem Konsortium standen ein oder mehrere Geldgeber, die über tiefe Taschen verfügten und keinerlei Scheu hegten, dies auch auszunutzen.
Randazotti seufzte und zog die Hand wieder zurück. Von solchen Dingen wusste er aber nicht allzu viel. Strategie, Taktik: Das waren die Dinge, auf die er sich verstand. Er setzte seinen Weg fort. Nach wenigen Minuten passierte er ein weiteres Bullauge und der Colonel der Colonial Royal Army erhaschte einen Blick auf die Flotte, die sich im Moment dort draußen sammelte.
Es handelte sich um die größte Ansammlung von Schiffen, seit Ende des Bürgerkriegs. Allein das Konsortium hatte zwei volle SFG aufgeboten. Hinzu kam eine weitere des Königreichs.
Randazotti rümpfte die Nase. Das war so ein weiterer Punkt, der ihn gehörig nervte. Die Schiffe des Konsortiums waren nicht nur zahlenmäßig überlegen, sie führten auch noch das operative Kommando. Etwas Derartiges hätte nicht möglich sein dürfen. So etwas sollte einfach nicht sein. König Liam hätte dies niemals geduldet.
Als seine Gedanken zum verstorbenen König zurückkehrten, kam Trauer in Randazotti auf. Liam war ein guter Mann und ein guter König