Sira Rabe

Gefangen


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auf ihrem Körper, während sie sich im Spiegel betrachtete und zuschaute, wie sie mit einer Hand ihre Brust streichelte, mit der anderen den Vibrator zwischen ihren Schamlippen versenkte. Und dann geschah es, ihre Vagina zuckte unter den Schwingungen des Vibrators, sie packte ihn fester, zog ihn heraus und stieß ihn wieder hinein, fiel stöhnend auf die Knie, wälzte sich am Boden und blieb schließlich zuckend und quietschend auf der Seite liegen.

      Benommen setzte sie sich auf und begann zu kichern. Sie zog den Delfin heraus und schaute ihn an. «Na, du bist mir ja einer!» Für einen Moment hatte sie fast vergessen, was sie in dieser Nacht noch erlebt hatte. Zufrieden kroch sie ins Bett und wickelte sich in ihre Decke.

      Nachdem Sabrina wie üblich voller Elan von ihrem letzten Flug berichtet hatte, verstummte sie plötzlich und schaute ihrer Freundin prüfend ins Gesicht.

      «Da rede ich und rede und rede, dabei gibt es irgendetwas, das du mir erzählen möchtest!»

      Delia verschluckte sich beinahe vor Schreck. Sie hustete hinter vorgehaltener Hand, dann trank sie ein paar Schluck Kaffee, ehe sie antwortete. «Wie kommst du denn darauf? Sag mir lieber, was dein neuer Lover, der Co-Captain macht.»

      Ein breites Grinsen war die Antwort. Sabrina und Delia kannten sich seit ihrem ersten Schultag. Der Zufall hatte es gewollt, dass sie nebeneinander saßen, von der ersten Stunde an Freundinnen waren und ihre gesamte Schulzeit bis zum Abitur miteinander verbrachten. Niemand kannte ihre Gedanken, ihre Wünsche, ihre intimsten Geheimnisse so wie die andere. Geheimnisse? Genau das war der springende Punkt. Es gab keine Geheimnisse! Die Gedanken der einen waren auch die Gedanken der anderen.

      «Das mit Kevin ist schon wieder vorbei. Also erzähl, was geht ab?»

      Noch einmal versuchte Delia abzulenken. «Nein, es ist nichts. Du weißt doch, im Gegensatz zu dir führe ich ein absolut unspektakuläres, biederes Dasein …»

      Sabrinas schallendes Lachen unterbrach sie. «Ja, ja, das kannst du jemand anderem weismachen. Wieso scharrst du dann dauernd mit den Füßen auf dem Boden, knabberst auf deiner armen Unterlippe herum und spielst mit dem Kaffeelöffel?»

      Delia seufzte vorwurfsvoll. «Dir kann man aber auch gar nichts vormachen!» Sie legte den Löffel auf den Unterteller und begann ersatzweise den silbernen Ring an ihrer linken Hand zu drehen.

      Ihre Freundin ließ nicht locker. Sabrina schob ihren Teller auf die Seite, stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab, beugte sich ein wenig vor und forderte unnachgiebig: «Nun sag schon! Hast du einen neuen Freund oder was ist los?»

      Schon nach der ersten Umarmung an der Wohnungstür hatten ihr ihre sensiblen Antennen verraten, dass etwas in der Luft lag. Es waren nur Kleinigkeiten. Aber das genügte als Hinweis. Die sonst so penibel aufgeräumte Wohnung zeigte ein wenig Unordentlichkeit und Delias Bewegungen waren – nun sie hätte es nicht in Worte fassen können, was an ihnen anders war. Aber da war etwas. Weniger Steifheit, ein wenig geschmeidiger, lockerer. Sie würde ihr die Chance geben, von alleine mit ihren Neuigkeiten herauszurücken. Delia brauchte immer ein wenig Aufschub. Sabrina war für Spontaneität zuständig, Delia für Beständigkeit.

      Aber nun hatte sie ihr genügend Zeit gegeben und wollte endlich wissen, was während ihrer zehntägigen Abwesenheit geschehen war. «Also?», wiederholte sie beharrlich.

      Delia ergab sich. Ein wenig stockend und mit hochroten Ohren begann sie von ihrem Erlebnis an jenem denkwürdigen Freitagabend zu erzählen. Wie sie bei Lovetoys for girls hineingegangen war, von Max Koos angesprochen wurde, bis hin zu ihrer besonderen nächtlichen Rolle.

      «Du hast was gemacht?» Sabrinas Stimme kreischte laut auf, überschlug sich aus einer Mischung von Empörung und Belustigung. «Du? Ausgerechnet du?» Sie fing haltlos an zu lachen, ihr Körper bebte, Tränen der Belustigung liefen ihr aus den Augenwinkeln und es dauerte geraume Zeit, bis sie sich beruhigt hatte.

      Delia saß ihr mit tomatenartigem Kopf gegenüber. Sie schämte sich für das, was sie getan hatte. Bereits als sie am nächsten Morgen aufgewacht war, hoffte sie inständig, es wäre nur ein eigenartiger Traum gewesen. Sie fühlte sich, als ob sie einen Kater vom Alkohol hätte. Wie unter Zwang hatte sie an diesem Tag fünfmal geduscht, um den schändlichen Schmutz der Nacht von ihrem Körper zu waschen.

      Aber es nützte alles nichts. Der Blick in ihren Geldbeutel bestätigte ihre Befürchtung. Sie hatte es wirklich gemacht!

      Jetzt, gut eine Woche nach ihrem nächtlichen Nebenjob, saß sie mit Sabrina in ihrer gemütlichen Wohnküche beim Brunch und beichtete ihr alles. Es war gut, mit jemandem darüber zu reden. Sonst würde sie noch platzen. Es kam aber ohnehin niemand sonst dafür in Frage – außer Sabrina, die weltoffen, unkompliziert und vor allem verschwiegen war.

      «Und? Hat es dir gefallen? Gehst du nächsten Freitag wieder hin?» Sabrinas Augen funkelten animalisch.

      «Nein!» Empört richtete Delia sich auf. «Auf gar keinen Fall!»

      Sie hatte ihre Schulden bezahlt und sich vorgenommen, künftig besser mit ihrem Geld zu haushalten. Als sie noch zu zweit zusammenlebten, war ihr mehr übrig geblieben. Seit sie alleine für Miete und Auto aufkommen musste, war sie ständig pleite.

      Sabrina ließ es bei dieser Antwort bewenden, obwohl sie Delia nicht glaubte. Es war für sie unfassbar, dass ausgerechnet ihre Freundin, dieses moralisierende, anständige Wesen, sich auf ein solches Abenteuer eingelassen hatte. Außerdem war da noch etwas, das sie ihr verschwieg. Vielleicht hatte sie das Erlebnis doch nicht nur abgestoßen. Aber das würde Sabrina schon noch herausfinden.

      Kapitel 4

      Im Laufe der kommenden Wochen legte sich Delias schlechtes Gewissen. Je mehr Zeit verfloss, desto unwirklicher erschien ihr das Erlebte. Es war eher wie die Erinnerung an einen Spielfilm, von dem man emotional sehr beeindruckt wurde. Dennoch, rückblickend erhielt das nächtliche Erlebnis eine ganz andere Bewertung als in den Stunden danach. Denn jeder Tag verlief gleich. Aufstehen, in die Bank fahren, Börsenmeldungen beurteilen und die Kunden entsprechend bei ihrer Geldanlage beraten. Einkaufen gehen, nach Hause kommen, kochen und ein bisschen Haushalt erledigen, fernsehen, schlafen. Tag für Tag das Gleiche. Selbst die Wochenenden waren ohne Abwechslung. Ausschlafen, lange frühstücken, gelegentlich Freunde treffen, die aber immer weniger wurden, seit sie sich von Martin getrennt hatte.

      Endlich war in ihrem ansonsten gleichförmigen Leben einmal etwas Besonderes passiert. Etwas Aufregendes. Etwas – weniger Anständiges? Das war es! Delia war ihren Eltern stets eine Bilderbuchtochter gewesen, die selbst dann, als die anderen in der Pubertät durchdrehten, gelassen und artig blieb. Niemand, abgesehen von Sabrina, erfuhr oder spürte etwas von ihren seelischen und körperlichen Sehnsüchten.

      Nach der Schule hatte Delia sofort eine Banklehre angefangen, mit Bravour bestanden, sich durch Fortbildungen hochgearbeitet. Sie war fleißig und ehrgeizig, aber ohne Ellenbogentaktik oder Intrigen, immer beliebt, umgänglich – eben anständig.

      Eigentlich fehlte ihr nur noch der passende Ehemann, möglichst gut aussehend und ohne Bierbauch, etwas besser verdienend, dazu ein Haus mit Garten und mindestens zwei Kinder. Dazu vielleicht noch Hund und Katze. Dann wäre alles perfekt. Das perfekte kleinbürgerliche Familienbilderbuchleben?

      Nein, perfekt, aber kotzlangweilig! Delia schüttelte unzufrieden den Kopf. Früher erschien ihr das alles völlig normal und erstrebenswert. Aber seit Martin ihre kleine heile Welt ins Wanken gebracht hatte, war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob sie sich so eine Zukunft überhaupt wünschte.

      Vielleicht sollte sie es sich doch noch einmal überlegen und sich erneut auf ein kleines Abenteuer einlassen? Schließlich war ja nichts passiert. Nicht wirklich. Max hatte gesagt, sie bräuchte auch künftig nicht mehr zu tun als bei ihrem Debüt. Nur als attraktiver Lückenbüßer den Platz auf dem Podest einnehmen, damit die anderen Damen nicht dafür herhalten mussten, sondern Zeit für ihre Freier hatten. Also – was war schon dabei, ob sie von Männern begrapscht wurde, die geil waren und bereit, für alles zu bezahlen. Andererseits – wenn sie daran dachte, wie einer ihr in den Slip gegriffen hatte, überfiel sie beinahe Übelkeit.

      Grübelnd