mir. Außerdem war ich derjenige, der dir geraten hat, Ferdinand zu heiraten, den du nicht geliebt hast und mit dem du nun unglücklich bist. Sag mir, wie kann ich diese Ungerechtigkeit wiedergutmachen? Ich bin sehr reich. Ich könnte dir so viel Geld geben, dass du auf eigenen Füßen stehen kannst; dann könntest du auch deinen Mann verlassen, wenn du willst.“
„Nein, mein König, ich brauche all dein Geld nicht. Das, was ich mit meinen Blumen auf dem Markt verdiene, reicht mir. Wenn ich nicht arbeiten und nicht mit Menschen sprechen könnte, wäre mir langweilig. Aber ich danke dir, dass du mit mir sprechen wolltest. Das war mein größter Wunsch, aber ich wagte nicht, dich darum zu bitten.“
„Wenn du kein Geld brauchst, welche Belohnung willst du sonst haben für deine Liebe und Treue?“
„Du verwechselst etwas, Heinrich. Liebe kann man nicht belohnen. Sie ist selbst die höchste Belohnung, wenn du nur wirklich liebst. Irgendetwas hat wohl deinen Blick getrübt, du misst jetzt alles an Geld. Das ist aber nicht richtig.“
„Davon will ich nichts hören“, sagte der König unwirsch. „Ich frage dich noch einmal: Hast du irgendeinen Wunsch, den ich dir erfüllen kann?“
„Bevor ich meinen Wunsch ausspreche, erlaube mir, dir eine Frage zu stellen.“
„Sprich!“
„Schmerzen deine Wunden immer noch weniger, wenn du deine junge Braut umarmst?“
„Nein“, antwortete der König, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte. „Ihre Umarmung wärmt mich nicht mehr so wie am Anfang. Und sie lindert auch meine Wunden nicht mehr, die schmerzen schlimmer denn je und lassen mir Tag und Nacht keine Ruhe. Warum fragst du? Kannst du mir helfen? Rede, Gudrun, die du in Rätseln sprichst!“
„Ja, mein König, nun kann ich meinen Wunsch aussprechen. Wenn du ihn erfüllen wolltest, wäre das eine echte Belohnung für meine Liebe. Mein Wunsch ist, dich von deinen Schmerzen zu befreien, und ich kenne ein Mittel, das dir helfen kann.“
„Gib mir dieses Mittel, schnell!“ Der König streckte die Hand aus und schnippte sogar vor Ungeduld mit den Fingern.
„Nein, Heinrich, ich werde es dir nicht in die Hand geben, denn du hast schon einmal dein Wort gebrochen. Lass mich weiter erklären, was ich mir wünsche, und bitte unterbrich mich nicht.“ Gudrun blickte den König fordernd an und fuhr fort: „Halte deine Braut Insa für zwei Monate von deinem Haus fern. Diese Zeit benötigt die Kur, die ich dir anbiete. Wenn ich dich in dieser Zeit nicht von deinen Schmerzen befreit habe, kannst du mich als Betrügerin auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Aber wenn mein Vorhaben gelingt, musst du mich heiraten. Das ist meine Bedingung. Entscheide dich: Willst du den jungen Körper umarmen, der dein Leiden schon lange nicht mehr lindert, oder deine Schmerzen loswerden und die Zeit, die du hast, mit mir zusammen glücklich leben? Frage dich selbst, warum du mich eigentlich hast rufen lassen – ob dein Herz mich wirklich vergessen hat oder ob du dein Leben mit mir teilen willst wie früher. Ich gehe jetzt. Denke darüber nach. Du weißt, wo ich zu finden bin. Leb wohl!“
Die Prinzessin wandte sich ab und ging auf den Ausgang zu. Doch noch bevor sie die Tür erreicht hatte, hörte sie Heinrichs Stimme:
„Warte, Gudrun, geh nicht. Ich werde alles so machen, wie du es willst. Ich schicke einen Boten zu Insa und verbiete ihr, in den nächsten zwei Monaten hierherzukommen. Wenn du mich nicht gesundpflegen kannst, verweise ich dich aus meinem Königreich, weil du nicht halten konntest, was du mir versprochen hast. Heilst du mich aber tatsächlich, bleiben wir zusammen ein Leben lang. Darauf gebe ich dir das Wort des Königs. Und nun komm zu mir, ich möchte dich umarmen wie früher und auf das hören, was mein Herz mir sagt.“
Gudrun trat zum König, und er umarmte sie und fühlte plötzlich sein Herz fröhlich schlagen. Er empfand Freude und Leichtigkeit wie schon lange nicht mehr und spürte auch die Schmerzen kaum noch, die ihn in all der Zeit, die er von Gudrun getrennt gewesen war, eisern umklammert hatten. Da wurde ihm klar, dass er gar nicht die schöne junge Insa liebte, sondern sich die ganze Zeit nach seiner Gudrun sehnte, die immer auf ihn gehört und auf ihn gewartet hatte.
Mit Hilfe der Rose, die sie mit ihrer Liebe großgezogen und mit ihren Tränen genährt hatte, gelang es Gudrun, König Heinrich innerhalb von vierzig Tagen wieder gesundzupflegen und fröhlich zu machen. Von da an lebten sie lange und glückliche Jahre bis ans Ende ihrer Tage zusammen.
Du willst wissen, was aus Ferdinand und aus Insa wurde? Jeder von ihnen hat sein eigenes Märchen …
Das Märchen von der männlichen Wahl
Vor langen, langen Zeiten, an die sich nur wenige Leute erinnern, lag am Ufer eines frei und ungezwungen dahinfließenden Stroms ein großes Königreich, das von König Ludwig und seiner Königin Gertrud regiert wurde. Die beiden lebten sehr glücklich miteinander. Nur eins machte sie traurig: Der liebe Gott wollte ihnen keinen Erben schenken. Das Ehepaar hatte schon fast jegliche Hoffnung aufgegeben, doch dann war Königin Gertrud eines Tages doch in gesegneten Umständen. Neun Monate später kam ein hübscher Junge zur Welt. Er wurde auf den Namen Donatus getauft, als Dank für das göttliche Geschenk. Der Junge wurde mit jedem Tag größer und klüger, und die Eltern hatten große Freude an ihrem Kind.
Donatus wuchs zu einem schlanken, schmucken Jüngling mit blauen Augen und schwarzen Locken heran und lernte von seinem Vater die Kunst des Regierens. Alle Prinzessinnen der Gegend träumten davon, diesen schönen, klugen und reichen Prinzen zu heiraten. Doch diejenigen, die an den Hof kamen, interessierten Donatus nicht im Geringsten. Viele waren hübsch, und alle waren sehr nett zu ihm und sehr freundlich, aber keine von ihnen berührte sein Herz, und er begann sich in ihrer Gesellschaft schnell zu langweilen. Lieber ging er mit seinen Freunden auf die Jagd oder nahm an Turnieren teil.
Irgendwann bemerkten das nicht nur die Schlossbewohner, sondern auch das gemeine Volk, und es kamen Gerüchte auf, dass bei dem Prinzen wohl irgendetwas nicht in Ordnung sei, wenn er noch immer keine Braut gefunden hätte. Dieses Gerede kam schließlich auch dem König und der Königin zu Ohren und löste bei ihnen großen Unmut aus. Sie beschlossen, mit ihrem Sohn zu reden, um herauszufinden, wo das Problem lag.
„Mein lieber Sohn“, sprach die Königin, „es ist an der Zeit, dass du heiratest. Gibt es ein Mädchen, das dir lieb ist, das du vielleicht ins Herz geschlossen hast?“
„Ich bin doch noch viel zu jung zum Heiraten, Mutter“, entgegnete Donatus. „Ich möchte noch eine Zeitlang mein freies Leben genießen. Und bisher bin ich noch keiner Frau begegnet, die mein Herz höher schlagen ließe.“
„Du solltest aber nicht nur an die Liebe denken, sondern auch an deine Aufgabe, für einen Thronfolger zu sorgen“, ermahnte ihn der Vater. „Wir sind schon ziemlich alt, und wir möchten gern noch Enkelkinder sehen und sie ein bisschen verwöhnen. Außerdem muss das Königreich gesichert werden, es gibt überall Neider, die nur danach trachten, unser Land zu erobern. Solange ich gesund bin, sitzen sie still wie Mäuschen in ihren Löchern, bin ich aber einmal alt und krank, werden sie wie die Raben geflogen kommen. Deswegen darfst du deine Heirat nicht auf die lange Bank schieben.“
Prinz Donatus war trotzdem nicht gewillt zu heiraten. Doch seine Eltern blieben hartnäckig. Jeden Monat gaben sie einen Ball, zu dem Prinzessinnen aus nah und fern eingeladen wurden. Schließlich aber hatten sich alle Prinzessinnen am Hof vorgestellt und die Eltern verloren die Hoffnung, dass irgendwann einmal eine auftauchen würde, die Donatus gefiele. Da überlegten sie, was sie mit dem ungehorsamen Prinzen tun könnten. Sie liebten ihren Sohn, aber sie durften auch die Interessen des Königreichs nicht außer Acht lassen. Schließlich griffen sie zu verzweifelten Mitteln. Eines Tages riefen sie Donatus in den Thronsaal und sprachen zu ihm:
„Nun hast du alle Prinzessinnen gesehen, die Du zur Braut nehmen könntest, aber du hast keine erwählt. Wir wollen und können nicht länger darauf warten, dass du endlich zur Vernunft kommst. Darum geben wir dir ein Jahr Zeit, auszuziehen und selbst eine Braut zu finden. Pack deine Sachen, mach dich auf den Weg und such eine, der du dein Herz schenken kannst. Und komm nicht ohne eine Braut nach Hause.“
Sie hatten Tränen in den Augen bei diesen Worten, denn der Gedanke, dass sie ihren geliebten Sohn ein ganzes Jahr lang nicht