U. S. Levin

Sex vor zwölf


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aus zwei Knöpfen geht nicht.

      VATER: Das weiß ich jetzt auch.

      ICH: Und welche Aufgabe soll ich in diesem Spiel haben?

      VATER: Eine sehr angenehme. Du sollst den verführbaren Menschen die „Neue Botschaft“ überbringen.

      ICH: Und wie stellst du dir das vor?

      VATER: Schreib ihnen ein Buch!

      ICH: Und was soll ich da hineinschreiben?

      VATER: Das wird sich finden. Du brauchst nur dein Umfeld genau zu beobachten!

      ICH: Ich soll spannen?

      Vater: Und darüber etwas Spannendes schreiben!

      ICH: Und wenn ich nicht will?

      Vater: Dann lass es eben bleiben!

      Ich ließ es nicht bleiben.

       Und bei allem Ernst möchte ich Ihnen einen wichtigen Rat mit auf den Weg geben. Lesen Sie bitte die anschließenden Geschichten mit einer unbelasteten Heiterkeit! Und alle Verheirateten, die mit ihrem Partner nicht glücklich sind, möchte ich mit der Tatsache trösten: Nichts kann so schlimm sein, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte!

       Große Momente in der Geschichte der Menschheit:Eva bekommt zum ersten Mal Urlaub, unbezahlt!

      Drahtseilakt

      Als ich mit dem Schreiben begann, schlugen sich die meisten meiner Klassenkameraden mit Akne herum. Einige sogar mit Anke, die niemanden an ihren früh entwickelten Prachtkörper ließ. Da war einfach nichts zu machen, es sei denn, man hatte eine heimtückische List.

      Ich hatte mich nicht nur heimlich, sondern unheimlich in dieses kleine Biest verknallt. Meine Chancen, bei diesem flotten Käfer einen Treffer zu landen, glichen in etwa denen von Veronica Ferres auf einen Oscar. Dabei sehnte ich mich in meinen erotischen Fantasien lediglich nach einem flüchtigen Kuss. Sobald ich an ihre vollen weichen Lippen dachte, wie sie in erotischer Hingabe ein „O“ stöhnen, als würden sie mit Inbrunst den Namen einer japanischen Automarke hauchen, schnipste mein Blutdruck in akut notärztliche Bereiche. Vielleicht, auch das kam in meinen kühnsten Träumen vor, hätte ich nur allzu gern eine zärtliche Leibesvisitation an ihr durchgeführt und ihre Bluse nach weiblichen Waffen abgetastet. Anke war mit großkalibrigen Granaten bestückt. Da steckten wirklich zwei prächtige Ladungen im Halfter.

      Nüchtern betrachtet kann man im Nachhinein sagen, in puncto sexuelle Aufklärung hatte meine Generation eine schwere Jugend. Um hinter gewisse Geheimnisse zu kommen, mussten wir noch echt unsere Fantasie bemühen. Anatomisches Bildmaterial gab es kaum, und wenn, kursierte es sozusagen unter der Hand. Dadurch verfügten wir aber über eine unglaubliche Vorstellungskraft. Der Rest war kraftlos. Unsere unterentwickelten Oberarme konnten sich kaum mit dem Umfang eines Gymnastikstabes messen. Erwachsene nannten uns verächtlich Halbstarke. Einigermaßen ausgeprägt war lediglich unsere rechte Handmuskulatur – vom Händeschütteln.

      Dank des Internets können sich heutige Pubertanten wesentlich leichter und bequemer über die anatomischen Besonderheiten des anderen Geschlechts informieren und sich bei Bedarf gleich etwas herunterladen. Fortschritt bringt eben immer Erleichterung.

       So’n Regenschauer kann richtig belebend wirken!“

      Doch zurück zur Anke und meinem Annäherungsversuch! Die Mädchen unserer Klasse standen während der großen Hofpause, zu einer dichten Traube gedrängt, an der Absperrung zu den Blumenrabatten. Da kam mir eine gigantische Idee, mit der ich die schlanke Anke necken wollte. Die Absperrung bestand lediglich aus ein paar kniehohen Stahlrohren, die in größeren Abständen im Boden staken und die mit einem durchgehenden Draht verbunden waren. Anke stand an diesem heißen Sommertag mit dem Po direkt über dem durchhängenden Drahtseil. Die Schwierigkeit bestand hauptsächlich darin, das Seil vorsichtig bis zu ihrem Rocksaum zu führen, ohne dabei ihren Oberschenkel zu berühren. Mit chirurgischer Präzision gelang es mir, den Draht unter ihren Minirock zu manövrieren und anschließend vorsichtig den knitterfreien Stoff über ihren Slip zu heben.

      Beim Anblick ihres weißen Schlüpfers brachen die Jungen in schallendes Gelächter und die Mädchen in hysterisches Kreischen aus. Mein Engel stand wie versteinert und hätte mich am liebsten – das stach aus ihrem wütenden Blick heraus – für meine Unverschämtheit gesteinigt. Ich stand wie gelähmt, fasziniert von ihrem knackigen Po, und hielt noch immer das Seil in meinen Händen. Sofort war ich von einer aufgebrachten Mädchenmenge umringt. Wäre nicht der aufsichtspflichtige Lehrer eingeschritten, hätte ich vermutlich den Angriff unserer Mädchen nicht überlebt.

      Mit der bescheidenen Weisheit beziehungsweise der weisen Bescheidenheit des Alters möchte ich allen unglücklich Verliebten Trost spenden, deren tief empfundene Gefühle für einen anderen Menschen nicht erwidert werden. Auch wenn ich damals unter Ankes hartnäckiger Abweisung bitter gelitten habe, heute bin ich dem Schicksal dankbar. Nach über drei Jahrzehnten traf ich sie wieder, bei unserem ersten Klassentreffen. Es ist erstaunlich, wie stark sich ein Mensch in dieser langen Zeitspanne verändern kann. Aus dem flotten Käfer war ein dicker Brummer geworden.

       Du hättest mir wenigstens die Tasche abnehmen können.“

      Scharf auf scharfe Blondinen

      Auch ich war einmal jung. In diesem kraftlos hingehauchten Satz, mit dem sich viele Tattergreise allzu gerne vor der rumänischen Pflegekraft brüsten, wenn diese den Urinbeutel wechselt, liegt hohes Wahrheitspotenzial. Selbst bei mir trifft er zu. Allerdings war ich während meiner Jugend nicht nur jung und undynamisch, sondern auch furchtbar erfolglos. Nicht nur bei Anke. Ob die über tausend Scherben beim Versuch, den ersten eigenen Spiegel anzubringen, schuld an der darauf folgenden Pechsträhne waren, kann ich nur vermuten. Spiegel haben mir noch nie Glück gebracht, zerbrochene schon gar nicht.

      Auf alle Fälle hatte ich ums Verrecken keine Chance beim weiblichen Geschlecht. Vielleicht lag es auch daran, dass ich zu dieser Zeit schielte, vorrangig auf Blondinen. Sie waren für mich der Inbegriff femininer Schönheit. Andere Haartypen standen nicht auf meinem Speiseplan.

      Heute, Jahrzehnte nach dieser schrecklichen Leidens­periode, kann ich offen darüber sprechen. Etwas war in meiner Kindheit schiefgelaufen. Ich war märchengeschädigt, traumatisiert durch all die Prinzessinnen, Feen und weiblichen Märchenidole mit ihrem blonden Haarschopf, an die ich glaubte wie der westfälische Katholik an Adam und Opel.

      Meine daraus resultierende Vorliebe für blonde Mädchen hatte einen äußerst ärgerlichen Nachteil. So wie ich aussah, konnte ich selbst bei den hässlichsten Blondinen nicht punkten. Ich war ein schlaksiger Zwanzigjähriger, ausgemergelt wie ein deutscher Wehrmachtssoldat nach fünf Jahren russischem Arbeitslager im fernen Sibirien. Ich hatte Segelohren, hervorstechende Wangenknochen, ein tierisches Akneproblem und dünnes, fettiges Haar, welches unappetitlich hinter den Lauschern klebte. Gegen mich strahlt selbst das rothaarige Knochengerüst Piet Klocke noch männliche Attraktivität aus. Mit meinem Erscheinungsbild hätte ich in der Fußgängerzone betteln können. Nur damit Sie wissen, wie es um mich bestellt war.

      Und da gab es noch ein weiteres Handicap. Ich konnte nicht tanzen, höchstens mit voller Blase vor einer verschlossenen Toilette. Wenn sich doch mal ein Mädchen meiner erbarmte und mir auf die Tanzfläche folgte, leerte sich augenblicklich das Parkett, weil alle fürchteten, diese spastischen Zuckungen wären ansteckend. Mit all den Körben, die ich während meiner trostlosen Jugend eingesammelt hatte, hätte ich einen florierenden Kunstgewerbeladen betreiben können. Aus Mangel an Gelegenheiten war ich permanent untersext. Mit dieser beschämenden Vita hätte ich mich fürs Priesterseminar bewerben können. Das Zölibat stellte für mich kein Problem