Andrea Ross

Scheidung kann tödlich sein


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zudecken will.

      Ich übertrete sämtliche Verkehrsregeln und fahre viel zu schnell zur Wohnung meiner Eltern, denn für heute will ich den lieben Peter nur noch loswerden. Als wir ankommen, muss ich ihn wieder mit Gewalt aus dem Auto zerren, dieses Mal jedoch ohne fremde Hilfe, ganz alleine. Es gelingt trotzdem einigermaßen, weil die kalte Nachtluft Peters Lebensgeister wieder kurz aktiviert. Er weiß allerdings immer noch nicht, wer oder wo er ist, stützt sich schwer auf mich und jammert. So wanken wir zu zweit auf die Haustüre zu. Wenn Mama das sieht, kann ich was erleben! Hoffentlich schaut sie nicht aus dem Fenster.

      An der Haustüre rutscht Peter wie in Zeitlupe hinunter, bleibt mit starrem Blick in der Hocke, an die Tür gelehnt, sitzen. Da kommt mir ein brillanter Einfall: ich klingele einfach und verschwinde. Heute bin ich viel zu fertig, um meiner Mutter etwas zu erklären. Das reicht morgen auch noch.

      Gesagt – getan! Schon sitze ich im Auto, fahre wie der Teufel zurück zu meiner Party. Und wundere mich, dass meine Mutter gar nicht empört anruft, was ich mit ihrem Peterchen gemacht hätte.

      Nachdem die Gäste später alle gegangen sind, befällt mich erst einmal der Katzenjammer: meine schöne neue Wohnung gleicht einem Schlachtfeld. Ich räume provisorisch auf, wische auch die Kotze aus meinem Badezimmer. Und stelle fest, dass der Schnaps tatsächlich bis auf den letzten Tropfen vernichtet wurde.

      Am nächsten Tag rufe ich bei meinen Eltern an und will wissen, wie es Peter geht. Ich erfahre den Grund, warum in der Nacht niemand erbost bei mir angerufen hatte: der Peter konnte sich an gar nichts erinnern, hatte den totalen Filmriss. Er wusste weder, dass er jemals in meiner Wohnung gewesen war, noch, dass ich ihn heimgefahren hatte. Gar nichts. So denkt meine Mutter, er sei woanders auf Sauftour mit seinem Kumpel gegangen, will diesen als Schuldigen zur Sau machen. Das kann ich nun doch nicht dulden und erzähle notgedrungen die Wahrheit.

      Als Mama wütend loslegt, bin ich dann heilfroh, eine eigene Wohnung zu haben, bei der ich die Türe absperren und den Telefonstecker ziehen kann. So verabschiede ich mich recht schnell, bewaffne mich mit Putzlappen, Farbe und Pinsel, um die restlichen Spuren der Nacht zu beseitigen.

      Und mein Bruder? Als er nicht mehr grünlich im Gesicht ist, beteuert er erneut, er werde nie mehr etwas trinken. Aber dieses Mal hält er sich daran, schon beim Geruch von Schnaps wird ihm jetzt schlecht.

      Manchmal heiligt der Zweck die Mittel.

       *

      

      Den Mittwochvormittag verbrachten wir in der Bankfiliale. Wir bezahlten unsere Steuern. So etwas funktionierte hier nach Auskunft des Steuerberaters kurioserweise ausschließlich persönlich am Bankschalter, weil man einen Nachweis darüber bereithalten muss; ein Überweisungsbeleg wird da angeblich nicht anerkannt. Danach eröffneten wir endlich die Geschäftskonten, nachdem nun unsere Firmen ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen waren.

      Ich weiß auch nicht! Wir arbeiteten, regelten und bemühten uns und kamen trotzdem weder auf einen grünen Zweig, noch wusste irgendjemand unsere Bemühungen zu schätzen. Mit Ausnahme der netten Lektorin des Verlages, die meine Manuskripte mochte und rege E-Mails mit mir austauschte. Ich hoffte nur, dass ich wenigstens diesen Vertrag im März abschließen und so das erste Buch würde veröffentlichen können.

      Am Abend rief mich Theo an und wollte wissen, was denn mit Anns Versicherung verkehrt gelaufen sei. Sie habe ihn von dem Schreiben an die Gesellschaft informiert, welches ich ihr per Mail hatte zukommen lassen. Ich erklärte ihm die Sachlage; er bekundete seine Ansicht, dass auch er vom Verhalten Anns nicht begeistert sei. Man könne nicht dauernd von seiner Mutter die Vorteile herausziehen und ihr andererseits die kalte Schulter zeigen. Das werde er ihr nochmals deutlich sagen, denn sie komme morgen sowieso bei ihm vorbei. Ich machte mir dennoch keine allzu großen Hoffnungen, dass sie auf mich in Frieden zukäme. Eine gewisse Sturheit hat sie nämlich durchaus von mir als charakterliches Erbe mitbekommen.

      Hinsichtlich Attilas Gerichtstermins stand nun fest, dass am 2. März 2011 alles verhandelt werden sollte, nämlich die Unterhaltssache genauso wie das Sorgerecht für die Kinder. Damit war mir klar, dass sich an diesem einzigen Tag auch für mich verdammt viel entscheiden konnte. Werden wir alleine in Spanien weiterleben? Kann ich meine Bücher finanzieren, oder wären wir weiterhin der lückenlosen finanziellen Überwachung ausgesetzt, müssten für jede Investition Rede und Antwort stehen?

      Ein Wendepunkt, so oder so! Ich war auch schon gespannt, ob Attila jetzt endlich geschieden werden würde. Selbst nach Uschis kranker Berechnung lebten die beiden nun schon seit fast zwei Jahren getrennt, tatsächlich waren es bereits mehr als drei.

      Nach Bewältigung dieser Hürde, also nach unserer Rückkehr aus Deutschland, kam der nächste, auch nicht ausschließlich angenehme Event auf uns zu. Fritz und Mike von Kurier-Netz planten ihren Besuch für Mitte oder Ende März bei uns; sie würden uns mehrere Tage lang über die Schulter sehen und herausfinden, wie wir arbeiteten. Gleichzeitig sollten wir auch ermöglichen, dass Mikes Schwager in die Geheimnisse von Attilas Programmiererei eingearbeitet wird. Angeblich zur Sicherheit, falls wir ausfallen sollten (also wir beide und Michl).

      Ich konnte nur hoffen, dass das wirklich der einzige Grund war. Nicht, dass am Ende vielmehr bereits geplant wurde, den Schwager nach seiner Einarbeitung als Ersatz für einen von uns im Unternehmen zu platzieren, sobald der die notwendigen Kenntnisse über das System erlangt hätte. Etwa um Kosten zu sparen oder das ins Programm investierte Geld zukünftig in der eigenen Familie zu halten.

      Dieser Besuch bedeutete, dass sich in unserem neuen kleinen 10 qm-Büro den ganzen Tag lang insgesamt sechs Mann aufhalten würden, denn auch Michl wollte aus Deutschland anreisen und würde in dieser Zeit auch bei uns wohnen. Mindestens eine Woche lang. Da war ich echt gespannt, wie das wohl funktionieren sollte.

      Attila schaffte für die Firma noch einen Extra-Rechner und 3 Monitore an, auch damit die Herrschaften sehen konnten, dass ihre Server ständig genauestens überwacht wurden. Klar, das erleichterte auch Attila künftig die Arbeit, weil man nicht ständig auf dem Bildschirm hin und herschalten musste. Hoffentlich würde ihm dieser teure Aufwand gedankt.

      Für mich hatte das wieder einmal einen Nebeneffekt, der mir nicht so recht schmecken mochte. Seit über einem halben Jahr schon war ich Attila alle paar Wochen in den Ohren gelegen, dass ich gerne, wie vereinbart, den Job erlernen würde, für welchen ich über meine Firma bezahlt wurde. Immer hatte er abgelehnt, jeweils mit unterschiedlichen Begründungen. So hatte ich letzten Endes aufgegeben und mich stattdessen um das Schreiben meiner Bücher gekümmert.

      Jetzt plötzlich erklärte mir Attila, er müsse mir eine Schnelleinweisung geben, bevor die Delegation anrücke. Damit die Auftraggeber sehen könnten, dass auch ich mich auskenne und kompetente Arbeit leiste. Klasse, im Schnellverfahren konnte ich jetzt vermutlich zusehen, dass ich mir all die Kenntnisse in Rekordzeit aneignete.

      Ich kam mir schon ein wenig benutzt vor, sollte mich immer dem beugen, was Attila gerade einfiel. Über solche Punkte würde ich wohl noch eine sehr unerfreuliche Diskussion mit ihm führen müssen, sonst ginge das wohl endlos so weiter. Nur lieber nicht gleich, denn momentan hatte Attila mit der Information der Telefongesellschaft zu kämpfen, die ihm eröffnet hatte, dass in unserer neuen Wohngegend noch keine DSL-Leitung liege und daher nur ein analoger Internetanschluss mit Modem-Geschwindigkeit möglich sei. Das versalzte ihm die Freude an unserem neuen Büro erheblich.

      Nach einer längeren Such-Odyssee hatten wir wenigstens eine Lösung für dieses Problem gefunden. In Form eines kompetenten Computerladens sowie einer gleich daneben angesiedelten Firma, welche Richtfunk-Internetverbindungen anbot, die eine einigermaßen ordentliche Geschwindigkeit garantierten. So war dann doch alles in die Wege geleitet, sichergestellt, dass wir endlich auch das Büro umziehen konnten. Ich mochte gar nicht daran denken, dass die neue Adresse im Einwohneramt, im Handelsregister und wer weiß wo noch registriert werden musste. Das roch nach langen Wartezeiten in allen möglichen Ämtern.

      Am Samstag klapperten wir die Baumärkte ab, um nach einer Satellitenschüssel und Baumaterial für die Teilüberdachung unseres Hinterhofes zu sehen. Attila baute mit einfachsten und vor allen Dingen preisgünstigsten Mitteln