auch nur eines davon, dann würde das einige Fragen aufwerfen. Wenn er nicht leistungsfähig für Kindesunterhalt ist, wie soll er deren Umzug, Unterbringung und die internationale Schule bezahlen?
Ich kannte Attila! Der würde euphorisch von sich geben, das ginge alles schon, man müsste eben ein größeres Haus mieten. Er täte alles dafür, wenn er nur Uschi die Kinder entreißen könnte, würde sich dabei sogar selber ans Messer liefern. Denn dann wäre er in echter Erklärungsnot, woher denn das Geld dafür plötzlich kommen sollte, was er doch angeblich nicht hatte? Wieder ein Grund, sich nicht gerade auf die Verhandlung zu freuen.
Außerdem – falls sich der Richter vorschlagsgemäß darauf einließ, die Leistungsfähigkeit für Unterhaltszahlungen durch einen Wirtschaftsprüfer eruieren zu lassen, würde Attila wiederum Erklärungsnöte bekommen. Wie erklärt man, dass man trotz Kenntnis seiner Unterhaltspflicht Teile der Firma an die Lebensgefährtin abgegeben hat, dieser eine separate neue Firma gründete und auch den Umzug nach Spanien alleine bezahlte? Das hatte er getan, denn ich besaß nach meiner Scheidung selber null Rücklagen. Stattdessen hohe monatliche Belastungen, denn ich zahlte Kindesunterhalt für alle drei Kinder, wenn auch keineswegs in voller Höhe.
Freilich hatte Attila sich Begründungen überlegt, die der Wahrheit entsprachen. Wie zum Beispiel, dass er nicht mehr so lange vor dem Bildschirm sitzen durfte, weil sonst seine Augeninnendruck-Werte sich sofort verschlechterten. Und dass sich die hohen Umzugskosten wegen der hier viel niedrigeren Lebenshaltungskosten schnell amortisieren würden. Dass ich ihm das »Darlehen« schrittweise zurückzahlen würde.
Nur stellte sich die Frage: sah das der Wirtschaftsprüfer genauso, oder könnte das sogar strafrechtlichen Ärger bedeuten, eine Unterhaltspflichtverletzung hieraus konstruiert werden? Ein schlimmes Gefühl der Unsicherheit bemächtigte sich meiner.
Es war ein Teufelskreis. Hätte ich meine Bücher problemlos mit eigenen Mitteln vorfinanzieren können, wäre ich in der Lage gewesen, über die Tantiemen meine Verbindlichkeiten bei Attila auszugleichen, so dass hier gar nicht erst ein Stein des Anstoßes entstünde. Tatsächlich jedoch würde ich erst einmal die Raten für den Verlagszuschuss mühsam zusammensparen müssen, in dieser Zeit konnte ich schon Attila kein Darlehen zurückzahlen. Bis ich dann durch den Verkauf der Bücher hierzu in der Lage wäre, könnte Attila längst in der Bredouille sitzen.
Ganz zu schweigen davon, dass Attila mir das benötigte Geld für die Bücher in dieser Situation auch nicht auslegen konnte, selbst dann nicht, wenn ich es ihm mit Zinsen zurückbezahlt hätte. Der Richter hätte hierfür keinerlei Verständnis aufgebracht, denn Kindesunterhalt ging immer vor. Auch Ehegattenunterhalt, falls ein solcher festgelegt würde. Dann erst kommt in der Rangfolge der Mann selbst oder gar dessen Lebensgefährtin – wenn überhaupt.
Das Paradoxon an der Sache war, dass Attila aktuell über 10.000 Euro auf meinem Konto hinterlegt hatte, um es in Sicherheit vor Uschi oder dem Gerichtsvollzieher zu bringen. Das waren jene Steuerrücklagen, die nicht angetastet werden durften. Das Geld gehörte praktisch von vornherein dem deutschen Finanzamt. Auf seinem Konto konnte er es nicht lagern. Was, wenn Uschi wieder eine Pfändung einleiten würde, wie schon einmal in Deutschland? Bis man dann erklärt hätte, dass dieses Geld nicht für Unterhaltszahlungen zur Verfügung stand, es nach einer ausgiebigen Prüfung zurückerhalten könnte, hätte man längst die Finanzbehörden am Hals.
Wenigstens verminderten solche Aktionen mein Schuldgefühl, welches ich nach wie vor wegen der Tatsache nährte, dass ich für den Support ein Gehalt bezog, diesen aber nicht selbst ausführen durfte. So ging ich eben fürs eigene Gewissen davon aus, dass ich für mein Strohfrauendasein und das Geldbunkern einen finanziellen Ausgleich erhielt, sowie für die aufwändigen Formulierung der Erwiderungen an Anwalt und Gericht.
Traurig genug, und auch nicht unbedingt mein Berufswunsch. Hätte ich doch bloß von Anfang an minutiös alle Zeiten dokumentiert, während der Attila sich gegen Angriffe von Uschi wehren musste; umgerechnet auf seinen Stundenlohn, der ihm jeweils durch die Lappen ging, wäre mit der Zeit ein immenser Betrag hierbei herausgekommen. Zusammen mit den dadurch zusätzlich entstandenen Anwaltskosten, Portound Telefongebühren wäre das locker der Kindesunterhalt für viele Monate gewesen und man hätte Uschi im Verfahren nachweisen können, dass quasi sie selbst die Zahlungen verhindert hatte. Was für ein Sumpf!
Man konnte Richtern und den sonstigen Verfahrensbeteiligten schon gar nicht mehr ankreiden, dass sie den Gesamtzusammenhang nicht vollständig überblicken konnten. Es gelang einem ja selber kaum noch.
Für mich bedeuteten diese neuesten Entwicklungen, dass ich mir wohl hier einen externen Job suchen musste, schon um meine Bücher zu finanzieren. Egal was! Ich konnte es nicht akzeptieren, nur in Wartestellung zu verharren, ob sich irgendetwas von selbst ergeben würde. So weit war es schon gekommen.
Attila konnte finanziell nicht mehr vorwärts oder rückwärts und ich war somit im Grunde auf mich selbst gestellt. Er bestätigte das schweren Herzens. So hoffte ich, in absehbarer Zeit bei der Jobsuche erfolgreich zu sein; was natürlich durch die Tatsache erheblich erschwert wurde, dass ich noch nicht perfekt Spanisch sprach.
Einen Vorteil konnte ich ja zumindest verbuchen: ich war bereits durch mein Gewerbe sozialversichert, ein Arbeitgeber würde somit für mich nichts zusätzlich abführen müssen. Das machte mich als Arbeitnehmer gewissermaßen kostengünstig.
Sofort nachdem mir diese Erkenntnis ins Bewusstsein gedrungen war, startete ich das Projekt »Jobsuche«. Beim örtlichen Anzeigenblättchen »Sal News« suchten sie Außendienst-Mitarbeiter. Vermutlich, um neue Anzeigennehmer zu akquirieren. Daher schrieb ich den Herrschaften eine E-Mail und bot meine Dienste an, auch wenn Vertretertätigkeiten mir eigentlich gar nicht lagen. Ich durfte nicht wählerisch sein. Welche Alternativen hatte ich auch? Putzfrau für Ferienhäuser?
Der Verleger des Werbe-Blättchens bat mich für Montag zum Gespräch, demnach war ich nicht völlig chancenlos. Da war ich ja mal gespannt, ob ich trotz der sehr hohen Arbeitslosenzahlen in Spanien einen Job an Land ziehen würde.
Abgesehen davon ging das Drama um Attilas Kinder unvermindert weiter. Am Freitag fanden wir eine E-Mail des Anwalts, welchem ein Antrag der gegnerischen Anwältin angehängt war. Der Richter sollte per Eilantrag darüber entscheiden, ob Attila jetzt das Vetorecht für eine Fremdunterbringung Solveigs entzogen werden könne, denn er habe die Zustimmung hierzu bereits verweigert.
Die Begründung des Antrages las sich haarsträubend. Solveig geriet offensichtlich mittlerweile komplett außer Kontrolle, sie hatte mehrfach ihre Mutter geschlagen, ritzte sich die Arme blutig (»Borderline« lässt grüßen) und musste bereits mittels Polizei via Gesundheitsamt ins Bezirkskrankenhaus eingeliefert werden, da sie auch noch in einem Wutanfall die Wohnzimmereinrichtung demoliert hatte. Man war, oh Wunder, zum Ergebnis gekommen, dass Uschi auch unter Inanspruchnahme externer Hilfen absolut nicht mehr mit ihr zu Rande kam, eine Fremdunterbringung damit unerlässlich sei.
Attila sah ein, dass er dieser »Fremdunterbringung« nur noch zustimmen konnte. Er wollte lediglich sichergehen, dass diese nicht bei einer Pflegefamilie, sondern in einer geeigneten Einrichtung mit psychologischer Betreuung stattfinden sollte. Und dass bereits jetzt festgelegt wurde, dass Solveig nach einer Besserung ihrer Symptome nicht mehr zu Uschi zurückkäme, denn sonst würde alles von vorne losgehen. Außerdem wollte er zur Bedingung machen, dass er jeweils sofort informiert werden würde, wo sich seine Tochter wann aufhielt und wie ihr Zustand sei. Nicht, dass er wieder um jede Information erbittert kämpfen müsste.
Natürlich machte er sich massive Sorgen um Ronja, die bereits ähnliche Symptome zeigte, und welche Uschi weiterhin ausgeliefert war. In zwei Jahren hätte man, wenn das so weiterging, vermutlich »Solveig II«.
Ich war mir daher nun sicher, dass Attila bei der anstehenden Verhandlung versuchen würde, die restlichen Kinder dort herauszuholen. Genauso sicher war ich mir allerdings, dass auch er mit der Erziehung oder dem Umgang mit diesen Kindern hoffnungslos überfordert wäre; denn die »Borderline«-Symptome bei Ronja waren schon weit früher als bei Solveig unübersehbar gewesen. Jedenfalls für denjenigen, der hinsehen wollte.
Ich wäre indes ebenso wenig geeignet gewesen, die Kinder wieder auf die Reihe zu