Benedict De spinoza

A Theologico-Political Treatise and A Political Treatise


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      Kati Hannken-Illjes

      Argumentation

      Einführung in die Theorie und Analyse der Argumentation

      A. Francke Verlag Tübingen

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      © 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

      www.francke.de[email protected]

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

      ePub-ISBN 978-3-8233-0086-1

      „To argue is inherently to risk failure“ (Henry W. Johnstone Jr.)

      1 Einleitung

      Argumentieren ist riskant, weil ich im Geben und Nehmen von Gründen in Betracht ziehen muss, dass auch mein Gegenüber gute Gründe vorbringt und ich möglicherweise erkenne, dass die Gründe meines Gegenüber „besser“ sind und ich in der Folge meine Position aufgeben muss. Dieses Risiko, selbst überzeugt zu werden, liegt unter jeder Argumentation: „An argument we are guaranteed to win is no more a real argument than a game we are guaranteed to win is a real game“ (Johnstone, 1965, S. 1).

      Argumentieren gibt aber auch Sicherheit, weil ich im Geben und Nehmen von Gründen immer wieder offenlege, was ich für wahr halte, während mein Gegenüber dasselbe tut. Damit ist jede Argumentation ein Abgleich über unser Verständnis von Ausschnitten der Welt. So kann Argumentation Verständigung ermöglichen.

      Dieses Studienbuch gibt eine Einführung in die Hauptströmungen der Argumentationstheorie, der Argumentationsanalyse und der aktuellen Forschungsfragen in der Argumentationswissenschaft. Die Konzentration liegt dabei auf dialektischen und rhetorischen Ansätzen. Mit der rhetorischen Wende Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts hat die Argumentationstheorie einen starken Wandel erlebt: weg von rein logischen Beschreibungen der Argumentation, hin zur Einbeziehung natürlicher Sprache, einer dialogischen Sicht auf Argumentation und einer Wiederaufnahme von rhetorischen Konzepten wie der TopikTopik und dem Publikum. Neben der Philosophie waren und sind nun die Rhetorik, die Rechtswissenschaft, die Linguistik, die Sprechwissenschaft und andere Disziplinen in die Bearbeitung argumentationstheoretischer Fragen einbezogen. In den USA hat die praktische Auseinandersetzung mit Argumentation in den Debattenteams der Universitäten die Theoriebildung stark vorangebracht und in der Philosophie die „critical thinking“-Bewegung. In Deutschland hat die Argumentationsforschung Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts eine erste Hochzeit erlebt, besonders beeinflusst durch die Konzeption von Argumentation bei Jürgen Habermas. Seit der ersten Konferenz der International Society for the Study of Argumentation 1986 hat sich das Feld immer weiter entwickelt und integriert mittlerweile verschiedenste Disziplinen und Sichtweisen. Die wissenschaftliche Befassung mit der Argumentation hat sich so weit entwickelt, dass man beginnen könnte, von einer Argumentationswissenschaft zu sprechen. Auch wenn das Feld sich aus vielen disziplinären Quellen speist, so hat es sich in den letzten 30 Jahren doch auch immer stärker als eigenes Feld mit einer eigenen akademischen Öffentlichkeit etabliert: mit eigenen Fachgesellschaften, Konferenzen, Zeitschriften und Studiengängen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Argumentation steht vor derselben Herausforderung wie die Erforschung anderer Gegenstände, die im Englischen mit dem Begriff der „Studies“ versehen ist: Es handelt sich zunehmend um einen Gegenstand eigenen Rechts, auch wenn er noch nicht disziplinär selbstständig ist.

      Diese Einführung will das Feld der Argumentation ordnen, indem sie Grundströmungen, zentrale Ansätze, Möglichkeiten der Analyse und aktuelle Forschungsfragen in den Blick nimmt. Eine Einführung steht immer vor dem Dilemma, zum einen leicht zugänglich sein zu wollen und zur selben Zeit so umfassend als möglich. Der Schwerpunkt dieser Einführung liegt stärker auf der Zugänglichkeit. Sie behandelt die wichtigsten Ansätze in der Dialektik und Rhetorik der Argumentation. Die Lücken, die dieser notwendige Auswahlprozess hinterlässt, sind seit ein paar Jahren ganz hervorragend zu kompensieren: 2014 haben van Eemeren, Garssen, Snoeck Henkemans, Krabbe und Wagemans ein umfassendes Handbuch der Argumentationstheorie veröffentlicht, das sich sehr gut als weiterführende Lektüre eignet. Neben diesem Handbuch sei auch auf die einschlägigen Zeitschriften der Argumentationswissenschaft verwiesen: Argumentation, Argumentation in Context, Informal Logic, Cogency und Argumentation and Advocacy. Eine weitere wichtige Quelle für die, die sich weitergehend für die Argumentation interessieren, sind die verschiedenen Tagungen und Konferenzen zur Argumentation: u.a. die Konferenz der International Society for the Study of Argumentation in Amsterdam, die Tagung der Ontario Society for the Study of Argumentation in Windsor, Language and Argumentation, die Alta Conference on Argumentation in Utah als Konferenz der American Forensic Association, die Tokyo Conference on Argumentation, die Konferenzen der Wake Forest University in den USA und Venedig. Zu vielen dieser Tagungen erscheinen Proceedings – Tagungsbände –, die einen guten Einblick zum Stand der Argumentationswissenschaft geben können.

      Mein herzlicher Dank geht an Carmen Harsch für die tatkräftige Unterstützung an diesem Studienbuch von Anfang bis Ende und an Cornelius Filipski für das Lesen und Diskutieren.

      Das Vorgehen in diesem Buch

      Diese Einführung bietet einen systematischen Zugang und orientiert sich an der Dreiteilung der Perspektiven auf Argumentation in die logische, dialektische und rhetorische Perspektive. Leitend für die Vorstellung und Diskussion der verschiedenen Ansätze sind drei Gesichtspunkte: Unabhängig vom Zugang, den ein bestimmter Ansatz wählt, liegt ihm eine Vorstellung davon zu Grunde, welche Funktion Argumentation hat, welche Form ein Argument hat und was die Geltung eines Arguments bestimmt. Diese drei Aspekte: Form, Funktion und Geltungsbedingungen sind grundlegend für die Diskussion. Sie führen zu folgenden Leitfragen:

      Was ist nach diesem Ansatz die Form eines Arguments?

      Was ist nach diesem Ansatz die Funktion von Argumentation?

      Was bestimmt nach diesem Ansatz die Geltung von Argumenten?

      [bad img format]Im Onlinematerial zu diesem Buch befindet sich eine umfassende Matrix, die die verschiedenen Ansätze orientiert an den drei Leitfragen einordnet.

      Damit die Zusammenhänge und Differenzen der verschiedenen Perspektiven und Ansätze deutlich werden, wird ein Beispiel durch alle Kapitel geführt. Das Beispiel stammt aus dem Stück „Twelve Angry Men“ (deutsch: „Die zwölf Geschworenen“) von Reginald Rose. Es wurde 1957 von Sidney Lumet mit Henry Fonda verfilmt, 1963 folgte eine deutsche Verfilmung von Günter Gräwert. Dieses Kammerspiel dreht sich um die Juryberatung in einem Strafverfahren in den USA. Die zwölf Jurymitglieder müssen die Entscheidung treffen, ob ein 19jähriger Mann seinen Vater erstochen hat und des Mordes schuldig ist. Dem jungen Mann droht die Todesstrafe. Das Stück nimmt ausschließlich die Beratung der Jury in den Blick, eine Beratung, die überhaupt nur stattfindet, weil Juror 8 in der ersten Abstimmung für nicht schuldig plädiert und damit einen sofortigen Schuldspruch unmöglich macht. Die Beispielsequenz, mit der ich in diesem Buch arbeite, ist ein Auszug aus dem Beginn der Beratung. Sie soll hier einmal in Gänze vorgestellt werden, in den folgenden Kapiteln werde ich dann nur mit einzelnen Aspekten arbeiten. Grundlage für die Analyse des Beispiels ist die deutsche Fassung des Theaterstücks von Horst Budjuhn. Im Original werden die einzelnen Geschworenen nur mit Nummern kenntlich gemacht, für die Nutzung in diesem Buch erschien es passender, sie mit „Juror X“ und nicht mit „Nummer X“ zu benennen. Kleinere Regieanweisungen, die für die Analyse irrelevant sind, werden stillschweigend ausgelassen. Der gesamte Film (der amerikanische wie der deutsche) sei allen Argumentationsinteressierten sehr empfohlen.

      JUROR 1: Also elf Stimmen für „schuldig“. In Ordnung. – „Nicht schuldig“? (Juror 8 hebt langsam die Hand.) Eine. – Klar, 11:1 für „schuldig“. Jetzt wissen wir wenigstens, woran wir sind.

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