Andreas Scheepker

Morgen kommt der Weihnachtsmann


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im letzten Jahr, da ist das etwas unglücklich gelaufen. Ich gebe dir auch gar nicht die Schuld, und zusammen haben wir das ja auch prima hingekriegt. Aber diesmal ist es ganz anders. Ich brauche deine Hilfe.« Gerrit Roolfs sah seinen Freund flehend an.

      Johannes Fabricius begann etwas zu ahnen. Er setzte sich aufrecht und entspannt hin. »Es gibt doch bestimmt einen Grund, warum ich da mitmachen soll.«

      »Ich sage nur einen Namen: Gerald Oosterhuis. Er soll das beigeordnete Mitglied des Hofrates für diesen Fall sein. Der Fürst hält die Sache innenpolitisch für so brisant, dass er von Anfang an jemanden von außen dabei haben will. Er sagte, dass er da an den Oppositionsführer denkt, damit die Sache politisch ausgewogen ist. Johannes, du kannst mich jetzt nicht einfach hängen lassen.«

      Fabricius genoss die Situation noch einen Moment und lehnte sich zurück. »Du meinst, du würdest dann doch lieber mit mir zusammenarbeiten als mit Oosterhuis.«

      Roolfs grinste: »Du liegst knapp vor ihm in Führung. Aber du bist gerade dabei, deinen Vorsprung zu verlieren.«

      »Ich überleg mir die Sache.«

      »Nein, diese Sache habe ich mir schon überlegt. Du tust jetzt, was ich sage. Einmal in deinem Leben. Du musst CE anrufen. Unbedingt. Er hat schon morgen ein Treffen mit Oosterhuis.«

      »CE?«

      »Carl Edzard.«

      Fabricius seufzte. »Okay, ich rufe ihn an. Versprochen.«

      »Du hast etwas gut bei mir, Johannes.«

      »Ich werde das auszunutzen wissen, Gerrit.«

Sonntag, 1. Dezember

      Moral

      Am Sonntag um halb zwölf tagte der Hofrat im Auricher Schloss. Dieses Gremium hatte den Fürsten in seinen Amtsgeschäften zu beraten. Vertreten waren die beiden größten Landtagsparteien – in der Regel waren das Regierungs- und Oppositionspartei – sowie Vertreter und Vertreterinnen des öffentlichen Lebens. Dazu kamen vier berufene Mitglieder, zu denen auch Johannes Fabricius zählte.

      Wie immer empfing der Fürst alle elf Mitglieder mit Handschlag und wartete mit der Begrüßung, bis alle die erste Tasse Tee ausgetrunken und die wichtigsten Neuigkeiten ausgetauscht hatten, damit dann die volle Aufmerksamkeit sichergestellt war.

      Fürst Carl Edzard hatte als Gast Kriminaldirektor Uphoff eingeladen, der kurz von den ersten Ermittlungen berichtete. Tjarksen musste etwa zwischen halb drei und vier Uhr morgens erschossen worden sein. Die Blutuntersuchung hatte ergeben, dass er stark alkoholisiert gewesen war. Nicht lange nach dem Eintritt des Todes musste er dann erhängt worden sein.

      Es gab viele mögliche Hinweise, aber keine wirkliche Spur. Auch das erste Gespräch mit seiner Familie hatte nichts Konkretes ergeben.

      »Wissen Sie, mit welcher Waffe Tjarksen erschossen worden ist?«, fragte Fürst Carl Edzard.

      »Jetzt kommt’s: Mit einer Walther PPK, Kaliber sieben Komma fünfundsechzig. Ein modifiziertes Modell der berühmten Walther PP«, erläuterte Gerrit Roolfs. »Beide Pistolen waren im Zweiten Weltkrieg unter deutschen Offizieren verbreitet. Die Walther PPK ist noch kleiner als die Walther PP und kann verdeckt getragen werden.«

      »Konnten Sie die Waffe sicherstellen?«, fragte der Fürst nach.

      »Nein«, antwortete Kriminaldirektor Uphoff.

      »Herr Doktor Oosterhuis«, rief der Fürst den Vorsitzenden der Oppositionspartei auf, der sich schon während des Berichtes von Uphoff mehrfach zu Wort gemeldet hatte.

      Wie immer, wenn Gerald Oosterhuis redete, lehnte sich Landesbischöfin Irene Sanders, die als Vertreterin der evangelischen Landeskirche Ostfrieslands in diesem Gremium saß, besonders aufmerksam nach vorn. Zwischen ihr und Oosterhuis herrschte ein hohes Maß an gegenseitiger Abneigung.

      »Das ist ja nicht nur ein persönlich sehr, sehr trauriger …«, begann Oosterhuis und nickte seinen eigenen Worten zu.

      »… Fall«, ergänzte die Bischöfin. »Herr Doktor Oosterhuis, es ist ein Zeichen von Höflichkeit, seine Sätze zu Ende zu sprechen.«

      »Gewiss, verehrte Frau Bischöfin, Sie werden sicher … Aber worauf ich hinaus will, ist, dass der Fall ja auch eine innenpolitische Dimension … hat. Auch Ihre Kirche hat ja Herrn Tjarksen in der Vergangenheit nicht gerade christlich behandelt, Frau Bischöfin.«

      »Vielleicht nicht nach einem Verständnis von christlicher Moral, wie es in Ihrer Partei zum Maßstab gemacht wird. Aber für uns ist auch ein ehrlicher Streit …«

      »Immerhin haben auch Sie öffentlich Stellung genommen gegen Tjarksen und seine Aktionen«, unterbrach Oosterhuis sie empört. »Und Ihre Pastoren … Da ist auch so manches gepredigt und geschrieben … Da stehen Sie nicht weit zurück hinter den Gewerkschaften!«

      »Bitte, bitte«, unterbrach der Fürst. »So kommen wir jetzt nicht weiter. Wir wissen überhaupt nicht, ob der Mord an Herrn Tjarksen etwas mit seinem Engagement in der vergangenen Zeit und den damit verbundenen Kontroversen zu tun hat. Es könnten ja auch durchaus private Motive dahinterstecken, oder ein ganz anderer Hintergrund.«

      Angriffslustig fuchtelte Oosterhuis mit dem Zeigefinger in der Luft. »Gewerkschaften, Kirche und Regierung haben Stimmung gegen einen verdienten Pionier des Einzelhandels gemacht, der über siebzig Arbeitsplätze in unserem Fürstentum … Und nun sollen auf einmal persönliche Motive herhalten?«

      Die Runde schwieg betreten. Der Fürst erhob sich schließlich. »Herr Doktor Oosterhuis, glauben Sie wirklich, die Bischöfin oder ich hätten Tammo Tjarksen persönlich auf dem Gewissen?«

      Weihnachtsstern

      Oosterhuis wurde etwas unsicher. »Ich will unseren Fürsten nicht persönlich … Ich will nur zum Ausdruck bringen, dass in der Bevölkerung vielleicht eine gewisse Irritation …«

      Kreislandwirt Diekena schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das geht nun ja wohl zu weit. Unsere Bevölkerung steht voll hinter unserem Fürstenhaus. Wenn das bekannt wird, was Sie hier für Verdächtigungen ausbreiten, dann können Sie die nächste Wahl schon jetzt abhaken.«

      Carl Edzard nahm wieder Platz. »Ich schlage vor, dass wir einen Gedanken aufnehmen, der im vergangenen Jahr aus diesem Gremium kam, als ein Mordfall für viel Verunsicherung in der Bevölkerung sorgte. Ihren Vorschlag von damals, dass jemand aus unserer Runde dem Polizeiteam als beratendes Mitglied zur Verfügung steht, würde ich auch in diesem Fall für sinnvoll halten.«

      Der Fürst wartete einen Moment, ob jemand richtig stellen würde, dass dieser Vorschlag damals sein persönlicher Überraschungs-Coup gewesen war. »Herr Kriminaldirektor Uphoff, hat sich die Zusammenarbeit mit Herrn Fabricius bewährt?«

      »Auf ganzer Linie, Durchlaucht.«

      »Gut. Herr Fabricius, wären Sie bereit, für unsere Runde diesen schweren Dienst noch einmal anzutreten? Die Tatsache, dass Sie ebenfalls im Einzelhandel tätig sind, spricht in diesem Fall ja auch noch einmal besonders für Sie.«

      Johannes Fabricius, der sich bisher völlig zurückgehalten hatte, nickte zögerlich. »In Ordnung. Ich bin bereit, diese Aufgabe noch einmal zu übernehmen.«

      »Wenn ich dazu noch etwas …«.

      »… bemerken darf«, ergänzte die Bischöfin den Oppositionsführer und rollte mit den Augen.

      »Ergebensten Dank, hochverehrte Frau Bischöfin. Ich wage doch zu bezweifeln, dass Herr Fabricius in diesem Fall der richtige … Ich meine, dass bei ihm als dem Fürstenhaus nahestehender Person doch eine gewisse Voreingenommenheit …«

      Kriminaldirektor Uphoffs Gesichtsfarbe ähnelte auf einmal der des Weihnachtssterns vor ihm auf dem Tisch. »Herr Oosterhuis, wie können Sie es wagen, so etwas zu behaupten? Im vergangenen Jahr haben Sie sich während eines laufenden Verfahrens illegal vertrauliche Informationen verschafft und einen jungen Beamten dazu gebracht, seine Schweigepflicht zu verletzen. Nur die Fürsprache