Ulrich Hefner

Das Haus in den Dünen


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liegen die Nerven einiger Verantwortlicher noch immer blank.«

      *

      Es war kurz vor Mittag und das Thermometer war auf 28 Grad Celsius geklettert. In den Schwimmbädern am Fliegerdeich lagen die gecremten Körper der Badegäste dicht an dicht.

      Trevisan und Monika Sander fuhren über den Friesendamm hinaus zum Heppenser Groden. Der Ölhafen lag direkt an der Küste und die riesigen, weißen Tanks glänzten im Sonnenlicht. Trevisan hatte die Fensterscheibe ein Stück heruntergekurbelt und streckte seine Hand in den Fahrtwind.

      »Dein Urlaub muss schön gewesen sein«, sagte Monika und bog in die kleine Straße zum Ölhafen ein. »Man konnte es an deiner Karte merken.«

      »Ich wünschte, er hätte nie geendet.« Trevisan seufzte. »Angela übernimmt möglicherweise die Chefredaktion eines neuen Magazins.«

      Monika bremste den Wagen vor dem großen Werkstor ab. »Ein neues Magazin?«

      »Reisen, Essen, Glamour und Lifestyle«, antwortete Trevisan. »Alles für die Frau aus der gehobenen Schicht. Ein Exklusivmagazin für Neureiche.«

      »Und das geht?«

      »Die Marketingabteilung des Verlages meint, das ist genau die Marktlücke, die sie bedienen sollten. Ein potentieller Kundenkreis mit viel Geld und viel Freizeit.«

      Monika schüttelte den Kopf. »Da gehöre ich nicht dazu. Außer meiner Fernsehzeitung lese ich keine Illustrierten. Ein gutes Buch, das ist schon eher etwas für mich.«

      »Krimis?«

      »Gott behüte. Davon habe ich genug im Büro.«

      Ein Wachmann öffnete das Tor und kam auf sie zu. Tankwagen donnerten auf einer eigens eingerichteten Fahrspur vorbei. Monika Sander öffnete die Seitenscheibe und zeigte ihre Kripomarke. »Wir haben einen Termin bei Herrn Borowski.«

      Der Wachmann nickte und erklärte ihr den Weg.

      Der Kommandant der Betriebsfeuerwehr war fast zwei Meter groß und hätte einen fabelhaften Ringer abgegeben. Trevisan schätzte ihn auf Anfang fünfzig. Er saß in einem klimatisierten Büro mit Blick auf die riesige Abfüllanlage und trug wider Erwarten keine Uniform, sondern eine kurze Hose und ein grünes T-Shirt mit der Aufschrift Wilhelmshaven, die Perle am Jadebusen.

      »Insgesamt sind wir dreißig Mann stark«, erklärte Borowski. »Aber jeder hier hat einen normalen Job. Egal ob Mechaniker, Chemiker, Kontrolleur oder ob man an einem der Befüller arbeitet – wenn es brennt, dann ziehen unsere Leute ihre Montur über und begeben sich unverzüglich an den Einsatzort.«

      »Das heißt, es gibt eigentlich keine ausschließlichen Feuerwehrmänner hier in dieser Firma«, folgerte Monika Sander.

      »Nicht das, was Sie landläufig unter einer Feuerwehr verstehen«, erklärte der Kommandant. »Im Brandfall ist der Unterschied zu den Freiwilligen Wehren nicht groß. Außer, dass wir ausgesprochene Spezialisten in unseren Reihen haben, wenn es um Ölunfälle oder Gefahrgutunfälle geht. Unsere Ausbildung ist intensiver als bei den Freiwilligen Wehren. Bei uns hat jedes Mitglied einen Atemschutzlehrgang oder ist mit den modernen Brandbekämpfungsmethoden vertraut. Meine Männer fahren den Tanklöschzug oder auch den Leiterwagen. Wir unterstützen oft die örtlichen Wehren bei Großlagen und werden auch in Alarmierungsfällen von der Feuerwehrleitstelle angefordert.«

      Monika Sander schaute Trevisan fragend an. »Das heißt aber, jeder Feuerwehrmann hat in der Firma einen festen Job.«

      Borowski nickte, und Trevisan fragte: »Haben Sie in den letzten Monaten einen Mann entlassen?«

      »Aha, daher weht der Wind«, schmunzelte der Kommandant. »Sie suchen diesen Brandstifter und meinen, es ist ein Feuerwehrmann. Glaubt ihr noch immer an dieses alte Klischee?«

      »Immerhin werden über fünfzig Prozent aller Brandstiftungen von …«

      »… Feuerwehrmännern begangen, die enttäuscht wurden, weil sie nicht befördert werden oder einfach nur geil auf Feuer sind und gerne mit Blaulicht und Horn durch die Straßen pfeifen«, vervollständigte Borowski Monikas begonnenen Satz. »Bei uns liegen Sie falsch. Für meine Männer lege ich die Hände ins Feuer und Entlassungen gab es schon seit Jahren keine. Wir könnten sogar noch ein paar Leute brauchen, aber vielen ist die Bezahlung zu schlecht, die Arbeit zu schwer und das Stundensoll zu hoch.«

      »Wie sind denn die Arbeitszeiten?«

      »Wir stehen hier jeden Tag unter Strom«, erklärte der Kommandant und nahm den Schichtplan der vergangenen Tage von der Pinnwand. »Wir fangen mit der ersten Schicht ab fünf Uhr an. Die Männer arbeiten bis drei, die zweite Schicht übernimmt dann bis zweiundzwanzig Uhr. Auch am Wochenende haben wir Sonderschichten laufen, da kommen die Dampfer rein und löschen ihre Ladung. In den letzten Wochen mussten wir wegen des hohen Aufkommens sogar weitere Sonderschichten fahren. Da wird bei uns jeder Mann gebraucht. Da bleibt keine Zeit für Sperenzchen, das können Sie mir glauben.«

      Nachdem Trevisan einen Blick auf den Schichtplan der letzten Wochen geworfen hatte, erhob er sich und reichte Borowski die Hand. »Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen.«

      »Und was ist mit der Liste?«, fragte Monika Sander, als sie wieder im Wagen saßen.

      Trevisan winkte ab und legte den Gurt an. »Denk an die Zeiten der Brandstiftungen. Die Schichtzeiten decken sich nicht mit unserem Zeitschema. Die Jungs vom Hafen können wir bedenkenlos streichen. Wer steht noch auf deiner Liste?«

      Monika ließ den Wagen an. »Dann fahren wir jetzt hinüber nach Roffhausen.«

      *

      Die nächsten sieben Tage überprüfte Trevisans Ermittlungsteam Stadtverwaltungen, Betriebsfeuerwehren und Hafenbehörden. Sogar die Marinesoldaten am Arsenalhafen wurden nicht ausgelassen, denn auch dort gab es eine Betriebsfeuerwehr. Einige der verantwortlichen Ressortleiter verhielten sich kooperativ, andere murrten und lehnten zuerst ihre Mitarbeit unter Hinweis auf den Datenschutz ab. Am Ende hatten sie fast vierhundert Personen überprüft und alle bis auf vierzig ausgeschieden. Vierzig Männer im Alter zwischen achtzehn und vierzig Jahren, alle arbeitslos, in der Gegend ansässig und – zumindest laut Eintragung im Register der Zulassungsstelle – im Besitz eines dunklen Kleinwagens. Vierzig Überprüfungen, vierzig Ansatzpunkte, vierzigmal Hoffnungsschimmer. Und vierzigmal anschließende Ernüchterung.

      Trevisan betete, dass der Feuerteufel vom Wangerland in der Zwischenzeit keine weiteren Bibelzitate neben verkohlten Leichen hinterlassen würde.

      Am Abend des 27. belud Angela ihren Wagen. Ihr Urlaub war zu Ende und ihre neue Aufgabe führte sie für die nächste Woche nach Hamburg. Zum Wochenende wollte sie wieder zurückkehren. Als ihr Wagen die Straße hinunterfuhr und hinter der nächsten Biegung verschwand, fühlte sich Trevisan schlecht. Er hatte die letzten Tage mit Angela genossen, und mehr als einmal war ihm durch den Kopf gegangen, sie zum Bleiben zu überreden. Er ließ es, denn er wusste, dass ihre Antwort längst feststand. Darüber hatten sie in der Vergangenheit schon öfter gesprochen. Angela liebte ihre Arbeit und er wusste, wie wichtig ihre Karriere für sie war.

      In dieser Nacht schlief Trevisan schlecht, und das änderte sich auch in den folgenden Nächten nicht.

      Im Büro entspannte sich nach der Rückkehr von Alex Uhlenbruch und Tina Harloff die Situation. Gemeinsam mit den Kollegen des 3. Fachkommissariats überprüften sie weitere Tatverdächtige. Auch die Sonderstreifen der Kollegen vom Streifendienst schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen. In Wilhelmshaven und im Wangerland blieb es ruhig. Die nächtlichen Kontrollen führten zu diversen Beschlagnahmen von Führerscheinen betrunkener Autofahrer und in Altengroden konnte sogar ein steckbrieflich gesuchter Ausbrecher wieder dingfest gemacht werden, doch den Brandstifter erwischten sie nicht.

      Das Wetter blieb heiß und schwül und es schien, als ob die Luft über der Küste wie unter einer Glocke festgehalten wurde. Der Wind blies nur mäßig. Sieben Tage herrschte Ruhe, bis sich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, dem letzten Tag im August, über Wilhelmshaven ein kräftiges Gewitter entlud. Auch in dieser Nacht fand Trevisan wenig Schlaf. Zuvor hatte er fast zwei