ich. „FBI! Sie sind verhaftet!“
Über das Kragenmikro meldete ich die Verhaftung, entwaffnete ihn und nahm ihm die Sturmhaube vom Gesicht. Ich schätzte ihn auf ungefähr dreißig Jahre. Er hatte dunkle Haare, die leicht gelockt waren und eine kraterartige Narbe am Kinn, die wohl von einem starken Aknebefall in der Pubertät geblieben war.
Während ich das tat, nahm ich über das Kragenmikro Kontakt mit meinen Kollegen auf. „Wir brauchen einen Arzt“, sagte ich. „Und außerdem Verstärkung. Der Kerl hier war nicht allein. Da muss noch jemand im Haus sein. Die ersten Schüsse konnte man nämlich nicht hören, das heißt, es wurde wahrscheinlich ein Schalldämpfer verwendet. Aber bei dem Verhafteten habe ich so etwas nicht finden können.“
Die beiden jungen Quantico-Absolventen Gavin und Salionowsky bekamen daraufhin von Clive die Anweisung, den zur Straße gelegenen Hauseingang im Auge zu behalten.
Ich hörte Schritte.
Milo und Josy erreichten mich.
„Alles klar?“, fragte Milo.
„Mit mir schon“, erwiderte ich.
„Wir sind gleich bei euch, Jesse!“, versprach Jay Kronburg.
Wenig später traf der ehemalige Cop im Dienst des New York Police Department bei uns ein. Er war der Einzige von uns, der nicht auf die SIG Sauer P226 umgestiegen war, sondern noch immer seinen 4.57er Magnum-Revolver benutzte.
Milo und Josy meinten, dass aus dem dritten Stock geschossen worden sei.
Es handelte sich um ein Gebäude mit kleinen Apartments. Viele davon wurden vom Personal des Buena Vista bewohnt, wie sich bei späteren Befragungen herausstellte.
Milo, Jay und ich wollten uns im Haus umsehen. Josy sollte bei dem Verhafteten bleiben, während Agent Leslie Morell sich um Gutierrez kümmerte. Schließlich sollte uns der Wäscher von Harlem so schnell nicht wieder durch die Lappen gehen. Gutierrez musste uns schließlich noch einiges erklären.
Wir wollten uns gerade das Treppenhaus vornehmen, da hörten wir über unsere Ohrhörer, wie die Kollegen Gavin und Salionowsky, jemanden aufforderten, stehen zu bleiben.
Im nächsten Moment hörten wir Schüsse.
Sie kamen von der der Straßenseite des Apartmenthauses. Außerdem hörten wir das Feuergefecht auch noch im Ohrhörer, was einem fast das Trommelfell platzen lassen konnte.
Die Agenten Gavin und Salionowsky waren offensichtlich in ein Feuergefecht verwickelt.
Wir zögerten keinen Augenblick, sondern rannten ins Freie, erreichten das Ende der Ausfahrt und schließlich die Straße. Eine Tür, die ins Haus führte, stand halb offen.
Ein Mann lag regungslos im Eingangsbereich. Sein Gesicht war durch eine Sturmhaube verdeckt. In der Rechten hielt er ein Gewehr mit Schalldämpfer und Laserzielerfassung. Blut sickerte aus einer Wunde am Oberkörper.
In einer Entfernung von nur wenigen Metern lagen zwei weitere menschliche Körper auf dem Asphalt. Es waren Salionowsky und Gavin, unsere beiden jungen Kollegen. Die Schüsse, die wir gehört hatten, waren von ihnen abgegeben worden. Salionowsky war tot, aber Gavin lebte noch. Sein Brustkorb war voller Blut.
Jay machte über Funk noch einmal Druck, um Hilfe vom Emergency Service für den Abtransport eines Schwerverletztern zu bekommen.
Ich beugte mich über Gavin.
„Wir… wollten… doch nur…“
Weiter sprach er nicht. Seine Augen wurden starr.
„Verdammt“, murmelte ich.
10
Wenig später tummelten sich um das Buena Vista herum die Kollegen der Scientific Research Division, der City Police unsere eigenen Leute. Was Don Gavin und Allan Salionowsky anging, so konnte man nur noch ihren Tod feststellen. Ich habe mein Leben dem Kampf gegen das Verbrechen gewidmet und dies auch nie bereut. Don und Allan hatten dich derselben Sache verschrieben wie Milo, Clive, Jay und all die anderen, die im FBI Field Office an der Federal Plaza ihren Dienst verrichten - allen voran unser Chef Mister Jonathan D. McKee. Aber Don und Allan waren gar nicht erst dazu gekommen, ihren Traum in die Wirklichkeit umzusetzen.
Aber ich nahm mir vor, dafür zu sorgen, dass ihr Tod nicht sinnlos bleiben würde…
Der verletzte Killer, den wir festgenommen hatten, verweigerte zunächst jede Aussage. Die Kollegen der City Police nahmen ihn nach Rikers Island mit, wo er in der dortigen Gefängnisklinik behandelt werden konnte.
Es war unwahrscheinlich, dass er bereit war, über seine Hintermänner zu sprechen.
Er trug einen Führerschein unter dem Namen Robin Carlos.
Der Name war echt, wie sich herausstellte. Sein Komplize, der unsere Agenten erschossen hatte und bei dem Feuergefecht mit ihnen selbst ums Leben gekommen war, hieß laut seiner Papiere Rick Mendoza. Beide waren wegen mehrfacher Körperverletzung und Drogenhandel vorbestraft.
Mit dem Killer, der Ray Azzaro auf dem Gewissen hatte, waren jedoch beide in keinem Fall identisch. Allein die Schuhgrößen reichten schon aus, um das sicher auszuschließen.
Letztlich waren die beiden nur Handlanger für jemand anderen gewesen.
Fragte sich nur, wer der große Unbekannte war, der es auf den Wäscher von Harlem abgesehen hatte.
Gutierrez war in diesem Zusammenhang alles andere als auskunftsfreudig.
Wir nahmen uns Gutierrez vor, nachdem sich ein Notarzt des Emergency Service um seine Platzwunde gekümmert hatte.
„Ich nehme an, Sie haben ein Büro oder dergleichen, wo wir uns ungestört unterhalten können“, sagte ich.
„Wenn es sein muss.“
„Es muss sein, Mister Gutierrez. Und nachdem wir mitgeholfen haben, Ihnen Ihr Leben zu retten, wäre das mindeste, was wir erwarten können etwas Kooperation.“
Gutierrez machte eine wegwerfende Handbewegung. Ich ahnte schon, dass uns seine Vernehmung nicht all zu viel weiterbringen würde. „Nur in Anwesenheit meines Anwaltes“, erklärte er schließlich.
„Es steht Ihnen frei, Ihren Anwalt anzurufen“, erwiderte ich.
Zwanzig Minuten später hatte er Clive Caravaggio und mich in ein Separee geführt.
Der Anwalt ließ auf sich warten.
„Ihr Anwalt heißt doch nicht zufällig Jeffrey Watson?“, fragte ich.
Gutierrez sah mich mit überraschtem Gesichtsausdruck an und grinste dann verlegen.
„Hey, G-man, dies ist ein freies Land, falls Sie davon noch nichts gehört haben sollten! Ich kann mich durch den Anwalt meines Vertrauens vertreten lassen – oder gibt es dagegen neuerdings irgendein Gesetz, dessen Verabschiedung ich nicht mitbekommen habe?“
„Es ist nur eine interessante Verbindung“, stellte ich klar.
Ein Anwalt, der zusammen mit seinen Kanzleipartnern plötzlich reich geworden war, ein Geldwäscher-König, dessen Mann fürs Grobe auf den Stufen des Gerichtsgebäudes erschossen worden war.
Und jetzt dieses Attentat…
Ich brachte das alles noch nicht auf einen Nenner. Die entscheidenden Fakten waren uns bisher unbekannt, davon war ich überzeugt.
Watson traf nach einer halben Stunde in.
„So schnell sieht man sich wieder“, sagte ich.
Er grinste schief. „Mein Mandant wird Ihnen keinerlei Aussagen unterschreiben.“
„Vielleicht machen Sie Ihrem Mandanten mal klar, dass jemand offensichtlich keine Kosten und Mühen scheut, um ihn auszuschalten und er selbst wohl offensichtlich nicht in der Lage ist, sich entsprechend