wie der gestrige Abend zu Ende gegangen war. Wie Benny Duarte sie mit in seine Limousine genommen und zu seiner Luxus-Wohnung in der 114. Straße mitgenommen hatte.
„Ein Tausender ist für dich drin, mi guapa!“, klangen ihr die Worte des Dicken noch in den Ohren.
Die Erinnerung an den Sex mit Duarte hatte Dolores schon fast aus dem Bewusstsein verdrängt. Allein bei dem Gedanken an das, was in der letzten Nacht geschehen war, wurde ihr speiübel. Ihr Körper war übersät von blauen Flecken. „Ich mag es auf die harte Tour", hatte er gesagt. Wie hart es werden würde, war ihr da nicht klar gewesen.
Tausend Dollar für eine Nacht mit Benny Duarte - sie hatte gedacht, dass das ein guter Preis und der Koloss im weißen Anzug ein großzügiger Mann wäre.
Jetzt fand sie das nicht mehr.
Duarte hatte ihr dafür das Letzte abverlangt.
Na warte, dachte sie. Man sieht sich immer zweimal...
Das Handy schrillte erneut.
Dolores richtete sich auf. Sie war nackt. Das lange Haar fiel ihr über die schweren Brüste, als sie aufstand.
Das Handy, das da unablässig schrillte, musste sich in Duartes Jackett befinden, das er achtlos auf den Boden geworfen hatte.
Duarte war inzwischen auch wach geworden.
„Gib mir die Jacke!“, ächzte er. Er schien plötzlich alarmiert und hellwach zu sein. „Na, los, mach schon!“
Dolores gehorchte.
Duarte deutete auf eine Kommode. „Mach die erste Schublade auf. Da findest du genug Schnee, um dich in gute Stimmung zu schnupfen“, sagte er. „Hey, es war eine tolle Nacht, ich weiß nicht, was du für ein Gesicht machst!“
Für dich war es vielleicht eine tolle Nacht!, ging es ihr durch den Kopf und sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Ihr Lächeln wirkte jedoch ziemlich verkrampft.
Duarte nahm das Handy ans Ohr und meldete sich. Es handelte sich um eines der zahlreichen Prepaid-Geräte, die der große Drogenboss in Gebrauch hatte. Je nach Priorität hatte er die Geräte mit verschiedenen Klingeltönen ausgestattet.
„Duarte aquí! Hóla, que tál?“, meldete sich Duarte und sagte dann dreimal „Sí!“ mit jeweils einer kurzen Pause dazwischen. „Un momento, por favor", fuhr er dann fort, legte das Handy kurz ab und zog sich einen Frotteemantel über. Anschließend warf er einen kurzen Blick in Dolores' Richtung und ging mit dem Handy am Ohr durch die halb offen stehende Glastür, durch die man hinaus auf den großen Dachgarten gelangen konnte.
Dolores hörte noch, wie er sagte: „Entschuldigen Sie, aber mein Spanisch ist nicht mehr das Beste. Schon meine Eltern beherrschten es nicht mehr perfekt, auch wenn sie großen Wert darauf gelegt haben, dass ich es lerne..." Erneut folgte eine Pause. Dolores näherte sich der Tür, um besser mithören zu können. Es ging um eine Lieferung von besonders hoher Qualität, so viel bekam sie mit. Sie nahm an, dass es dabei nur um Kokain gehen konnte.
„Der Preis ist in Ordnung, aber ich möchte vorher eine Probe zur Analyse bekommen. Wir treffen uns übermorgen, sagen wir um genau 22.00 Uhr. Kennen Sie sich im Central Park aus? Es gibt da ein Waldstück, The Rumble genannt. Sie fahren die Transverse Road No. 1 von Osten und biegen nach ca. dreihundert Metern rechts in einen schmalen, unbefestigten Weg ein. Nach exakt dreihundert Metern stoppen Sie. Schauen Sie auf Ihren Tacho."
Duarte unterbrach das Gespräch und wählte eine andere Nummer. „Ruf die Jungs zusammen. Ein Deal liegt übermorgen an und wir werden da noch einige Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen..." In diesem Augenblick bekam Benny Duarte mit, dass Dolores in der Nähe der Tür stand. „Hey, was machst du da! Ist der Schnee nicht in Ordnung oder gibt es sonst was zu meckern?"
Dolores entschloss sich, in die Offensive zu gehen und ganz die Ahnungslose zu spielen. Sie streckte ihre Arme aus und trat hinaus ins Freie. Der Straßenlärm drang aus der Tiefe der New Yorker Straßenschluchten hier herauf, in dieses kleine Paradies über den Dächern von New York.
„Ich fühle mich großartig, Benny!"
Das war nicht einmal gelogen. Nur hatte das einen ganz anderen Grund, als Benny Duarte glaubte. Mit der letzten Nacht hatte das jedenfalls nicht das Geringste zu tun. Eher schon mit dem, es sie so eben gehört hatte.
Greg Tambino würde sich freuen, wenn sie ihm diese Neuigkeiten mitteilte.
Einen Augenblick schien Benny Duarte Misstrauen geschöpft zu haben, aber der Blick auf ihre Brüste besänftigte ihn.
„Wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?“, fragte er.
„Mantigo.“
„Dolores Mantigo? Klingt hübsch. Soll ich dir was sagen? Im Buena Vista herumzuhopsen ist doch kein Job für dich.“
„Und was wäre die Alternative?“
Duarte grinste. „Kannst du dir das nicht denken?“
14
Zwei Stunden später traf sich Dolores Mantigo in einem Coffee Shop in der 37. Straße mit Greg Tambino. Den Treffpunkt hatten sie extra weit außerhalb von East Harlem gewählt. Tambino wartete schon eine ganze Weile auf sie und wirkte ziemlich ungeduldig.
Dolores trug eine Sonnenbrille.
„Hast du etwas zu bieten?“, fragte er.
„Übermorgen um 22.00 Uhr findet ein Deal oder so etwas statt.“
„Was genau?“
„Ich konnte nicht alles verstehen. Es scheint so, als sei Duarte mit einem neuen, sehr preisgünstigen Kokainlieferanten in Kontakt gekommen. Er will erstmal eine Probe nehmen, um die Qualität beurteilen zu können.“
„Wo treffen sie sich?“
„Das sage ich dir, wenn ich das Geld habe.“
Tambino knurrte vor sich hin, nahm seine Geldbörse heraus und zählte tausend Dollar ab.
„Das reicht in diesem Fall nicht“, sagte Dolores.
„Hast du unsere Abmachung vergessen?“
„Nein. Aber du kannst ja zusehen, ob du dieselbe Information irgendwo preiswerter bekommst!“
Tambino nahm noch ein Bündel Scheine aus der Brieftasche und legte sie auf den Tisch. „Das müsste reichen! Schließlich wird Duarte ja wohl auch ziemlich großzügig zu dir gewesen sein, oder?“
„Wie man’s nimmt…“
„Gibt es eine Möglichkeit, dass du Benny Duarte öfter siehst?“
Dolores Mantigo atmete tief durch. „Er hat mir so etwas wie einen Job als Betthäschen bei ihm angeboten.“
„Falls du noch nicht zugesagt hast, wirst du das nachholen.“
Sie hob die Augenbrauen. Ein spöttisches Lächeln spielte um die Mundwinkel der jungen Frau. „Warum sollte ich das tun? Er ist ein grober Kotzbrocken. Ohne einen kräftigen Zug Schnee in der Nase hält das kein Mensch aus!“
„Was Schnee angeht, bist du bei Duarte doch an der Quelle. Hör zu, wenn die Probe zufrieden stellend war, wird es eine zweite, größere Lieferung geben. Du musst herausfinden wo und wann die übergeben wird.“
„Was hast du vor, Greg?“
„Denkst du nicht, dass wir beide einen Platz an der Sonne verdient haben? Die zweite Lieferung wird Duarte zum Verhängnis werden.“
„Wie willst du das anstellen?“
„Ich werde gar nichts tun – außer vielleicht meine Kontakte zum FBI spielen zu lassen. Die G-men erledigen das für uns. Aber da brauche ich mehr, als nur eine kleine Probelieferung, um Duarte für immer verschwinden zu lassen.“
Dolores