Dr. Reinhold Goldmann

Ragins Weg


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kann eine „Wahrheitstabelle“ aufgestellt werden:

      Beispiel:

      Ein Banktresor benötigt genau zwei richtige Schlüssel, den vom Kunden K und den vom Angestellten A.

      Zum Öffnen benötigt man Schlüssel K und Schlüssel A.

      Ist nur ein Schlüssel falsch, so kann der Tresor nicht geöffnet werden.

      Ein weiteres Beispiel zur Konjunktion:

      Betrachten wir folgende Aussagen X und Y.

      Bei einer „oder-Verknüpfung“ X ∨ Y, einer Disjunktion, liegt genau dann eine falsche Aussage vor, wenn sowohl X als auch Y falsch sind. Andernfalls ist die Verknüpfung wahr:

      Beispiel:

      Ein Kind, dessen Eltern aus unterschiedlichen Staaten stammen, kann eine oder zwei Staatsbürgerschaften annehmen.

      Es ist genau dann staatenlos, also „falsch“, wenn es keine der beiden Staatsbürgerschaften annimmt.

      Betrachten wir noch einmal die beiden Aussagen X und Y:

      Aristoteles hat noch weitere logische Verknüpfungen eingeführt, die sich auch beliebig kombinieren lassen, deren Erläuterungen jedoch den Rahmen dieses Buchs sprengen würden.

      Aristotelische Ideen zur Form der Erde

      Zur Bestimmung des Erdumfangs legte Aristoteles einige Anhaltspunkte fest.

      Dazu gab er drei Indizien für eine Kugelform der Erde an:

      1. Schiffe tauchen am Horizont zuerst mit der Mastspitze auf.

      2. In südlichen Ländern erscheinen südliche Sternbilder höher über dem Horizont.

      3. Der Erdschatten ist bei einer Mondfinsternis immer rund.

      Aristoteles‘ Werke gelten noch heute als grundlegende Literatur. Sie prägten die Philosophie sowie die Denkweise der modernen Zeit. Seine Naturlehre, also seine Schlüsse über die Verbindung von Mensch und Natur, gelten als überaus fortschrittlich für die damalige Zeit.

      Eratosthenes und der Erdradius

      Wie erwähnt, war auch Eratosthenes von Kyrene (276 – 194 v. Chr.) ein Vorbild für Ragin, da jener unter anderem die von Aristoteles vermutete Kugelform der Erde exakt beweisen konnte.

      Eratosthenes war ein Freund von Aristoteles und ebenso vielseitig interessiert wie dieser. Von Ptolemäus III. wurde ihm die Leitung der Bibliothek von Alexandria übertragen. Dadurch hatte er direkten Zugang zur vorhandenen Literatur und damit auch über bereits geäußerte Theorien zur Form der Erde.

      Für die Messung des Erdumfangs nahm Eratosthenes an, dass die ägyptischen Städte Alexandria und Syene (das heutige Assuan) auf demselben Meridian (Längengrad) liegen (Abb. Seite 61).

      Der Abstand zwischen zwei von Eratosthenes festgelegten Messpunkten in den beiden Städten betrug nach seiner Kenntnis 5000 Stadien.

      Die Länge eines Stadions schwankte jedoch im antiken Griechenland deutlich. Die Historiker geben heute eine ungefähre Länge von 160 Meter für ein Stadion an.

      Eratosthenes stellte an beiden Orten ein Gnomon auf, eine innen mit einer Gradeinteilung ausgestattete metallene Halbkugel mit einem senkrechten Zeiger zur Ablesung des entstehenden Schattens.

      Die Messung der Sonnenhöhe über dem Horizont wurde mit diesen Geräten am Tag der Sommersonnenwende mittags durchgeführt.

      Bildquelle: LEIFIphysik

      In Syene warf der Schattenzeiger keinen Schatten, weil die Sonne dort genau im Zenit stand.

      In Alexandria bildete die Sonne zu diesem Zeitpunkt einen Winkel von 7,2°.

      Daraus errechnete Eratosthenes den Erdumfang u über die Verhältnisgleichung . Nach Lösung dieser Gleichung erhält man u = 250.000 Stadien.

      Auch in der modernen Literatur wird ein Stadion mit unterschiedlicher Länge angegeben. Um einen möglichst zutreffenden Erdumfang zu erhalten, soll hier die Länge eines Stadions mit den häufig genannten 160 Metern angenommen werden. Auf diese Weise errechnet sich ein Erdumfang von 40.000 km, was dem heute berechneten Wert der Äquatorlänge von ungefähr 40.075 km überraschend gut entspricht.

      Lange Zeit gab es im antiken Olympia als einzige Sportart nur einen Wettlauf über die Länge des dortigen Stadions, das 192,27 Meter lang war.

      Hätte Eratosthenes diese Stadionlänge gewählt, so ergäbe sich eine Länge von 48.067,5 km für den Erdumfang. Diese Zahl entspräche zwar dem genauen Wert nicht mehr so gut, wäre aber dennoch ein, für die damalige Zeit erstaunliches Ergebnis gewesen.

      Damit ist nebenbei gezeigt, wie wichtig einheitliche Maße sind.

      Erst 1791 wurde in Frankreich mit dem „Meter“ eine universelle Längeneinheit eingeführt, die dem zehnmillionsten Teil der Strecke vom Nordpol zum Äquator entsprach.

      Trotz der wohl nur schwer widerlegbaren Berechnungen von Eratosthenes, mit denen er vor über 2200 Jahren die Kugelform der Erde bewies, gibt es tatsächlich noch immer Menschen, welche noch heute glauben, dass die Erde eine Scheibe sei: Die „Flat Earth Society“.

      Wissenschaft ist allerdings keine Glaubensrichtung, sondern erklärt die Welt über exakte Berechnungen und experimentelle Nachweise.

      Das Sieb des Eratosthenes

      Ein weiteres großartiges Verfahren des genialen Denkers Eratosthenes ist das noch heute in den Schulen gelehrte „Primzahlensieb“, welches nach ihm benannt wurde.

      Eine Primzahl besitzt definitionsgemäß genau zwei Teiler (sich selbst und die Zahl 1). Aufgrund dieser Definition ist die Zahl Eins keine Primzahl, da sie nur einen Teiler aufweist.

      Eratosthenes legte eine Zahlentabelle an, bei der zuerst alle Vielfachen der Zahl Zwei gestrichen werden. Anschließend streicht man alle Vielfachen von Drei, dann die Vielfachen von Fünf, daraufhin die Vielfachen von Sieben und schließlich die Vielfachen aller bis dahin nicht gestrichenen Zahlen: 11, 13, 17 usw.

      So bleiben die Primzahlen in den nicht durchgestrichenen Feldern übrig. Die Eins wurde ohnehin nicht berücksichtigt.

      Eratosthenes als Philologie

      Eratosthenes leitete ungefähr ein halbes Jahrhundert lang die Bibliothek von Alexandria. Mit ihrer hervorragenden Ausstattung bot ihm die Bibliothek ausgezeichnete Arbeitsbedingungen.

      Als erster antiker Gelehrter bezeichnete sich Eratosthenes als „Philologe“. Darunter verstand er jedoch nicht nur Beschäftigung mit Sprach- und Literaturwissenschaft, sondern in einem allgemeineren Sinne eine vielseitige Gelehrsamkeit.

      In der Antike fanden Eratosthenes‘ philologische Arbeiten große Beachtung. Sein philologisches Hauptwerk trug den Titel „Über die Alte Komödie“, worin er sprachliche Phänomene, Wörter und Ausdrücke untersuchte.

      Den Schilderungen der Dichter billigte er allerdings keinen Wahrheitsgehalt zu, da ihr Ziel nur Unterhaltung und nicht Belehrung sei.

      In weiteren Schriften befasste sich Eratosthenes mit Handwerkskunst, Haushaltsgeräten und Homers Ilias.

      Euklid