gut. Die Unterrichtseinheiten waren spannend. Es ging um BWL und VWL, aber auch um Selbstpräsentation und Sozialverhalten. Wir lernten uns zu vermarkten und uns selbst darzustellen, und darin war ich besonders gut. Leider stand für mich ziemlich schnell fest, dass der wichtigste Teil des Studiums, und zwar die Ausbildung in einem Eventbetrieb, nicht für mich als lebenslange Beschäftigung in Frage kam. Der Beruf des Managers besteht zu 80% aus einem Bürojob, in dem man nine to five in einem Büro sitzt und E-Mails beantwortet, Gutscheine ausfüllt oder Zahlen dreht, und 20% bestehen aus dem aktiven Vorbereiten eines Events und Kundengesprächen, bei denen ich allerdings kein einziges Mal dabei sein durfte. Ich ging ein mit dieser Arbeitsweise. Es langweilte mich. Ich machte aus Langeweile mehr und mehr Fehler und wurde immer müder und unzuverlässiger. „Absolut falscher Job Gwendolin!“, dachte ich und zack war ich wieder exmatrikuliert. Ich merkte übrigens schon damals, dass meine Energie nicht in ihrem Zenit stand. Aber gut, das tat sie ja schon seit meiner Rücken- und Reizdarmgeschichte in der 10. Klasse nicht mehr.
Nach Beendigung des Studiums vergingen keine zwei Wochen, bis ich mit einer Erleuchtung aufwachte. Ich weiß, es klingt schräg, aber es war eben nicht einfach ein Traum oder eine Idee, sondern es ging mir wirklich ein Lichtlein auf. „Ich will Grundschulpädagogik studieren!“ Das ist das Richtige für mich, dachte ich. Ein bisschen studieren und dann dafür sorgen, dass Kinder nicht völlig demotiviert in die weiterführende Schule kommen. Frag mich nicht, warum ich von dieser Eingebung damals so begeistert war. Jetzt fühlt es sich ganz stark so an, als hätte ich mit dieser Idee einfach meine Träume begraben und mich für etwas entschieden, was vielleicht nicht ganz so anstrengend ist wie an einer Schauspielschule genommen zu werden. Ich habe schlicht und ergreifend tiefgestapelt. Das soll nun nicht heißen, dass ich den Beruf des Lehrers nicht wertschätze, nein, im Gegenteil, er ist verdammt wichtig, aber eben nicht das, was mich ausfüllen würde. Schon als Kind fand ich Kinder eher anstrengend. Ich habe mich immer lieber mit Erwachsenen umgeben. Erwachsene können auch anstrengend sein, aber ihnen kann man wenigstens sagen, dass sie für ihr Leben selbst verantwortlich sind. Bei Kindern geht das nicht so einfach. Ich schrieb mich also in Bayern für Grundschulpädagogik ein, weil dort der NC deutlich niedriger war als in Sachsen. Ich bekam tatsächlich einen Platz in Regensburg. Das Studium brach ich dann aus CFS-Gründen aber nach nur einem Semester wieder ab.
Wie es dann mit mir weiterging, erfahrt ihr im Kapitel „Mein CFSVerlauf“. Aber bevor ich zu meiner eigenen Geschichte komme, möchte ich gerne erst mal beleuchten, was dieses mysteriöse CFS überhaupt ist.
„Einem CFSler zu sagen, er soll sich nicht so haben und einfach seine ‚Müdigkeit‘ überwinden, ist in etwa das Gleiche wie einem querschnittsgelähmten, im Rollstuhl sitzenden Menschen zu sagen, er solle jetzt trotzdem aufstehen und einen Marathon laufen.“
DATEN UND FAKTEN ZU CFS
Wer sich selbst einen Überblick zum Thema CFS verschaffen will, der kann sich gerne mal auf den Webseiten www.mecfs.de und www.faitgatio.de umsehen. Mein Wissen über die Daten und Fakten habe ich unter anderem von diesen Seiten und aus den darin gelisteten Studien.
Geschichte
Die ersten Fälle der immer noch sehr unbekannten Krankheit wurden in den 30er Jahren notiert. Im Nachhinein bekam sie den Namen „Epidemic Neuromyasthenia“ (Neuro = Gehirn, Myasthenie = Muskelschwäche).
Seither tritt der Erschöpfungszustand immer häufiger auf und obwohl die Krankheit eine längere Geschichte aufweist, als man denken würde, ist das Verständnis sowohl auf der gesellschaftlichen als auch auf der wissenschaftlichen Ebene ziemlich klein geblieben.
Begriffserklärung ME/CFS
Der Begriff „Myalgische Enzephalomyelitis“ (ME) wurde erstmalig in den 50er Jahren nach einer Epidemie im Royal Free Hospital in London geprägt. Damals erkrankten mehrere hunderte Menschen an einer Art Fieber mit unerklärlichen Schmerzen und neurologischen Erscheinungen. Der Begriff setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern Myalgie, Muskelschmerz, und Enzephalopathie, „Gehirnleiden“ (griechisch: enképhalos, „Gehirn“, altgriechisch: pátheia, „Leiden“). Im Jahr 1988 wurde in Amerika nach einer ähnlichen Epidemie der Begriff Chronic Fatigue Syndrome (CFS) entwickelt.
Der Unterschied zwischen beiden Begriffen besteht darin, dass bei ME die Myalgien, also die Muskelschmerzen vorhanden sein müssen. CFS hingegen ist ein gröberer, aber auch umfassenderer Begriff und wird im Sprachgebrauch gerne verwendet, weil er einfacher zu erklären, zu merken und auszusprechen ist. Doch Betroffene und Ärzte sind sich über die Verwendung der Begrifflichkeit nicht einig. ME ist etwas spezifischer und wird allein durch die medizinische Begrifflichkeit ernster genommen. Er ist aber leider nicht umfassend genug.
CFS, zu Deutsch chronisches Erschöpfungssyndrom, ist der allgemeine Begriff für alle Menschen, die unter einer schweren Erschöpfung mit physischen und kognitiven Einschränkungen leiden, die über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten anhalten. Leider wird der Begriff CFS sehr schnell mit einer psychischen Erkrankung wie Burnout verwechselt und ist deshalb auch nicht optimal. 2015 wurde noch der Begriff Systemic Exertion Intolerance Disease (SEID) diskutiert. Übersetzt heißt das so viel wie „Belastungs-Intoleranz-Erkrankung“ Wenn ihr mich fragt, viel zu kompliziert und viel zu oberflächlich. Als hätte man mit CFS eine Allergie gegen Sport oder so. Außerdem treten die Empfindungen ja nicht nur während oder nach Belastung auf, sondern auch im Ruhezustand. Deshalb unangemessen. Mittlerweile wird häufig der Kombinationsbegriff ME/CFS verwendet. Den finde ich gut, aber ich verwende trotzdem gerne das Kürzel CFS, denn ich bin der Meinung, wir brauchen keine schlimm klingende Bezeichnung für die Erkrankung, um ernst genommen zu werden. Viel wichtiger ist, dass die Allgemeinheit besser über CFS Bescheid weiß.
Ich weiß, dass viele Betroffene das anders sehen und eine Bezeichnung vorziehen, welche die Schwere der Krankheit mehr hervorhebt, weil sie sich hilflos und nicht gehört fühlen, und das kann ich sehr gut nachvollziehen. Dennoch glaube ich nicht, dass die Begrifflichkeit so viel an der Glaubhaftigkeit ändern wird. Kaum einer, dem man von ME/CFS erzählt, kann etwas mit dem Begriff Myalgische Enzephalomyelitis anfangen. Also muss man sich am Ende doch erklären und dann wird man feststellen, dass das Gegenüber trotzdem keinen Plan hat, was die Krankheit bedeutet und wie es einem damit wirklich geht. Deshalb habe ich mir die Mühe mit der Begriffserklärung gar nicht erst gemacht. Die Menschen, denen ich wichtig bin, haben sich über meinen Zustand informiert und mir zugehört. Jedem anderen wäre es egal gewesen, ob ich nun ME oder CFS gesagt hätte, geglaubt hätten und haben sie mir so oder so nicht.
Definition
Seit 1969 wird ME/CFS von der World Health Organisation (WHO) als neuroimmunologische Multisystemerkrankung anerkannt. Dies ist eine große Entlastung für alle Betroffenen, denn es verringert die Fehlinterpretation und Fehldiagnostik des Zustandes als psychische Erkrankung. Die Symptomatik erstreckt sich über eine riesige Bandbreite von Empfindungen und kann von Person zu Person variieren.
Der Zustand bringt eine starke körperliche und kognitive Erschöpfung bzw. Beeinträchtigung mit sich. Auch der Schweregrad ist von Person zu Person unterschiedlich und kann sich im Krankheitsverlauf einer Person verändern.
Die Symptomatik muss mindestens sechs Monate Bestand haben, um diagnostiziert zu werden.
Diagnosekriterien
- 6 Monate anhaltende Symptome
- bleierne Erschöpfung
- Post Exertional Malaise (PEM) (Verschlimmerung nach Anstrengung)
- Symptome des zentralen Nervensystems
- immunologische Symptome
- neurologische/neurokognitive Symptome
- nicht erholsamer Schlaf
- orthostatische Intoleranz (Unfähigkeit des Blutdruckes, sich anzupassen)
- Schmerzen
Schweregrade
Leicht: 50-prozentige Verminderung des Aktivitätsniveaus