Jürgen Wiener

Mein Amerika


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hin und bis dahin würde sich schon manches von alleine regeln.

      Es kehrte Frieden in meiner Seele ein, hatte ich doch jetzt einen klaren Weg vor mir, vom Maschinenbauer zum Ingenieur zu avancieren.

      Es galt nur noch eine Kleinigkeit zu regeln, nämlich meiner Freundin meine Pläne nicht nur mitzuteilen, sondern sie auch noch davon zu überzeugen.

      Ich hatte zwischenzeitlich die fehlende Werftlehre, die erforderlich war, um diese Ausbildung zu machen, durch eine einjährige Tätigkeit in einer Schiffspumpenfirma in Bremen kompensiert und es war der Sommer 1962, als es ernst wurde. Ich war in diesem Sommer heimlich 3 Wochen mit meiner Freundin nach Österreich gefahren, um ihr nochmals meine Liebe zu beteuern und ihr beizubringen, dass die Trennungen ja nur von kurzer Dauer seien und einer Liebe wie unserer nichts anhaben könnten.

      Ich hatte mich zwischenzeitlich beim Norddeutschen Lloyd als Ingenieurassistent beworben, einen Vorstellungstermin gehabt und auch schon die Zuweisung eines Schiffes, dass in Kürze in Hamburg einlaufen würde und auf dem ich dann anheuern sollte.

      Meine Freundin und ich machten dann unmittelbar vor der Anmusterung auf dem Schiff an einem stürmischen Sonntag einen Tagesausflug nach Helgoland mit einem Seebäderschiff, um meine Seestandfestigkeit nachzuweisen. Diese Probe habe ich im Gegensatz zu meiner Freundin mehr schlecht als recht überstanden. Ihr ging es so dreckig, dass sie sich auch nach dem Ausbooten an Land noch übergeben musste. Nun hatte sie eigentlich gar nichts mehr für meine neue Berufswahl übrig und fragte mich nur, ob ich mir das alles richtig überlegt hätte, was ich bejahte.

      Im August 1962 kam dann der Tag, Tschüss zu sagen und nach Hamburg zu fahren und auf der MS Saarstein anzuheuern.

      Als ich an Bord kam, erfuhr ich dann auch die anstehende Reiseroute unseres Schiffes: Es war die sogenannte Golf-Reise, also der Golf von Mexiko, und somit ging es das erste Mal in meinem damals knapp 20-jährigen Leben nach Amerika. Ich war glücklich und gespannt.

      Kapitel 5. Endlich die erste Reise nach Amerika

      Das Schiff, auf dem ich anheuerte, war die MS Saarstein (zur Erklärung: Schiffe sind immer weiblich und daher „die“); die Rundreise Deutschland/USA/Deutschland sollte ca. 2 Monate dauern und wird von Insidern als Golftrip bezeichnet (Golf von Mexiko).

      Die folgenden Häfen waren geplant: Miami, Tampa, New Orleans, Houston, Corpus Christie und Bronsville und zurück nach Deutschland.

      Ich hatte natürlich wahnsinnige Erwartungen und konnte es nicht abwarten, dass die Reise nun endlich losging. Die Tage in Hamburg verliefen nur sehr langsam und ich hatte zu lernen, dass es auf solch einem Schiff mit seiner großen Antriebsanlage und den vielen Nebenaggregaten viel zu tun gab.

      Beim Norddeutschen Lloyd – denn das war die Reederei, bei der ich angefangen hatte – wurde täglich nochmals zwei Stunden zugetörnt (für Nichtseefahrer: zwei Stunden extra gearbeitet). Der Sinn dieser Tätigkeit lag darin, die erforderlichen Reparatur- und Wartungsarbeiten durchzuführen, und wenn diese beendet waren, auch durchaus darin, Verschönerungsarbeiten durchzuführen, wozu auch die von mir so "geliebte" Tätigkeit des Messingputzens gehörte. So eine Anlage hatte verdammt viel Messing und Kupferleitungen und die mussten blinken. Das war übrigens das erste Mal, dass ich die Richtigkeit meiner Entscheidung in Frage stellte und mit zunehmender Zeit immer mehr in Frage stellte, da dies auch zum Teil in Schikane ausartete.

      Die Arbeitszeit auf dem Schiff für uns Ingenieurassistenten wurde in Wachen aufgeteilt, d.h., regulär 4h Wache, 4h Freizeit und in diesem Rhythmus eben 3x am Tag dieser Wechsel. Die

      Wachen nannten sich 0-4 Wache (die sogenannte Hundswache), 4-8 Wache (die vielleicht angenehmste Wache) und die 8-12 Wache (ebenfalls angenehm).

      Es war gleichzeitig auch eine gute Gelegenheit, die Nachbarstadt Hamburg, in der ich seit meinen Schultagen nie wieder gewesen war, kennenzulernen. Ich entdeckte hier für mich nicht weit von unserem Liegeplatz entfernt, die River Kasematten, in denen seinerzeit jeden Tag eine andere Life-Jazzband spielte und ich als Liebhaber des Jazz einige Male hinging, spätere Hamburg-Aufenthalte eingeschlossen.

      Es war schon erstaunlich, dass ich als echter Bremer "Jung" bei einer Bremer Reederei angefangen hatte und nun nicht von Bremen, sondern von Hamburg aus zu meiner ersten Reise antreten musste. Auf jeden Fall war es soweit, der Tag des Auslaufens war gekommen.

      Wir waren irgendwie noch auf der Außenelbe mit Landsicht und nicht schon in der Nordsee und ich hatte gerade Wache und machte meine Rundgänge in der Maschine, als ich mich im Wellentunnel aufhielt und ein leichtes Unwohlsein sich in der Magengegend einstellte. Ich dachte so bei mir, dass es doch nicht sein konnte, dass ich noch auf der Elbe bereits seekrank war – das durfte ich natürlich keinem erzählen, weil ich das schrecklich peinlich und unmännlich fand, bereits so früh mich übergeben zu müssen. Aber die Natur machte auch vor einem 182 cm großen und 86 kg schweren jungen Mann wie mir nicht halt und wenige Minuten nach den ersten Anzeichen ergoss sich ein Teil meines Mageninhaltes in den Wellentunnel. Da es ganz achtern im Schiff war (Übergang der Antriebswelle zur Schraube), mit dem sogenannten Versaufloch, konnte ich mich entleeren, ohne dass es jemand bemerkt hätte und ich meine Schweinerei entfernen musste.

      Der wachhabende III. Ingenieur, der die Wache leitete, stellte nur lakonisch fest, dass ich ein bisschen blass um die Nase sei, und fragte, ob ich seekrank sei, denn er wusste, dass es meine erste Seereise war. Das lehnte ich schon fast empörend ab und gab auf keinen Fall zu, dass ich seekrank war, da ein Mann keine Schwächen zeigen durfte (typische Denkweise dieser Zeit).

      Die Seekrankheit hielt noch während der verbleibenden Wache an und ich war dankbar, als ich dann frisch geduscht in mein Bett kriechen konnte und die inzwischen erheblich stärkeren Schwankungen des Schiffes liegend relativ unproblematisch ertragen konnte.

      Die Reise ging dann noch über Rotterdam und Antwerpen weiter, bevor wir durch den englischen Kanal Kurs Richtung Süd-Westen nach Amerika nahmen.

      Nach ca. 10 Tagen auf See erreichten wir in der Dunkelheit die Ostküste der USA und wir näherten uns unserem ersten Hafen Miami im Bundesstaat Florida.

      In meiner Freiwache ging ich an Deck und konnte nicht genug von der Neon-Reklame und der gesamten Wahnsinns-Illumination bekommen. Es war wohl eben doch eine andere Welt, die ich hier vor die Augen bekam.

      Wir hatten in Miami festgemacht und meine erste Enttäuschung war, dass wir weitab der Stadt lagen, so dass ich einen ausgedehnten Landgang nicht ins Auge fassen konnte, zumal wir nur eine sehr kurze Liegezeit hatten. Dennoch waren Leuchtreklamen unweit des Schiffes zu sehen, die mich anmachten mit dem Gedanken, ein schönes Bier zu zischen. Aber wie es im realen Leben ist: erst die Arbeit und dann das Vergnügen.

      Die Probleme begannen mit den umfangreichen Zoll- und Immigrations-Überprüfungen. Es wurde kontrolliert, ob Leute krank waren, ob alle Impfungen durchgeführt worden waren, ob es Geschlechtskrankheiten in den Familien gegeben hatte, ob irgendwelche engeren Familienangehörige schon mal in den USA gewesen waren und sich möglicherweise was zu Schulden kommen lassen hatten etc.

      Zum Schluss kam noch die obligatorische Nacktkontrolle, d.h., jeder Einzelne musste sich nackt vor einem Mediziner zeigen, damit dieser sein Final Ok for the Entry of the USA geben konnte. Ich bin kein Mediziner, habe aber nie in Erfahrung bringen können, wozu dieses Ritual diente. Dies ist mir und meinen Kollegen bei meinen diversen Amerikareisen während der Seefahrtszeit im amerikanischen Erst-Anlaufhafen immer wieder aufs Neue passiert. Aber irgendwann waren auch diese Einreisetorturen überstanden.

      Damals hatte es ja noch nicht einen solch geballten Personenreiseverkehr zwischen den Kontinenten gegeben wie heute, wo viele Menschen aus armen Ländern versuchen, in die reichen Länder illegal einzureisen. Ich habe mir damals keine großen Gedanken darüber gemacht, warum die Amerikaner so streng in der Handhabung ihren Einwanderungsregeln waren. Heute weiß ich, dass die USA grundsätzlich nur gut ausgebildete Leute haben wollte, die entweder geistig/wissenschaftlich tätig sein wollten oder im Land investieren und Arbeitsplätze schaffen wollten.

      Des Weiteren wird 50.000 Menschen aus aller Welt jedes Jahr nach einem Losverfahren die Einreise in die USA gewährt. Diese Leute sollen keinen kriminellen Hintergrund haben und gesund