ihre neue Heimat aufsaugen.
Man darf einem Amerikaner so ziemlich alles an den Kopf werfen, er bleibt gelassen und offen für jede Diskussion, aber man darf niemals die Würde, die Ehre und seinen Nationalstolz in irgendeiner Form verletzen. Dies führt unweigerlich zu Ärger und Problemen.
Wenn ich persönlich mal versuche, einen großen zeitlichen Bogen zu schlagen, dann kann ich das Verhalten der Amerikaner im Umgang mit Fremden verstehen und auf ihren Nationalstolz bin ich immer schon ein wenig neidisch gewesen.
Ein weiteres Problem kam auf mich zu bei den persönlichen Befragungen durch die Immigration, Damals war Englisch zwar auch schon die Weltsprache, ich hatte als Volksschüler aber nur wenig Schulenglisch gehabt und das lag auch schon wieder einige Jahre zurück.
Davon abgesehen hatte die Sprache, die ich auf einmal hörte, nicht viel Ähnlichkeit mit dem, was uns unsere brave Englischlehrerin versucht hatte, beizubringen. Es lief darauf hinaus, dass ich eigentlich so gut wie nichts verstand und ich einen Dolmetscher benötigte, der durch unseren für die Immigration zuständigen Offizier aber ohnehin dabei war.
Vor Ankunft in den USA musste man sich den gewünschten Dollarbetrag auszahlen lassen, der für das gesamte Schiff per Telegramm vom Agenten der Reederei besorgt und dann auf dem Schiff entsprechend ausgezahlt wurde.
Es gab noch keine Satelliten, keine Computer, keine Handys, keine E-Mails und keine SMS. Die große Frage war: Wie viel Dollar brauchte man und wie viel konnte man sich bei seinem kleinen monatlichen Einkommen überhaupt leisten? Was kostete ein Taxi, was kostete ein Bier oder was auch immer man vielleicht kaufen wollte?
Der Umtauschkurs lag damals bei ca. 4: 1, was die ganze Aktion nicht leichter machte, zumal ich vor Antritt der Reise einen Ziehschein festgelegt hatte. Der Ziehschein betraf die
Geldsumme, die von der Reederei in Deutschland direkt auf mein Konto überwiesen wurde und die finanziell mein Studium sichern sollte.
Am nächsten Tag hatte ich zum Abend ein paar Stunden frei und erinnerte mich an die schönen bunten Lichter nicht weit vom Ende der Pier entfernt.
Wegen der paar Dollar, die ich bestellt hatte, und auch aus Angst, mich mit einem Taxifahrer über den Fahrpreis streiten zu müssen, in einer Sprache, die mir in der angewandten Form fast fremd war, ging ich gemeinsam mit ein paar Kollegen los. Ich betrat das erste Mal in meinem Leben im September 1962 mein Amerika.
Mein Amerika war aber zunächst mal eine Betonpier, an dem unser Schiff, die MS Saarstein, festgemacht hatte.
Es war so die Spätsommerzeit, in der es in dieser subtropischen Region meistens tierisch warm und noch tierischer feucht war (zwischen 30-38 °C und 85-100 % Luftfeuchtigkeit). Das Gute war, dass man nur einmal schwitzte und zwar dauerhaft. Ausgenommen waren hiervon natürlich die herrlichen klimatisierten Bars, in denen man so herrliche eisgekühlte Getränke kaufen konnte und die wir ja in Kürze erreichen würden.
Auf dem Weg zur nächsten Bar machte ich noch direkte Bekanntschaft mit einer Spezies, die wir in unseren Breitengraden, zumindest nicht in dieser Größe, kennen. Ich hatte die schnellen Flitzer auf dem Boden natürlich schon zur Kenntnis genommen und mich auch bemüht, jeden direkten Kontakt zu vermeiden. Meine Kollegen informierten mich, dass das nur Kakerlaken seien, in Florida waren sie nur ein wenig größer.
Auf dem unaufhaltsamen Weg zur nächsten Bar passierte, was kommen musste: Es gab ein entsetzliches Knirschen unter meinem Fuß und ich hatte die erste Kakerlake meines Lebens, natürlich ungewollt, besiegt. Ich schüttelte mich vor Ekel und für einen Moment bekam ich trotz der klimatischen Umstände eine Gänsehaut.
Wir marschierten weiter Richtung Neonlichter, die auch immer näherkamen, und nach einem langen Fußmarsch standen wir wirklich vor einer Bar und betraten diese, zunächst auch wieder mit einem Schock, weil die Klimaanlage so entsetzlich kalte Luft aus allen Rohren blies, dass das Schwitzen innerhalb kürzester Zeit aufhörte und ich anfing zu frieren.
Das hätte ich aber auch gerne in Kauf genommen, wenn ich denn ein Getränk bekommen hätte.
Ich wusste nicht, dass man in amerikanischen Bars erst mit 21 Jahren Zutritt erhält. Es kam, wie es kommen musste, die Bardame verlangte meinen Reisepass, den ich wegen meines Alters nicht zeigen wollte, und ich glaubte stattdessen, mit einem John Wayne Blick den Pass kompensieren zu können. Die Bardame war aber weder von meinem Blick beeindruckt, noch wollte sie mir anstelle eines Bieres eine Cola servieren, sondern sie schmiss mich kurzerhand raus.
Ich latschte enttäuscht zurück zum Schiff und damit hatte mein Amerika einen ersten Kratzer erhalten.
Im November 1963 war ich im Urlaub zu Hause und mit meiner Freundin Rita im Kino. Als wir nach der Vorstellung aus dem Kino kamen, wurden Flugblätter verteilt, mit der Nachricht, dass Präsident J.F.Kennedy in Dallas erschossen worden war.
Wir konnten uns nicht vorstellen, dass dieser junge hoffnungsvolle Präsident einen so tragischen Tod erlitten haben soll. Ich vergoss das erste Mal für Amerika Tränen und war todtraurig über den Tod von JFK.
Kapitel 6. Die „Großen Seen“
Die ersten negativen Erlebnisse mit „meinem Amerika“ wurden abgehakt und ich war fest davon überzeugt, dass ab jetzt nur noch gute Erlebnisse folgen würden, und dies trat auch zu einem erheblichen Teil mit den Große Seen-Fahrten ein.
Ich schildere diese Fahrten neben der ersten Reise nach Amerika, da dieser Teil Amerikas zu den interessantesten und schönsten Gebieten gehört, die ich auf der Welt gesehen und auch sehr häufig befahren habe.
Die verschiedenen Seen-Fahrten führten in unterschiedliche Anlaufhäfen, die an den verschiedenen
5 Großen Seen (Erie, Ontario, Michigan, Huron und Oberer) lagen, aber alle zunächst den gleichen Zugang hatten, den mächtigen St.Lorenz-Strom.
Der St.Lorenz-Strom stellt die Verbindung zwischen dem Atlantik und den Großen Seen dar und bildet mehr oder weniger durchgängig die natürliche Grenze zwischen den USA und Kanada.
Auf der USA-Seite sind in diesem Bereich keine aufregenden Städte am Strom. Ganz anders sieht es auf der kanadischen Seite aus. Auf der Reise vom Atlantik zu den großen Seen durchkreuzt man auf kanadischer Seite die Provinz Quebec, die gleichermaßen auch Namensgeber der Stadt ist, und auch die Stadt Montreal.
Der Name Quebec lässt schon die französische Vergangenheit erahnen und der französische Einfluss ist auch in beiden Städten unübersehbar. Es wird hier als erste Sprache Französisch und erst an zweiter Stelle Englisch gesprochen. Es hat sogar schon Versuche gegeben, sich von dem englischsprachigen Teil Kanadas zu trennen und einen eigenständigen Staat zu proklamieren.
Dieses Ansinnen ist jedoch im Keim erstickt worden und aus meiner Sicht wäre es auch sehr schade gewesen, dieses große und stolze Kanada zu teilen.
Der erste Mensch, der auf dem Fluss ins Landesinnere vorstieß, war der Franzose Jacqes Cartier im Jahre 1535.
Hinsichtlich seiner Abmessungen, zumindest bis Montreal, erinnert der Strom eher an ein eigenständiges Meer als an einen Fluss. Daher scheint der Name der Mohawk-Indianer, Kaniatarowanenneh = goßer Wasserweg, besonders gut zutreffend.
Je nach Quelle bzw. Endpunkt wird die Länge sehr unterschiedlich definiert. Die kürzeste Länge ergibt sich mit 560 km vom östlichen Ende des Ontariosees bis in die Nähe der Stadt Quebec, da ab hier das Wasser salzhaltig wird (der Rest wird eben dem Meer zugerechnet).
Die nächste, aus meiner Sicht zutreffende Länge ergibt sich mit ca. 1200 km und umspannt den Fluss von seiner Mündung bei der Insel Anticosti bis zum Ontariosee.
Es gibt aber auch Angaben in der Literatur mit ca. 3000 km; dies umspannt den Fluss als Quelle in Lake County, Minnesota (USA) durch die Seen hindurch bis zur Insel Anticosti.
Das Mündungsgebiet des Flusses ist mit 1.030.000 km3 dreimal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland und dieser Fakt beschreibt am besten die Größe dieses Stromes.
Im Strom findet man diverse Walarten bis hin zum Größten aller Wale, dem Blau- und Finnwal.