5 glorreiche Western 3/2020 - Helden, Halunken, Halsabschneider: Sammelband mit 5 Wildwestromanen
mit auf den langen Trail zu nehmen. Schon die bloße Aussicht spornte ihn zu einem Kraftakt an.
Das Erschießungskommando ließ sich Zeit. Fast eine Minute dauerte es, bis fünf Rurales mit leeren Gesichtern in den kleinen Hof marschierten und sich auf ein Kommando ihres Offiziers in einer Reihe aufstellten. Vergangene Nacht war dieser Offizier noch Beisitzer im Schnellgerichtsverfahren gewesen.
Jetzt holte er mit theatralischer Geste eine Papierrolle hervor und verlas das vierfache Todesurteil, als stünde er vor einem Publikum auf der Bühne.
Sarto Singal war jede Verzögerung recht.
Aufatmend nahm er wahr, dass die Rurales zuerst auf Lopez anlegten, und der stand am anderen Ende der Reihe.
Die Männer des Pelotons waren mit altmodischen Vorderladern ausgerüstet. Sarto Singal kannte die Waffen, die lange von der mexikanischen Armee verwendet worden waren.
»Feuer!«, brüllte der Offizier, und sein Säbel zischte durch die Luft.
Ein ohrenbetäubendes Krachen füllte den kleinen Hof. Beißender Pulverqualm stieg auf.
Die Männer des Erschießungskommandos warteten ihre Befehle ab. Auf Kommando luden sie die vorsintflutlichen Kracher nach.
Sie brauchten lange dazu, und trotzdem ging es Sarto Singal viel zu schnell.
Er schaute hinüber zum äußeren Pfahl. Ein blutiges Bündel hing in den Stricken, nicht mehr als der Bandit Lopez zu erkennen.
Das grausame Zeremoniell wiederholte sich.
Sarto Singal hatte inzwischen einen dieser Stricke durchgerieben. Er verbiss ein grimmiges Grinsen und zwang sich zu klarem Denken, auch wenn in seinem Schädel das Chaos ausgebrochen war.
Er wusste nur, dass er von diesem verfluchten Pfahl loskommen wollte. Danach würde er weitersehen.
Die Hinrichtungen hatten außer dem kommandieren Offizier keine weiteren unmittelbar beteiligte Zeugen. Der Mann hatte sie weggeschickt, als es zur Sache ging. Es war ja auch kein Schauspiel für Neugierige.
Zum dritten Mal fuhr blitzend der Säbel herab, und nur Sarto Singal lebte noch.
Aus seinen schweißverklebten Augen musterte er die Männer des Pelotons. Pulverdampf lag dicht wie Nebel zwischen ihnen. Er konnte sie nur schemenhaft wahrnehmen. Und er wusste, dass es den Schützen nicht anders erging.
Umständlich setzten sie ihre unförmigen Vorderlader ab, warteten auf das Kommando »Ladestock aufnehmen!«, als Sarto Singal plötzlich keine Fesseln mehr spürte.
Mit einem Zirpen war der letzte Hanfstrang gerissen. Die Männer des Erschießungskommandos bekamen davon nichts mit.
Da stürmte Singal los.
Er hechtete gegen den Offizier, und ehe der noch einen überraschten Ruf ausstoßen konnte, hatte Singal ihm schon beide Fäuste ins Gesicht gerammt.
Er gab den Offizier nicht frei, sondern zupfte ihm den Colt aus der offenen Halfter. Den Säbel entwand er ihm, sprang wie ein Derwisch einen Schritt zurück und schlug zu.
Er spaltete den Schädel des Offiziers mit einem einzigen gewaltigen Hieb.
Und dann krachte der Revolver fünfmal hintereinander.
Die Männer des Erschießungskommandos sanken über ihren ungeladenen Gewehren nieder.
Sarto Singal setzte über sie hinweg, hetzte zur Mauer, sprang hoch, bekam die Krone zu fassen, konnte sich halten und den Körper nachziehen.
Seine Augen glühten wie Kohlen im Höllenfeuer.
Auf der anderen Seite ließ er sich fallen, ohne sich richtig bewusst zu sein, was er tat.
Sarto Singal handelte mit den Instinkten eines Raubtiers, und nichts anders als ein zweibeiniger Tiger war er auch.
Unweit vor ihm erkannte er eine Pferdekoppel. Sie hatte innerhalb der Kaserne keinen Platz gefunden. Mehr als drei Dutzend Pferde grasten darin.
Der helle Fleck eines Gesichtes tauchte auf.
Sarto Singal stach mit dem Säbel hinein. Ein gurgelnder Schrei ging in ein Röcheln über.
Schon hatte Singal einen neuen Revolver in der Faust. Er schoss mitten unter die Pferde.
Ein grelles' Wiehern erfüllte die schwüle Luft, aber da hatte sich Singal schon katzengewandt auf einen Pferderücken geschwungen. Er krallte die blutigen Fäuste in die Mähne und ließ sich von der ausbrechenden Stampede davontragen.
14
Träge brach die Nacht über Sueco herein. Hinter der Ortschaft murmelte der Bach. Im Dorf selbst herrschte mehr Aufregung, denn Saltillo, Buck, Layla und die Vaqueros waren dabei aufzubrechen. Sie wollten die nächtliche Kühle nutzen, um möglichst schnell voranzukommen.
Nachdem Saltillo die Papiere besaß, die ihn entlasten und Gomez, wenn schon nicht an den Strick, so doch hinter Gitter bringen würden, hielt ihn nichts mehr in Mexiko. Er hoffte, dass es keine unüberwindlichen Schwierigkeiten machen würde, wieder auf der Hazienda einzuziehen, denn er hielt Gomez für intelligent genug, dass er genau wusste, wann das Spiel verloren war.
Die Männer und Frauen von Sueco schleppten noch Gastgeschenke herbei: Lebende Hühner, Säckchen mit Reis und Hirse, Maiskolben aus der frischen Ernte und Mehl. Sogar ein paar gedörrte Fische waren dabei. Sie hatten ihre Vorratskammern geplündert, und Saltillo hütete sich, diese Geschenke abzulehnen.
Auch die Mädchen aus dem Kastenwagen waren versorgt und von Saltillo mit einer Reisekasse ausgestattet. Sie würden dorthin zurückkehren, wo sie vor Wochen unfreiwillig aufgebrochen waren, um von Sarto Singal ins »Gelobte Land« jenseits des Rio Bravo verschleppt zu werden.
Tortilla-Buck und Paco verstauten den Proviant gemeinsam auf den Banditenpferden, die Colonel Esteban Moreno ihnen überlassen hatte, weil er selbst keine Verwendung dafür zu haben glaubte.
Ausnahmsweise lag sich das ungleiche Paar einmal nicht in den Haaren. Während Paco danach trachtete, all die Vorräte in leckere Speisen zu verwandeln, fasste Buck den Vorsatz, den Löwenanteil davon zu vertilgen.
Nur noch ein grau-blasser Schimmer zeigte sich am Horizont, als sie aufbrachen. Der Mond erhob sich gerade über die östliche Sierra. Die Bewohner von Sueco winkten noch, als sie schon nicht mehr zu sehen waren.
Saltillo hielt die Spitze. Neben ihm ritt Layla Sheen.
»Wie wird‘s weitergehen, Sam?« Ihre Stimme klang etwas beklommen. »Hast du jetzt Gomez wirklich in der Tasche?«
»Das möchte ich doch schwer annehmen, Liebes. Das Beweismaterial, das mir Moreno verschafft hat, ist erdrückend. Die Schlinge liegt schon um Gomez‘ Hals. Er weiß es nur noch nicht. Und von mir wird er‘s erst erfahren, wenn es keinen Ausweg mehr für ihn gibt.«
»Und du bist dir wirklich vollkommen sicher, Sam?«
»Natürlich. Von jetzt an werden die Gerichte das Sagen haben.«
»Was hast du vor?«
»Wir werden ganz gemütlich zurück nach El Paso reiten und dem Sheriff das Beweismaterial auf den Tisch knallen. Ein paar Tage später ziehen wir wieder auf der Hazienda ein. Damit hat sich‘s.«
Layla war davon weniger überzeugt, aber sie ließ ihre Zweifel nicht laut werden. Sie kaute nur auf ihrer vollen Unterlippe.
Sie konnte sich schwer vorstellen, dass Dr. Miguel Gomez so sang- und klanglos aufgeben würde. Dafür war der Brocken, den er mit Saltillos Hazienda und dem riesigen Land geschluckt hatte, einfach zu groß.
Vermutlich war Saltillos Besitz noch ein ganzes Stück wertvoller als all die übrigen Reichtümer, die Dr. Miguel Gomez im Lauf der Jahre angehäuft hatte. Dieser fette Anwalt hatte sich mit seinen dunklen Machenschaften ein halbes Königreich unter den Nagel gerissen.