5 glorreiche Western 3/2020 - Helden, Halunken, Halsabschneider: Sammelband mit 5 Wildwestromanen
El Paso brauchen?«
»Etwa vier Tage, Liebes. Wenn nichts dazwischen kommt.«
15
Der Mond streute sein silbriges Licht über das karge Land und gab ihm damit den Anschein einer wilden Schönheit, die sich in ihren wenigen Reizen genügte. Die Öde und die Armut des Landes war von der Nacht und ihren Schatten gnädig zugedeckt. Wie ein Teppich, aus Sternen gewoben, leuchtete der Himmel.
Sarto Singals Pferd flog blutiger Schaum von den Nüstern. Er hatte das Tier bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gefordert, hatte es angetrieben, bis es mehr stolperte als lief. Immer wieder knickten die Beine ein, aber gnadenlos setzte der Bandit die Sporen an, holte das Letzte aus
dem Tier heraus.
Singal war den ganzen Tag über wie ein Teufel geritten. Sie hatten ihn nicht eingeholt. Nicht eine Nasenspitze von den Rurales hatte er noch gesehen. Nur nach Norden wollte er, und das so schnell wie möglich.
Er hatte keinen Cent in der Tasche, war hungrig und durstig. Seine Gedärme rebellierten.
Für einen Schluck Wasser hätte er einen Menschen umgebracht, aber er war keinem begegnet. Das Flussbett lag ausgetrocknet. Ein paar alte Hufspuren einer größeren Reitergruppe waren vom Wind noch nicht ganz zerstört.
Saltillos Fährte.
Sarto Singal fluchte lautlos. Er malte sich aus, wie es wäre, bekäme er den Hals dieses verdammten Halbbluts zwischen die Finger.
Er bleckte die Zähne, mahlte mit den Kiefern und verzog das immer noch schmerzende Gesicht. Das Nasenbein war zertrümmert. Berührte er sein Gesicht, zuckte der Schmerz bis unter die Zehennägel.
Ich zahl‘s ihm noch heim!, spukte ein Schwur durch seine Gedanken, gab ihm Auftrieb, durchzuhalten. Ich werde es diesem Bastard heimzahlen!
Doch dazu brauchte er Miguel Gomez.
Allein war er aufgeschmissen gegen Saltillos Mannschaft. Er hatte keine Waffen außer dem Säbel und einem fast leer geschossenen Revolver. Zwei Kugeln waren übrig geblieben, und es bestand nicht die geringste Aussicht, dass er hier irgend ein Tier hätte erlegen können, mit dem sein Hunger zu stillen war.
Irgendwo heulte ein Kojote den Mond an, aber sein Fleisch war sogar für einen hungrigen Mann ungenießbar. Auch hatte er kein Feuer, um es zu braten. Dann ließen einen Kojoten nicht an sich heran. Diese Wildhunde schienen einen sechsten Sinn für Gefahr zu haben.
Blieb ihm nur noch, das Pferd zu schlachten.
Sarto Singal spielte ernsthaft mit diesem Gedanken. Auch wenn er Blut trinken musste, so war das immer noch besser als zu verdursten.
Er tastete schon nach dem Säbel, als das Tier sich mit letzter Kraft auf die Anhöhe eines Sandrückens quälte, der Sarto Singal seit ein paar Minuten den ungehinderten Blick nach Norden versperrte.
Hier oben brach es endgültig zusammen.
Singal kam gerade noch von seinem Rücken herunter und wälzte sich zur Seite, um von dem schweren Körper nicht erdrückt zu werden.
Das Tier zuckte unkontrolliert mit den Hufen. Es hatte nicht einmal mehr die Kraft zu wiehern oder mehr als ein gepeinigtes Prusten von sich zu geben.
»Schindmähre«, knurrte Sarto Singal und zog den Säbel aus dem Hosenbund. Er schnitt dabei die Schärpe entzwei, die seine Hosen hielten. Ein neuerlicher Fluch war die Folge.
Er holte aus, überlegte es sich dann jedoch anders. Er brauchte Flüssigkeit, wenn er nicht krepieren wollte wie das Pferd. Deshalb suchte er nach der Schlagader. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, Blut trinken zu müssen, aber ihm blieb keine Wahl. Er war so gut wie am Ende.
Das Pferd bewegte sich, versuchte, auf die Beine zu kommen, schnaubte schwach. Es konnte nur Minuten dauern, bis es verendete. Hilflos scharrten die Hufe.
Und dann plötzlich erklang ein fernes Wiehern. Sarto Singal horchte auf. Die Säbelspitze, die den pochenden Hals des Pferdes schon gefunden hatte, wurde wieder zurückgenommen.
Da war es wieder. Der Wind wehte vom Süden herauf. Nahm er die Witterung des sterbenden Tiers mit sich?
Entschlossen steckte Sarto Singal den Säbel zurück. Da er keine Halterung mehr hatte, bohrte er den Stahl durch seine Beinkleider, nahm den Revolver in die Faust und lauschte in die Nacht hinaus.
Zu sehen war nichts. Nur eine Bodensenke, hinter der sich ein neuer Erdwall auftat, mit Geröllbrocken bestückt, als hätte ein Riese hier gekegelt und sein Spielzeug demnach zurückgelassen.
Sarto Singal stapfte vorwärts. Er hatte dieses Wiehern ganz deutlich gehört. Und er glaubte nicht daran, dass sich in dieser Gegend eine Herde wilder Mustangs aufhielt. Es gab keine Nahrung für sie und kein Wasser. Und das bedeutete, dass sich hier irgendwo in der Nähe eine Ansiedlung befinden musste, ein Rancho vielleicht.
Die Mesa barg Kavernen, unterirdische Wasserspeicher, die angezapft und nutzbar gemacht werden konnten.
Singal spürte seine Beine kaum, als er vorwärts stolperte, die Senke durchquerte und die Höhe erreichte. Er hielt sich in der Deckung der Felsbrocken, lugte dann hinunter in die nächste Bodenwelle.
Um ein Haar wäre ihm ein Triumphschrei entfahren. Da unten stand tatsächlich eine Bretterbude, davor ein Brunnen und eine winzige Pferdekoppel.
Ein einziger Mustang graste darin, legte sich jetzt wieder nieder, streckte sich und rührte sich nicht mehr, Sarto Singal fiel auf, dass der Wind sich für Augenblicke gelegt hatte.
Er überlegte fieberhaft und kam zu dem Schluss, dass er seine Gier nach Wasser zügeln musste.
Der Rancho war zweifellos bewohnt, auch wenn hinter dem einzigen Fenster kein Licht brannte. Doch von der Herdstelle hinter dem Haus leuchtete noch etwas Glut herauf. Über der Umzäunung lag ein hochbordiger mexikanischer Sattel.
Brauchte er mehr?
Der Besitzer des Rancho würde schwerlich freiwillig mit dem herausrücken, was Sarto Singal haben wollte. Doch diese Frage stellte sich dem Banditen nicht. Er war gewohnt, sich zu nehmen, was er brauchte – auch wenn er dabei über eine Leiche steigen musste.
Leise wie ein Schakal schlich er den Abhang hinunter. Auf halber Strecke zog er die Stiefel aus, um ja kein Geräusch zu machen. Das Pferd blieb in der Koppel ruhig.
Sarto Singal schlug einen weiten Bogen um die Hütte, kam dann von hinten, wo sich ein zweites Fenster befand.
16
Pedro Corres drehte sich unruhig im Schlaf.
Seine Hand glitt dabei über die Brüste seiner jungen Frau. Sie seufzte, schmiegte sich an ihren Mann. Eng umschlungen schliefen sie weiter. Ihr dunkles Haar kitzelte Pedro Corres schließlich an der Nase, und er musste niesen.
Davon erwachte er. Er setzte sich im Bett auf, das nur aus einem Gestell bestand, über das er Rinderhäute gespannt hatte.
»Pedro?«, murmelte seine Frau schläfrig. »Was ist?«
»Ich weiß nicht. Mir war, als hätte ich ein Geräusch gehört.«
»Das war sicher nur der Wind.«
»Es weht keiner, Chica.«
»Dann war‘s eben was anderes. Komm wieder zu mir, Muchacho. Es wird viel zu früh hell, und wir haben einen schweren Tag vor uns. Willst du nicht nach Carrizal, die sechs Ziegen gegen eine Kuh eintauschen?«
»Ruhig, Chica! Da war doch etwas!«
Pedro Corres schwang die Beine aus dem selbst gezimmerten Bett und tastete nach der Kerze, die auf einem Hocker stehen musste. Er fand die Streichhölzer, riss eines an.
Das Flämmchen riss ein Loch in die undurchdringliche Dunkelheit, dann brannte