A. F. Morland

Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten


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zieht es heute zu dem Kollegen oder der Kollegin, die Zugang zum Kfz-Bestand hat.“

      „Privatim oder dienstlich?“

      „Halbe, halbe, Willy. Die Frau hat mir sehr gut gefallen, aber bevor ich sie anreden konnte, stieg sie in ihr Auto und rauschte davon. Krefeld zweimal Anton plus dreimal die neun.“

      „Kann ich dich zurückrufen?“

      „Mit Vergnügen, Willy.“

      Ganz legal war das nicht, aber für eine Versicherung recht praktisch. In einen Großteil der zu regulierenden Schadensfälle waren Autos verwickelt und schnelle Auskünfte über Halter immer hilfreich.

      Willy meldete sich schon nach einer Viertelstunde: „Sie heißt Helga Schmied-Steinfeld, Krefeld, Luisenstraße 28. Eine hübsche Frau?“

      „In den Augen eines Mitte Fünfzigjährigen allemal.“

      „Dann müsstest du erst einmal deine Nachfolgerin kennenlernen.“

      „Gibt dir keine Mühe, Willy. Ich bin und bleibe ein freier Mensch. Helga Schmied-Steinfeld, Krefeld, Luisenstraße 28“, wiederholte er laut.

      „Genau. Kennst du Krefeld?“

      „Nein.“

      „Das Seidenmuseum liegt da ganz in der Nähe.“

      „Danke, und grüße meine hübsche Nachfolgerin von mir.“ Frauen rückten ja mittlerweile in alle Positionen vor. Wenn es Feuerwehrfrauen gab, warum dann nicht auch weibliche Brandsachverständige?

      Das nachdrücklich und an mehreren „kritischen“ Stellen befragte Internet verriet ihm schließlich, dass er in der Hattinger Feldstraße nur bei einer Della Klavierunterricht bekommen konnte. Della Korbey stellte sich auch ein, und Joko gefiel ihre Stimme auf Anhieb.

      „Guten Abend“, sagte er höflich, „mein Name ist Bernd Jokisch, aber seit meiner Schulzeit nennt man mich nur Joko. Ich war vor dem Abitur mit ihrer Nachbarin und Freundin Helga Schmied, spätere Schmied-Steinfeld befreundet. Vielleicht hat sie meinen Namen mal erwähnt?“

      „Vielleicht. Und was wollen Sie von mir?“

      „Von Ihnen würde ich nur gerne hören, warum Helga von Hattingen nach Krefeld verzogen ist, und warum Sie sich mit ihr in Xanten treffen.“

      „Da können Sie lange warten.“ Und – rums – hatte sie aufgelegt. Na ja, nicht jeder Versuch glückte.

      In der Nacht wurde er brutal aus dem Schlaf gerissen. Eine Horde Verrückter stürmte gewaltsam sein Haus, schlug die Haustür mit einem Beil oder einer Axt ein. In allen Parterre-Zimmern klirrten zerbrechende Fensterscheiben, seine Schlafzimmertür wurde aufgebrochen und danach tobte eine Horde schwarz vermummter Helmträger in das Zimmer und brüllte „Polizei“ oder so ähnlich. Joko war übel vor Schreck, sein Herz raste und in seinem Kopf dröhnte ein Dampfhammer. Er kam nur mit letzter Kraft aus dem Bett auf die Füße, aber dann reichte die Luft doch noch aus, die Männer anzubrüllen: „Seid ihr Arschlöcher vom Affen gebissen?“

      Ein junger Mann in einem dunklen Trainingsanzug kam in das Zimmer gestürmt und baute sich vor Joko auf, versuchte ihn in das Bett zurück zu schubsen: „Halt’s Maul, Opa und setzt dich!“ Er konnte nicht wissen, dass er drei Fehler gleichzeitig beging, nämlich den Rentner Bernd Jokisch anzufassen, zu duzen und nicht daran zu denken, dass auch ein alter, gereizter Mann sich wehren konnte und wollte. Joko riss das Knie hoch und traf den forschen Flegel genau da, wo es zwischen den Beinen sehr schmerzen kann. Trainingsanzug ging brüllend zu Boden und krümmte sich schreiend und wimmerte, worauf die Horde auf Joko einzuschlagen und einzutreten begann. Der glaubte schon, sein letztes Stündlein sei nahe, als die Tür noch einmal gegen die Wand knallte, das Deckenlicht angeknipst wurde und ein Frau mit vor Wut überschnappender Stimme brüllte: „Aufhören, ihr Schwachköpfe!“ Die Prügel und Schläge hörten sofort auf, dafür breiteten sich kaum erträgliche Schmerzen über seinen ganzen Körper aus. Joko ließ sich erleichtert in die Schwärze fallen, die ihn jetzt umgab. Die Frau telefonierte laut und heftig, bestellt einen Notarztwagen. Sie machte es sehr dringend und Joko wehrte sich nicht länger gegen die Ohnmacht, die ihn überfiel.

      Bernd Jokisch wachte auf und wusste nicht, wo er war. Eines stand fest, das war nicht sein Bett und nicht sein Zimmer, es roch fremd und draußen rauschten keine Bäume, sondern klingelten pausenlos Glocken in allen Höhen und Lautstärken. Und wer hatte ihm den rechten Arm eingegipst, verbunden und dann mit einer Tuchschlinge an eine Art Galgen neben dem fremden Bett gehängt? Er lag zweifellos in einem Krankenhaus, aber wie und warum er hierhergekommen war, wusste er beim besten Willen nicht. Dann erinnerte er sich, in einem Krankenhauszimmer gab es einen Knopf, mit dem man einen hilfreichen Geist herbeizaubern konnte. Der Geist ließ sich etwas Zeit, war dann aber hübsch anzusehen, nannte sich Petra und staunte: „Sie können sich an nichts erinnern?“

      „Nein.“

      „Man hat Sie schwer zusammengeschlagen und mit einem Notarztwagen zu uns gebracht.“

      „Und wo ist das ‚zu uns‘?“

      „Uni-Klinik Bochum.“

      „Schwester Petra, ich muss mal an einen Ort, wohin Sie mich nicht begleiten können.“

      „Das ginge schon aus verschiedenen Gründen nicht.“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Außer Ihrem rechten Arm hat auch Ihr linker Fuß gelitten. Sie werden sich schon mit der Ente begnügen müssen.“

      Machte sie sich lustig über ihn?

      Bei der Visite am nächsten Morgen erklärte ihm eine nicht zu Scherzen aufgelegte Ärztin, was alles an Fuß und Arm entzwei gegangen war. Beeindruckend.

      „Und wie lange muss ich hier aushalten?“

      „Rechnen Sie mal mit drei bis vier Wochen.“

      „Nein!!!“

      „Doch!“

      „Aber nur in einem Einzelzimmer. Nicht mit diesem Rekordschnarcher neben mir.“

      „Ich will mal sehen, was wir für Sie tun können.“

      Zu ihrem Glück war sie klug genug, nicht auf Schwesternart zu fragen: „Haben wir nicht gut geschlafen?“

      Sie hätte es nach Jokos festem Willen nicht überlebt.

      Am Nachmittag bekam er Besuch von einer sehr ansehnlichen Frau mit einer hellen Stimme, die es gewohnt war, zu befehlen und sich nichts gefallen zu lassen, was Joko imponierte.

      „Schön, dass wir uns ungestört unterhalten können. Zuerst muss ich mich bei Ihnen entschuldigen. Es waren meine Leute, die Sie grundlos überfallen und verprügelt haben. Ach so, ich heiße Beate Lorenz, Kriminalhauptkommissarin beim Staatsschutz.“

      Jokos Arm und ein Fuß hatten gelitten, aber nicht sein Kopf. Bei dem Wort „Staatsschutz“ schaltete er sofort. „Carsten Steinfeld?“

      „Ja.“

      „Mit Leipzig, und mit der Entführung oder seiner Messe-Affäre plus einem Seitensprung habe ich nichts zu tun.“

      „Aber Sie haben davon gewusst?“

      „Jein, Helga Schmied hat einer alten Schulfreundin erzählt, was unsere zahlreichen Staatsschützer für möglich halten und diese Annegret hat es mir weiter erzählt.“

      „Annegret?“

      „Annegret Stengel oder Stengelchen.“

      „Herr Jokisch, wenn ich noch ausreichend Kaffee organisiere und für uns beide ein Abendessen, das den Namen verdient, erzählen Sie mir dann die ganze Geschichte schön chronologisch von Anfang an? Ich habe einen tüchtigen Rekorder und ausreichend Masse mitgebracht.

      Die hielten beide Wort: „Es beginnt mit einem schweren Gewitter, das über das Ruhrgebiet zog, ein Blitz ist in einen Kirchturm geschlagen und hat bei mir Erinnerungen