und Kooperation. Vor hundert Jahren war es noch fast ausschließlich der Mann, der die Frau erwählte. Nach meiner Erfahrung entscheidet sich heute eher die Frau für den Mann, der durch sein Bemühen sein Interesse an ihr zeigt.
Die Existenz eines Matriarchats wurde bei Menschen bisher nicht nachgewiesen. Was es aber gab und gibt, sind matrifokale und matrilineare Strukturen.229 Hier definierte die weibliche Linie die Verwandtschaftsbeziehungen und die Erbfolge, und der Ehemann zog in das Haus seiner Frau. Das erinnert an die Lebensweise der Bonobos.
Der Führungsstil in vielen Unternehmen hat sich deutlich gewandelt. Früher waren Chefs dominant und autoritär, heute werden von ihnen vor allem Überzeugungskraft und Talent bei der Moderation erwartet. Ich beobachte auch, dass der gesellschaftliche Konsens, wie das Leben zu gestalten und zu strukturieren sei, sich weg von gewaltbasierten Hierarchien hin zu Kommunikation und Kooperation entwickelt. Chefentscheidungen, Durchsetzung des Stärkeren, „Konfliktlösung“ durch körperliche, geistige, finanzielle oder sonstige Machtausübung haben in der Familie, auf Schulhöfen, im Berufsleben und der Geschäftswelt seit dem Zweiten Weltkrieg an gesellschaftlicher Akzeptanz verloren – auch wenn all das in einzelnen Bereichen oder Gruppen immer noch vorkommt.
Der Aggressivere setzt sich durch
Träfen Bonobos und Schimpansen aufeinander, so würden höchstwahrscheinlich die Schimpansen nach kurzer Zeit das gesamte Territorium beherrschen, so wie wir während der Kolonialzeit so ziemliche alle Eingeborenenstämme unterworfen haben – durch unsere technologische Überlegenheit, unsere höhere Aggressivität und unseren Expansionsdrang. Um sich gegen Eindringlinge zur Wehr zu setzen, reicht technologische Ebenbürtigkeit allein nicht aus. Ein friedfertiger Stamm muss, wenn er angegriffen wird, in der Lage sein, „das Kriegsbeil auszugraben“. Toleranz kann man nur gegenüber Toleranten leben, Toleranz gegenüber Intoleranten führt in den Untergang. Ebenso kann eine Welt ohne Hierarchie nur von Nichthierarchiegläubigen gelebt werden. Ein gieriger Mensch kann eine Gruppe altruistischer Menschen ausbeuten, wenn diese sich nicht gegen ihn wehren. Ein Wütender bringt Wut in eine Gruppe Friedlicher, und ein Gewalttäter kann die Gewaltfreiheit anderer untergraben. Karl Popper schrieb: „Wenn wir der Intoleranz den Rechtsanspruch zugestehen, toleriert zu werden, dann zerstören wir die Toleranz und den Rechtsstaat.“230
„Toleranz mit abweichenden Meinungen ist auch nur dann möglich, wenn diese nicht zu extremistisch und menschenverachtend sind. Die Toleranz konnte sich in den Demokratien nur ausbilden, weil die extremistischen Positionen weitgehend verschwunden sind. […] Toleranz und Demokratie setzen also eine Zivilisierung der Gesinnungen in doppelter Hinsicht voraus: Menschen müssen auf antihumane Extremismen und Handlungsweisen verzichten, damit Toleranz überhaupt möglich ist; ferner müssen sie wirklich toleranter werden, um andere Positionen zu ertragen. Man kann ja nicht Toleranz mit Menschengruppen praktizieren, die Andersgläubige massakrieren wollen, eine Diktatur errichten wollen oder Sklaverei praktizieren wollen. Toleranz ist also nur mit toleranten Menschen möglich. Man zerstört die Grundlagen einer toleranten Gesellschaft, wenn man mit intoleranten Menschengruppen tolerant umgeht. Toleranz setzt daher voraus, dass man Menschen vertrauen kann.“231
Mahatma Gandhi, der Dalai-Lama und andere traten und treten für völlige Gewaltfreiheit ein. Kann man durch eine solche Haltung, durch reine Friedfertigkeit bestehen, ohne Gewalt anzuwenden? Ich denke, das ist nur möglich, solange beim Gegenüber ein Mindestmaß an Erkenntnis, Mitgefühl und Toleranz vorhanden ist.232 Ist das Gegenüber von Vernichtungswillen getrieben und Argumenten nicht zugänglich, bleiben als Alternativen nur Gegenwehr oder Abwanderung übrig. Wer sich einem Angriff nicht durch Abwanderung entziehen kann, muss für sein Überleben in der Lage sein, auf dem Niveau der Angreifer zu antworten. Das gilt auch für eine Gesellschaft, die sich kulturelle Entwicklung und Friedfertigkeit als Ziele gesetzt hat. Leider scheint es ein Prinzip des Lebens zu sein, dass die Aggressiveren den anderen das Spiel diktieren können. Das lernen wir gerade durch die in Syrien und im Irak agierende Terrororganisation Islamischer Staat.
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