Lothar Seiwert

Arturs Geheimnis


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heben.

      Zum Glück waren die Hamsterbauten tief in den Erdboden eingelassen, und während sich die einen ganz klein in ihrem Nest zusammenrollten, fühlten sich die anderen in ihrer Vorratskammer sicherer.

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      Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, herrschte draußen plötzlich Stille. Artur war der erste, der die Schnauze vorsichtig aus seinem Bau hob und in die Luft schnupperte. Irgendetwas war anders. Verdächtig anders.

      Da ertönte neben ihm ein Rascheln und Karls Kopf tauchte aus der Erde auf; kurz darauf erschienen auch Lisa, Maxi und Fridolin. Stumm blickten die Hamster um sich. Im Licht des Mondscheins bot sich ihnen ein Anblick heilloser Zerstörung.

      Wo sich vor wenigen Stunden noch goldener Weizen in der Abendsonne gewiegt hatte, war ein Hagelsturm auf das Feld niedergegangen und hatte eine Wüstenei aus Schlamm und abgeknickten Halmen zurückgelassen.

      Da fragte Maxi plötzlich: »Wo ist eigentlich Hella?«

      Erschrocken liefen sie zu Hellas Bau. Er war vom Hagelsturm besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden, und Hella schaffte es nur mühsam, an die Oberfläche zu krabbeln. Erschöpft schüttelte sie sich und hustete ein paarmal, bevor sie den Blick schweifen ließ. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Dann blickte sie die anderen Hamster fest an und sagte: »Wir müssen reden.«

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      Den Tatsachen ins Auge blicken

      Der große Hamster-Rat

      Artur hockte auf seinem Schriftsteller-Stein. Fridolin lief nervös hin und her, Karl blickte mit offenkundiger Missbilligung auf die Zerstörung um sie herum, und Lisa und Maxi unterhielten sich leise miteinander.

      Alle warteten auf die Stammesälteste, die sich noch mal kurz ein wenig »frisch machen« wollte. »Ich bin zwar nicht mehr die Jüngste«, hatte Hella gesagt, »aber so viel Zeit muss sein.«

      Die etwas pummelige Lisa hatte ihr einen anerkennenden Blick zugeworfen; sie bewunderte das untrügliche Stilempfinden der älteren Dame.

      Es dauerte nicht lange, da tauchte Hella auch schon auf. Sie sah tatsächlich etwas munterer aus und ihr Fell glänzte im Mondlicht. Die anderen rückten näher an sie heran.

      Hella räusperte sich kurz, bevor sie zu sprechen begann: »Liebe Freunde, wir haben schon vieles miteinander durchgestanden: aggressive Raubvögel, Hitzeperioden, starke Regenfälle. Aber so etwas wie heute habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Die Zeiten ändern sich, die Natur bäumt sich auf. Nun wird es ernst.«

      »Das kannst du wohl laut sagen«, unterbrach sie Karl. »Unsere bisherigen Vorräte reichen nicht für den Winter, und wo sollen wir nun weitere Nahrung finden? Es ist doch alles zerstört!« Er schnaufte ein wenig. »Wir werden verhungern.«

      Fridolin warf ihm einen erschrockenen Blick zu. So weit hatte er noch gar nicht gedacht. Entmutigt sackte er in sich zusammen.

      Wenn wir nichts unternehmen, sieht die Zukunft nicht gut aus.

      »Ich hätte schon genug für den Winter, aber ich stehe so kurz davor, einen Hamsterrekord aufzustellen«, maulte Maxi, »und nun wird wieder nichts daraus. Es ist einfach ungerecht!«

      Hella warf ihr einen strengen Blick zu und Maxi verstummte.

      »Es geht nicht um Rekorde«, fuhr Hella fort. »Karl hat recht: Wenn wir nichts unternehmen, sieht die Zukunft nicht gut für uns aus – in mehrfacher Hinsicht.«

      »Aber gibt es denn überhaupt etwas, das wir tun können?«, warf Lisa zaghaft ein.

      »Ich glaube schon«, erwiderte Hella, »darauf wollte ich gerade hinaus. Wir haben auf diesem Feld lange und gut gelebt. Doch es gibt noch andere Orte. Und darin liegt für uns eine große Chance.

      Manchmal muss etwas Dramatisches passieren, damit wir unsere Komfortzone verlassen; ansonsten würden wir nie etwas verändern. Und ich glaube, wir stehen jetzt an genau diesem Punkt.

      Deshalb lasst uns den Hagelsturm als Signal zum Aufbruch betrachten! Als Zeichen dafür, dass es noch mehr gibt im Leben als Hamstern. Ich denke da an die Legende von der weisen Hamsterin …«

      Artur merkte bei Hellas letzten Worten auf: »Der weisen Hamsterin? Von ihr habe ich noch nie gehört.«

      Eindringlich bat er: »Erzähl, Hella, was hat es mit der weisen Hamsterin auf sich?«

      »Nun, die weise Hamsterin ist kein normaler Hamster so wie wir. Sie existiert außerhalb der Zeit und sie kennt das Geheimnis des Lebens. Auserwählten Hamstern zeigt sie sich.

      Es heißt, sie lebe an einem See inmitten der Berge, dessen Wasser von einem tiefen Smaragdgrün ist. Ein abgeschiedener Ort, zu dem nur wenige Zugang haben.«

      »Das klingt paradiesisch«, seufzte Lisa, während sich Artur zur gleichen Zeit laut wunderte: »Wieso grün? Ich dachte immer, Wasser sei blau.«

      »Es ist eben ein besonderer Ort«, erklärte Hella, »die Wasserfarbe hat etwas mit der Lage des Sees in den Bergen und mit der weisen Hamsterin zu tun. Sie hat besondere Kräfte, die sich auf ihre Umgebung auswirken.«

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      Alle schwiegen einen Moment und stellten sich den See in den Bergen vor. Wie still musste es dort sein, so hoch oben, unter blauem Himmel. Umgeben von saftigen Wiesen voll köstlicher Insekten. Sicherlich würde es in den Bergen auch weniger Raubvögel, Wiesel und Füchse geben – letztere konnten besonders heimtückisch sein … Und das Revier der weisen Hamsterin war mit Sicherheit ein Reich, in dem die Sterne ganz besonders funkelten und wo der Frieden zu Hause war.

      »Also gut«, unterbrach Artur die andächtige Stille, »dann gehen wir doch hin zu diesem See!«

      »Wenn es nur so einfach wäre«, gab Hella zurück. »Das Problem ist, dass ich nicht genau weiß, wo er liegt. Das Wissen darüber wurde von unseren Ahnen jeweils an die nächste Generation weitergegeben. Meine Urgroßmutter hat mir den See beschrieben, aber nicht gesagt, wie man zu ihm gelangt. Keiner, den ich noch gekannt habe, war jemals dort. Aber es ist ein Ort, der für uns Hamster von großer Bedeutung ist.«

      »Na toll«, ärgerte sich Karl. »Erst machst du uns den Mund wässrig und dann sagst du gleich darauf, dass wir dort sowieso nicht hinkönnen.«

      »Das habe ich nicht gesagt. Ich meinte nur, dass es nicht leicht wird.«

      »Also was denn nun?«, grummelte Karl, der es eigentlich genoss, mal wieder etwas auszusetzen zu haben. Für ihn gab es nichts Schöneres als Streit und Diskussionen, bei denen er dann anfing, sein Gegenüber mit ausgefeilten – und zum Teil etwas abwegigen – Argumenten zu verblüffen.

      »Gehen wir noch mal einen Schritt zurück«, sagte Hella. »Es ist wichtig, dass wir uns über unsere Situation vollkommen im Klaren sind:

      Unser Lebensumfeld hat sich heute Nacht auf einen Schlag gravierend verändert. Wir müssen uns neu orientieren. Der Hagelsturm ist ein Weckruf, der uns dazu auffordert, unser Leben neu zu entdecken.«

      Hella machte eine effektvolle Pause.

      »Nun schaut nicht so ungläubig drein! Wir Hamster sind widerstandsfähig, neugierig und ausdauernd.«

      Ihre Stimme wurde lauter, sie war in Fahrt geraten, ihre Augen blitzten energisch: »Und das ist viel Wert in einer Krisensituation wie dieser.«

      Wir müssen unser Leben neu entdecken.

      Während Fridolin noch immer in schreckhafter Starre verharrte, war Artur bei Hellas Worten ganz zappelig geworden.

      Er bemühte sich, der verehrten Stammesältesten zuzuhören, aber aufgrund seines lebhaften Naturells