Susanne Gantner

Ein Gloria zum Sterben


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      Susanne Gantner

      Ein Gloria zum Sterben

      Kriminalroman

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      © 2018 Susanne Gantner

      Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN

Paperback: 978-3-7439-0992-2
Hardcover: 978-3-7439-0993-9
e-Book: 978-3-7439-0994-6

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Die Handlung ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt. Es gibt insbesondere keine St. Fabian Kirche in der Schweiz. Einzig Stampflis Tochter Susanne habe ich ein paar meiner Züge verliehen, was nicht heisst, dass sie mit mir identisch ist.

      Am Ende des Buches findet sich ein Glossar. Die mit * versehenen Begriffe werden dort erklärt.

      Umschlaggestaltung: Silvia Simpson-Walz

      EINS

      Die Probe war zu Ende. Die letzten Choristen stiegen die gewundene Holztreppe in das Kirchenschiff hinunter. Mit einem Knall schlug die schwere Eingangstür zu. Ein leises Lachen - dann Stille.

      Melanie strahlte. Sie stand allein auf der Empore der katholischen St. Fabian Kirche, nur einen Schritt von der Brüstung entfernt. Ja, so sollten die Gottesdienstbesucher sie sehen. Noch zehn Tage bis Weihnachten. Sie konnte es kaum erwarten. In der Mitternachtsmesse durfte sie den Anfang des „Gloria“ singen. Ihre Wangen glühten, ihre Augen glänzten. Sie liebte diese Messe von Joseph Haydn, ihrem Lieblingskomponisten. Das Solo beschränkte sich auf neun Töne. Sie musste also alles geben, damit man hörte, wie gut sie war. Bestimmt würde der Chorleiter ihr an Ostern eine längere Partie anvertrauen. Sie atmete tief ein.

      Ihr hoher Sopran intonierte jubelnd mit ausgeprägtem Vibrato* „Gloria in excelsis Deo“. Melanie endete mit einem Schrei, kippte keuchend auf die Brüstung und holte gurgelnd Atem. Sie versuchte, sich aufzurichten, ihre rechte Hand zerknüllte das Notenblatt. Dann verschleierte sich ihre Sicht und sie verlor das Bewusstsein. In ihrem Rücken steckte ein langes, schmales Messer. Sie hing mit dem Oberkörper über der Balustrade. Das Messer wurde herausgezogen. Leise Schritte auf der Holztreppe, ein Knarzen der Kirchentür. Dann Stille.

      ZWEI

      Heiri Stampfli, leitender Ermittler der Kantonspolizei Zürich, kam von der Mittagspause zurück, als sein Telefon klingelte. Es war Wachtmeister Beat von der Zentrale. «Wir haben eine Leiche in der neuen St. Fabian Kirche in Witikon. Du sollst dich beeilen.»

      «Was, in der Kirche? Du machst wohl Witze? Nein, natürlich nicht. Entschuldigung.»

      «Alex Stammbach ist schon dort. Du arbeitest gerne mit ihm zusammen, wie ich gehört habe?»

      «Das ist so. Ich beeile mich.»

      Der Ermittler stieg in seinen Opel und fuhr so schnell es der Verkehr erlaubte. Er brauchte nur fünfundzwanzig Minuten, bis er das neue Wohnquartier in Witikon erreicht hatte. Die St. Fabian Kirche war erst vor einem Jahr fertiggestellt worden. Schon von weitem sah er die rot-weissen Bänder der Polizei, die den Zugang absperrten. Alex Stammbach, der Brandtouroffizier, also der diensthabende Verantwortliche der Kantonspolizei für Verbrechen gegen Leib und Leben, diskutierte gerade mit einem Forensiker*. Die Männer steckten in weissen Schutzanzügen. Auch Stampfli streifte Überschuhe, Overall und Latexhandschuhe über, tauchte unter dem Absperrband durch und begrüsste die beiden.

      Zusammen betraten sie das Kirchenschiff. Hier war ein Geviert mit Bändern abgegrenzt. Auf dem grauen Steinboden hatte sich eine Blutlache ausgebreitet. Woher kam dieses Blut? Automatisch schaute Heiri nach oben zur Empore. Auch hier Blutspuren. Die Männer stiegen die Holztreppe hinauf.

      Die Leiche hing mit dem Oberkörper über der Balustrade.

      «Es ist Melanie Hug, die Archivarin des Kirchenchors», informierte Alex Stammbach. «Der Sakristan* hat sie heute gegen Mittag gefunden. Ihm sind Blutflecken im Kirchenschiff aufgefallen.»

      Die Frau hatte die Jugend seit langem hinter sich gelassen, fettige mausbraune Haare und einen Schwabbelbauch. Die Finger der rechten Hand knüllten immer noch ein Notenblatt zusammen. „Gloria“, war darauf zu lesen.

      Der Rechtsmediziner Dr. Otto Balzli hatte bereits eine erste Untersuchung vorgenommen. Er kniete neben der Leiche und sprang auf, um den Ermittler zu begrüssen.

      «Tschau*, Heiri. Schon verrückt, dass wir jetzt sogar in der Kirche ein Mordopfer haben. Frau Hug wurde von hinten mit einem langen Messer erstochen. Vermutlich wurde das Herz getroffen. Das erklärt auch das viele Blut. Unsere Leute haben überall nach der Tatwaffe gesucht, sind aber bisher nicht fündig geworden. Die Körpertemperatur im Enddarm beträgt nur noch 28 Grad Celsius. Die Leichenstarre ist ausgeprägt. Die Gesichtsmuskulatur reagiert nicht mehr auf elektrische Reizung. Ich habe eine pupillenerweiternde Substanz in das eine Auge und eine pupillenverengende Substanz ins andere Auge geträufelt. Eine Reaktion zeigt sich bis etwa zwölf Stunden nach Eintreten des Todes – unter Umständen auch noch etwas später. Es gab keine Reaktion. Wir können deshalb davon ausgehen, dass der Tod gestern Nacht eingetreten ist. Frau Hug ist so gestorben, wie wir sie gefunden haben. Dies kann ich aufgrund der Leichenflecken sagen. Genaueres erst nach der Obduktion. Der Sakristan, der die Leiche entdeckt hat, wartet übrigens vor der Kirche auf dich. Vielleicht hat er noch weitere Informationen. Geh vorsichtig mit ihm um. Der Mann hat einen Schock. Er heisst Franz Müller.»

      «Mach ich. Danke, Otto.»

      Er fand den Sakristan, einen kleinen, älteren Mann mit wirrem grauen Haar und hängenden Schultern, auf einer Steinbank am Eingang zur Parkanlage.

      «Guten Tag, mein Name ist Heiri Stampfli. Ich bin der zuständige Ermittler der Kantonspolizei. Sie sind Franz Müller? Ich habe gehört, dass Sie die Tote heute Morgen gefunden haben. Stimmt das?»

      «Ja.» Die brüchige Stimme des Alten war kaum zu hören.

      «Das muss sehr schwer für Sie sein, dafür habe ich Verständnis. Es ist aber wichtig, dass wir von der Polizei so schnell wie möglich alle Informationen bekommen. Frau Hug ist ermordet worden. Ist Ihnen bei Ihrer Arbeit in der Kirche etwas aufgefallen?»

      Der Alte schwieg. Mehrere Minuten vergingen, die sich endlos in die Länge zogen. Der Ermittler wartete geduldig, bis der Mann stockend zu reden begann.

      «Gestern fand eine Kirchenchorprobe auf der Empore statt. Heute wollte ich den Steinboden der Kirche putzen. Da war die Blutlache. Woher kam das? Ich suchte. Dann sah ich Melanie. Grauenhaft.»

      «Ja, das ist es. Wie haben Sie reagiert? Haben Sie jemanden in der Nähe gesehen? Haben Sie etwas angefasst?»

      «Nein, nichts angefasst und niemanden gesehen. Ich bin rausgerannt und habe die Polizei angerufen.»

      «Sie haben nicht nachgeschaut, ob Frau Hug noch am Leben war?»

      «Nein. Ich hatte einen Schock.»

      «Machen Sie sich keine Sorgen. Gemäss unseren Untersuchungen ist die Frau bereits gestern gestorben.»

      «Gestern? Ich habe die Kirche