haben!", meldete sich Owens zu Wort. "Dieser Überfall trägt eindeutig die Handschrift dieses Teufels!"
"Wir hatten von Anfang an keine Chance", berichtete Reilly an den Colonel gewandt. "Sie waren in der Übermacht und hatten sich einen verdammt guten Ort ausgesucht, um uns zu überwältigen." Dann berichtete der Major, wie es ihm gelungen war, zu überleben. "Diese Leute scheinen es am liebsten zu haben, wenn es keinerlei Zeugen gibt, Colonel! Einer von den Männern lebte noch, als sie herankamen. Sie haben ihn einfach erschossen!"
Reilly hatte unwillkürlich die Hand zur Faust geballt.
"Ich verstehe, was Sie empfinden, Major. Aber mir sind die Hände gebunden." Er machte eine hilflose Geste. "Ich kann meine Soldaten nicht einfach über die Grenze nach Mexiko schicken! Das würde die schlimmsten diplomatischen Verwicklungen nach sich ziehen. Und die Mexikaner scheinen kein allzugroßes Interesse daran zu haben, diesen El Tigre zur Strecke zu bringen... Vielleicht hat er sogar den Provinzkommandanten bestochen, wer will das schon ausschließen?"
"Schlechte Aussichten also", brummte Reilly missmutig. "Aber es kann doch nicht so bleiben, wie es ist! Diese Hunde kommen über die Grenze, überfallen hier Banken, Geldtransporte, Postkutschen und alles, was sonst noch lohnend erscheint verschwinden dann wieder und kommen ungeschoren davon!"
"Wir müssten sie hier, aus amerikanischem Boden stellen. Aber sie sind zu schnell und zu viele. Ich habe einfach nicht genug Leute, um überall präsent zu sein. Tut mir Leid, Reilly, aber ich denke, dieser El Tigre wird uns noch eine Weile nach Belieben zum halten können - selbst wenn es Ihnen und mir nicht gefällt!"
Reilly zog die Augenbrauen hoch.
"El Tigre...", murmelte der Major. "Das ist spanisch und heißt 'der Tiger'."
"Richtig", bestätigte Devereaux. "Passt zu ihm, nicht wahr?"
"Aber das wird doch nicht sein wirklicher Name sein! Wer steckt hinter dieser Bezeichnung? Was wissen Sie über diesen Mann?"
"Nicht viel. Angeblich soll er Amerikaner sein und auf einem Gut, irgendwo südlich von Magdalena sein ergaunertes Geld genießen..."
"Das ist nicht gerade viel, was Sie wissen!"
"Es ist schwer, jemanden zu finden, der bereit wäre, Näheres über ihn preiszugeben. Ihm gehört praktisch die ganze Provinz und wer dort längere Zeit am Leben bleiben will, der muss sich gut mit ihm stellen."
Der Colonel nahm eine Zigarrenkiste hervor, nahm sich eine und bot auch Reilly eine an. "Brasil...", sagte Devereaux.
"Wird Ihnen schmecken!"
Reilly nahm sich eine und steckte sie in die Brusttasche seiner Uniform-Jacke. Er würde sie später genießen, jetzt hatte er dafür keinen Sinn.
"El Tigre scheint aber seinerseits hervorragend informiert zu sein", meinte der Major dann, nicht ohne einen scharfen Unterton in der Stimme. "Er wusste genau, welchen Weg der Geldtransport nehmen würde, wann er erfolgen würde und vermutlich war diesen Halunken auch klar, wie groß die Begleitmannschaft sein würde... Riecht das nicht förmlich nach Verrat, Colonel?"
Devereaux steckte sich die Brasil in den Mund, holte ein Streichholz hervor und riss es an der Stiefelsohle an. Wenige Augenblicke später blies er Reilly dicken Zigarrenrauch entgegen.
"Sie wissen, wie hoch der Sold unserer Leute ist", erklärte er dann gedehnt und Reilly nickte.
"Natürlich."
"Es kostet El Tigre nicht allzuviel, jemanden zu bestechen, selbst Offiziere nicht, oder Stadt-Sheriffs. Von den mexikanischen Amtsträgern mal ganz zu schweigen, die sind auf solcherart Nebeneinkünfte geradezu angewiesen, wenn sie ihre Familien durchbringen wollen..." Dann deutete der Colonel auf den Orden. "Kommen wir zum erfreulichen Teil!"
Keine halbe Minute später hatte Reilly das glitzernde Ding an der Brust hängen, dazu einen warmen Händedruck des Fort-Kommandanten und ein aufmunternd gemeintes 'Weiter so!'
Und dann waren da noch diese unbeholfen wirkenden Lobeshymnen auf seine - Reillys - Tapferkeit und Mut.
Hätte er sich sparen können!, dachte der Major. Er fühlte sich ganz und gar nicht wie ein Held, sondern eher wie das Gegenteil. Die Männer, für die er die Verantwortung getragen hatte, waren jetzt tot und nichts und niemand würde sie je wieder zum Leben erwecken können. Nicht das Geklimper eines Ordens und nicht das 'Weiter so!' des Colonels!
"Lassen Sie's gut sein, Colonel", murmelte er, als Devereaux sich erneut räusperte und damit unzweifelhaft ankündigte, dass er noch etwas hinzuzusetzen gedachte.
Dann, nach kurzer Pause, meinte er: "Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Bande das Handwerk gelegt wird! Das sind wir denen schuldig, die von ihnen kaltblütig umgelegt wurden!"
Colonel Devereaux runzelte die Stirn.
"Wir haben über die Schwierigkeiten gerade doch schon gesprochen. Aber bitte, wenn Sie einen Vorschlag hätten, der durchführbar ist... Nichts wäre mir lieber, als diese Halunken endlich ihrer gerechten Strafe zuführen zu können!"
"Man müsste diesen El Tigre selbst in die Finger bekommen. Dann bricht dieser ganze Haufen auseinander, davon bin ich überzeugt. Sein Geld ist es, was alles zusammenhält. Er ist der Kopf und wenn wir den haben, dann wird sich der Rest schnell von selbst auflösen."
"Mag schon sein, aber das ist leichter gesagt, als getan, Major!" Der Colonel nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarre und blies dann langsam und genussvoll den Rauch hinaus. Schließlich fuhr er fort: "Sie können schließlich nicht einfach mit einem Trupp Soldaten über die Grenze reiten und den Kerl einfach mitnehmen! Und dass er freiwillig kommt, dass glauben Sie doch wohl auch nicht!"
Reilly wirkte nachdenklich.
Dann murmelte er: "Ein ganzer Trupp Blauröcke, das geht nicht... Aber ein einzelner Mann, in Zivil, der hätte eine Chance!"
"Er hätte die Chance jung zu sterben, Reilly, und sonst gar nichts!"
"Das käme auf den Mann an... Colonel, ich habe schon andere Spezialaufträge ausgeführt!"
Devereauxs Mund ging auf und er vergaß für eine ganze Weile, ihn wieder zu schließen.
"So ist das also", brummte er. "Jetzt ist die Katze endlich aus dem Sack! Sie wollen also selbst die Sache in die Hand nehmen!"
"Jawohl, Sir. Ich bin es meinen toten Kameraden schuldig!"
"Kommt nicht in Frage, Reilly!"
"Vielleicht würde es mir gelingen, mich bei der Bande einzuschleichen..."
"Ich kann die Verantwortung nicht übernehmen, Major!"
"Das brauchen Sie auch nicht. Geben Sie mir einfach ausreichend Sonderurlaub."
9
In den folgenden Tagen besserte sich Reillys Zustand zusehends. Doc Loudon verstand sein Handwerk wie kein Zweiter.
Ein paarmal noch sprach er mit dem Colonel über seine Pläne.
"Sie sind ein gottverdammter Dickkopf, Reilly!", schimpfte Devereaux dann einmal bei einer solchen Gelegenheit.
Reilly lachte nur.
"Da mögen Sie recht haben."