Ehefrau Kimberley war dort. Sie rief sofort ihren Anwalt an.
„Mein Mann liegt im Koma und Sie haben nichts Besseres zu tun, als ihn zu beschuldigen, ohne, dass er die Chance hätte, sich zu verteidigen!“, giftete uns Kimberley Templeton an, als wir ihr den Beschluss aushändigten.
In der Villa befand sich natürlich keinerlei Hehlerware.
Dieses Risiko wären weder Templeton noch seine Frau eingegangen.
Wenig später traf ein Mann im grauen Zweireiher ein.
„Matt Varney von Varney & Partners“, stellte er sich vor. „Ich bin der Anwalt der Templetons! Wer immer diese Aktion angeordnet hat, wird mit Konsequenzen zu rechnen haben.“
„Warten wir es ab“, erwiderte ich.
Wenig später erreichten uns dann die Meldungen unserer Kollegen aus Montauk.
Ich belehrte Mrs Kimberley Templeton über ihre Rechte. „Es fällt mir schwer zu glauben, dass Sie nichts von den Geschäften Ihres Mannes gewusst haben. Wenn Sie etwas wissen, sollten Sie jetzt mit uns zusammenarbeiten.“
„Meine Mandantin wird Ihnen gegenüber gar keine Aussagen machen“, beharrte der Anwalt.
„Ein Mann namens Bykov soll sich wegen einer Lieferung von Ikonen und Schmuck an Ihren Mann gewandt haben. Wissen Sie etwas darüber?“
„Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie sprechen“, behauptete Kimberley Templeton.
„Wir werden Ihre Telefonlisten überprüfen – und falls sich dabei herausstellen sollte, dass es Kontakt zwischen Ihnen und Bykov gab...“
„Ich weiß wirklich nichts darüber!“ behauptete sie. Das Foto von Bykov schaute sie sich gar nicht richtig an.
28
Am frühen Nachmittag erreichte uns ein Anruf aus dem Field Office. Mr McKee hatte bei der Bearbeitung der DNA-Vergleichsprobe von Bykovs Schwester Druck gemacht und so lag nun das Ergebnis vor.
Es sah ernüchternd aus.
„Was ist?“, fragte Milo.
„Die DNA aus dem Blutfleck in der Galerie mag von sonst wem stammen – aber nicht von Bykov“, informierte ich meinen Kollegen, nachdem ich das Gespräch beendet hatte.
„Dann wollte Bykov wohl untertauchen“, glaubte Milo. „Aber wer ist der Kerl, der die Kugel in der Galerie abbekommen hat?“
„Sobald man die Leiche findet, wird ein DNA-Test gemacht und in die Datenbank eingestellt. Dann werden wir es erfahren, vorausgesetzt, die Leiche ist in einem identifizierbaren Zustand.“
Milo seufzte. „Alles, was wir wissen ist, dass es eine Leiche geben muss, denn einen Schuss mitten durch den Kopf überlebt wohl kaum jemand.“
29
Vladimir Bykov blickte in den Spiegel. Sein Gesicht hatte sich stark verändert. Er trug eine aschblonde Perücke und einen künstlichen Oberlippenbart. Bykov war mit dem Ergebnis zufrieden. Die Veränderung seiner optischen Erscheinung entsprach den neuen Passbildern, die er gemacht hatte. In Zukunft musste er aufpassen kein Detail seiner Maskerade zu vergessen.
Bykov hielt in der Linken einen auf den Namen Ian Van Bronk ausgestellten Pass der Republik Südafrika und verglich sorgfältig jedes Detail mit dem darin enthaltenen Foto.
Geht so!, dachte er.
In diesem Augenblick stutzte er.
Von draußen war das Geräusch eines Wagens zu hören.
Bykov steckte den Pass in die Brusttasche seines Hemdes und griff zu der Automatik, die hinter seinem Hosenbund steckte.
Es handelte sich um eine SIG Sauer P226, wie sie inzwischen auch von den meisten Polizeieinheiten zur Standardwaffe gemacht worden war. 15 Patronen steckten im Magazin, eine im Lauf. Trotz dieser überlegenen Feuerkraft mochte Bykov die Waffe nicht. Er schwor auf die Makarow, die er wegen ihrer Zuverlässigkeit schätzte.
Aber auf die Schnelle war eine Waffe dieses Typs nicht aufzutreiben gewesen.
Und Bykov brauchte eine fabrikneue, völlig unbelastete und irgendwo registrierte Pistole. Schließlich war er gerade dabei sämtliche Brücken zu seinem vergangenen Leben abzubrechen.
Ihm blieb keine andere Wahl, wenn er überleben wollte.
Bykov verließ das Bad und blickte aus einem Fenster. Das kleine Holzhaus, das Bykov für zwei Wochen gemietet hatte, lag am Lake Tappan, der je zur Hälfte in New York State und New Jersey lag. Es hatte einen eigenen Steg, an dem ein Anglerboot lag. Ansonsten war es von Wald umgeben.
Ein Geländewagen hatte in der Einfahrt gehalten. Die Scheiben waren getönt.
Die Fahrertür öffnete sich und eine junge Frau stieg aus.
Bykov atmete tief durch.
Er ging zur Haustür, öffnete und wartete dort.
Die junge Frau trat auf ihn zu und stutzte, als sie Waffe in Bykovs Hand sah.
„Hey, was soll das?“
„Bist du allein?“
„Natürlich bin ich allein. Tu die Waffe weg! Der Wagen ist auf deinen neuen Namen zugelassen. Außerdem habe ich noch einen Führerschein mitgebracht, der dazu passt.“
„Wer hat ihn gefälscht?“
„Johnson. Der war doch der erste, den ich ansprechen sollte. Es ist eine hervorragende Arbeit, genau wie der Pass, den du schon hast.“
Sie reichte ihm den Führerschein. Bykov nickte schließlich und steckte ihn ein. „Du hast Recht, Nora. Eine hervorragende Arbeit.“
„Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, weshalb du nicht einfach einen Flieger nimmst und dich an irgendeinem angenehmen Ort niederlässt.“
„So einfach ist das nicht“, sagte Bykov. „Und vor allem habe ich vorher noch ein paar Dinge zu erledigen.“
„Was?“
„Zum Beispiel muss ich sicher sein, dass wirklich keine Spur mehr zu mir führen kann. Die Leute, die mich umbringen wollen, haben ehemalige KGB-Verbindungen.“
„Die hast du auch““
„Ja, aber ich habe das Gefühl, dass mit diese Verbindungen im Moment eher gefährlich werden können, als sie mir nützen. Da geht einiges hinter den Kulissen vor