Alfred Bekker

Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten


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einfach nur mal sehen, was das für ein Typ ist, den mein Vater da angeheuert hat. Hat mich eben interessiert.“

      „Hat Ihre Mutter Ihnen von mir erzählt?“

      „Ist das so wichtig?“

      „Sie scheinen einen intensiven Kontakt zu ihr zu pflegen.“ Er lachte auf. „Sie ist meine Mutter.“

      „Ich brauche ihre neue Adresse.“

      „Sie hat sich im Haus Oberkassel einquartiert. Kennen Sie das? Eine zum Hotel umfunktionierte Jugendstilvilla, drüben auf der anderen Rheinseite. Da will sie erst mal bleiben, bis sich die Verhältnisse zu Hause geklärt haben. So oder so ...“

      „Was meinen Sie damit?“

      „Na ja, ist es ausgeschlossen, dass der Bekloppte, der die Pferde abgemurkst hat, vielleicht nicht doch noch mal richtig trifft?“

      „Sie würden das nicht wirklich bedauern, oder?“

      „Soll ich jetzt heucheln, wie sehr ich meinen Vater liebe? Er erkennt einfach nicht an, was ich tue. Wer nicht ganz so gestrickt ist wie er, der zählt nicht. Ist doch kein Zufall, dass seine Kinder der Reihe nach aus dem Haus geflüchtet sind, sobald es möglich war.“

      „Ich kann mir vorstellen, dass es für Ihren Vater ganz schön deprimierend ist, dass keiner sein Lebenswerk fortsetzen will.“

      Er lachte erneut. Heiser, rau und freudlos. Dann nahm er wieder einen Schluck aus der Flasche, bevor er gehässig hervorstieß: „Kein Mensch ist an dieser Scheißfirma interessiert. Wenn Papa abnippelt, wird die sofort verkauft, und alle Erben bekommen einen schönen Batzen Geld.“

      Berringer trat an einen Tisch, auf dem eine Reihe abstrakter Skizzen lagen.

      Kritzeleien in Rot, bei denen zwar keine Form erkennbar war, die aber dafür mit Titel versehen waren:

      „Vatermord“ hieß eines.

      „Pferdetod“ ein anderes.

      Berringer betrachtete die Skizzen aufmerksam. Ein wirres Durcheinander aus Strichen und Schraffierungen mit Rötelstift. Vielleicht verstand er einfach nur nicht genug davon, dachte er. „Sie verarbeiten in Ihren Werken offenbar aktuelle Geschehnisse in Ihrer Familie“, stellte er fest, nachdem einige Augenblicke lang Schweigen geherrscht hatte.

      „Ich höre schon, wie es in Ihrem Kopf zu rattern beginnt“, sagte Till Gerath. „Sie fragen sich jetzt, ob ich vielleicht auch ein Gewehr besitze. Bitte, sehen Sie sich um.

      Mich amüsiert das. Wussten Sie, dass ich im letzten Herbst eine Kunstaktion durchgeführt habe, bei der ich vor Publikum das Blut eines Kanarienvogels auf eine Leinwand gespritzt habe und wegen Tierquälerei angezeigt wurde? Das passt doch, oder? Wer grob zu Kanarienvögeln ist, der bringt doch auch Pferde um, oder?“

      „Oder Menschen“, sagte Berringer. Er hatte auf einer Couch, die mit Kleidungsstücken übersät war, die Jacke eines Kampfanzugs entdeckt, wie man sie bei Karate und anderen asiatischen Kampfsportarten trug. „Trainieren Sie?“

      „Aikido - bis vor zwei Jahren.“

      „Wie Ihre Mutter.“

      „Ich habe sie darauf gebracht. Man sollte sich schließlich wehren können.“

      „Sie wissen, wer Frank Severin ist?“

      „Natürlich. Seit der Kindheit. Er war oft bei uns zu Hause und war einer der wenigen Menschen, vor denen mein Vater Respekt hatte. Ein unangenehmer Typ.“

      „Ihre Mutter dachte anders.“

      „Ich hab sie oft genug vor dem Arsch gewarnt. Bei dem kam einem ja schon der Brechreiz, wenn man ihm nur ins Gesicht sah. Falsche Zähne, falsches Lächeln, und wahrscheinlich waren noch ein paar andere Dinge falsch an ihm. Na ja, das hat sich ja nun auch geregelt.“

      „Durch den Schlag eines Kampfsportlers, wie die Gerichtsmedizin vermutet.“ Er zuckte die Achseln. „Manchmal muss man den Dingen nur ihren Lauf lassen und abwarten, dann siegt am Ende das Gute.“

      Berringer musterte ihn scharf. „So sehen Sie das?“

      „Meine Mutter wird auch noch einsehen, dass es so das Beste ist. Aber nicht, dass Ihre kranke Fantasie jetzt wieder Kapriolen schlägt, Herr Berringer: Ich mochte den Typ nicht, aber ich hätte mich nicht an ihm vergriffen. Ein Stück Scheiße würde ich nur für eine Kunstaktion anfassen, aber nicht im Privatleben.“

      „Passen Sie auf, dass Sie vor lauter Coolness nicht erfrieren!“

      „Keine Sorge.“

      „Auf Wiedersehen.“ Berringer wandte sich zum Gehen.

      „Hey Mann, ich behalte Sie im Auge und Sie mich, richtig?“, feixte er Berringer hinterher, der sich bei der Tür noch mal umdrehte.

      „Richtig.“

      7. Kapitel: Ausgebootet auf der BOOT

      Berringers Nachricht auf Peter Geraths Mailbox blieb unbeantwortet. Daher griff der Detektiv am nächsten Morgen selbst zum Telefon, um ihn zu kontaktieren.

      „Haben Sie meine Nachricht nicht bekommen?“

      „Welche Nachricht?“

      „Es geht um Matthias Gerndorf. Das war der Typ, der neulich vor Ihrem Haus herumgelungert hat. Der Golffahrer. Sie erinnern sich?“

      „Ja, schon ...“

      „Sagt Ihnen der Name was?“

      Schweigen.

      „Was ist?“

      „Wir besprechen das ein anderes Mal“, sagte Peter Gerath und legte auf.

      Später besuchte Berringer seinen Ex-Kollegen Björn Dietrich in dessen verqualmten Büro im Krefelder Polizeipräsidium am Nordwall.

      „Du kommst gerade richtig. Sieh dir das mal an, Berry.“

      „Worum geht es?“

      „Erkenntnisse unserer Ballistiker.“

      „In Fernsehkrimis sind die immer viel schneller fertig.“ Auf dem Schreibtisch lag ein Grundriss, der Haus und Grundstück von Peter Gerath und die Nachbargrundstücke zeigte. Eine gerade rote Linie markierte die Schusslinie.

      „Wie du dir denken kannst, geht es um das zweite Attentat auf Gerath.“

      „Als ihn die Kevlarweste gerettet hat.“

      „Genau. Er ging nach den Angaben, die er uns gegenüber machte, kurz auf die Terrasse, um frische Luft zu schnappen. Der Schuss wurde vom Balkon eines Nachbarhauses abgegeben. Der Täter muss dort ziemlich lange auf der Lauer gelegen haben.“

      „Und seine Bodyguards?“

      „Einer war auf der Toilette, und der andere hat sich erst mal um Herrn Gerath gekümmert und ihn gesichert. Wahrscheinlich stand er in der Schussbahn, sodass der Täter es nicht noch einmal versuchte.“

      Berringer deutete auf das Nachbarhaus. „Wer wohnt dort?“

      „Niemand. Das Haus steht zum Verkauf, nachdem der Besitzer umgezogen ist.“