Alfred Bekker

Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten


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sah bis zu diesem Tag nicht ein, wozu eigentlich.

      Warum sollte er, der doch der Betrogene in dieser Angelegenheit war, den ersten Schritt machen?

      „Weil du der Vater bist, und Andreas ist dein Sohn!“ Noch immer hatte er Reginas Antwort auf diese Frage im Ohr und versuchte sie verzweifelt, aus seinem Kopf zu verbannen.

      Die Verlegenheit war beiderseitig.

      „Wie geht es dir, Andreas?“

      Er antwortete nicht gleich. „Ich bin als Versicherungsberater tätig.“

      „Das habe ich gehört. Aber das war keine Antwort auf meine Frage.“

      „Vom Koks bin ich los, wenn du das meinst. Von ein paar anderen Dingen noch nicht.“

      „Das heißt, du spielst noch.“

      „Ja“, gab er zögernd zu. „Aber das bekomme ich auch noch in den Griff.“

      „Warum rufst du an? Brauchst du Geld?“

      Tief in seiner eigentlich sehr empfindsamen Seele hoffte Peter Geraths, dass Andreas Nein sagen und sich seine Vermutung nicht bestätigen würde. Er hoffte, dass Andreas einfach nur so anrief. Ohne einen Hintergedanken, ohne ein konkretes Ziel, abgesehen davon, wieder Kontakt zu seinem Vater aufzunehmen.

      Aber das war nicht der Fall.

      „Ja“, sagte Andreas. „Ich brauche Geld. Sehr viel Geld.“

      „Wie viel?“

      „500.000 Euro. Und die Leute, denen ich es schulde, fackeln nicht lange.“

      „Wollen die dir was antun?“

      „Nein, sie würden mich nicht töten. Schließlich bin ich die Kuh, die sie noch melken wollen.“

      „Aber ...“ Die Gedanken begannen in Peter Gerath zu rasen.

      „Sie wollen dich umbringen, Vater. Und sie haben mir gesagt, dass sie es auch schon beinahe erledigt hätten. Bislang hätten sie dich absichtlich nicht getötet.“

      „Das ... das ist doch absurd!“, schrie Gerath.

      „Nein, das ist sogar ziemlich clever, Vater“, widersprach sein Sohn. „Wenn sie dich töten, bekomme ich mindestens mein Pflichtteil – und das bedeutet, die Schweine bekommen ihr Geld!“

      Peter Gerath war wie vor den Kopf gestoßen. „Das ist nicht wahr“, keuchte er.

      „Wieso hast du mir nichts gesagt?“

      „Ich hab nicht geglaubt, dass sie ernst machen.“

      „Was sind das für Typen?“

      „Der Anführer ist ein Deutsch-Rumäne. Er heißt Commaneci und ist hier in Düsseldorf eine bekannte Unterweltgröße.“ Eine Pause folgte. Gerath war unfähig, auch nur einen einzigen Ton herauszubringen. „Ich muss jetzt Schluss machen“, sagte Andreas Gerath und unterbrach die Verbindung.

      Peter Gerath überlegte. Dann suchte er die Nummer von Robert Berringer aus dem Telefonregister. Aber statt die Stimme des Detektivs bekam Peter Gerath nur einen monotonen Satz zu hören: „Der Teilnehmer ist momentan nicht zu erreichen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht auf der Mailbox.“ Robert Berringer zog sich so leise wie möglich an. Aber er war offenbar dennoch nicht leise genug. Wiebke Brönstrup räkelte sich in den Kissen, langte auf die andere Bettseite und begriff dann, was los war.

      „Du willst gehen?“

      „Ja.“

      Sie gähnte. „Warum bleibst du nicht bis zum Frühstück?“

      „Wir wollen es nicht gleich übertreiben“, meinte er.

      Sie war auf einmal hellwach, setzte sich im Bett auf und strich sich das rote Haar zurück. „Es sind doch nur noch ein paar Stunden, bis wir beide aus den Federn müssen!“

      Berringer lächelte. „Bis du aus den Federn musst“, korrigierte er. „Wann ich aufstehe, bestimme ich selbst.“

      „Und lässt die Arbeit von deinen beiden Angestellten machen.“

      „Genau.“

      „Noch ein Grund mehr, einfach hier zu bleiben.“

      „Nein.“

      Sie wechselten einen Blick. Ihr entging nicht das besondere Timbre, in dem er dieses letzte „Nein“ gesprochen hatte. Endgültigkeit lag darin. Und noch etwas anderes.

      Furcht vielleicht? Aber wovor? Sie verstand es nicht.

      „Sag mir, was los ist“, forderte sie. „Ich dachte, du hättest dich tatsächlich geändert.

      Du hast sogar dein Handy beim Sex ausgemacht, das habe ich früher nie bei dir erlebt. Du warst so sensibel und einfühlsam - und jetzt lässt du mich einfach allein?“

      „Nein, so ist das nicht.“

      „Wie ist es dann? Hat es dich vielleicht irritiert, dass ich die Initiative ergriffen habe?

      Aber erstens hätte ich wahrscheinlich lange darauf warten können, dass du den ersten Schritt machst, und zweitens dachte ich, als moderne selbstständige Frau ... Mein Gott, wir sind ja schließlich keine Teenager mehr!“

      „Es ist ganz einfach: Ich möchte hier nicht einschlafen.“

      „Aber weshalb nicht?“

      „Ich ... ich ...“ Er wedelte mit den Händen in der Luft herum, suchte die richtigen Worte. „Ich träume manchmal schlecht“, gestand er dann. „Und ich möchte nicht, dass jemand das mitkriegt.“

      „Ich bin nicht die Prinzessin auf der Erbse. Früher habe ich dein Schnarchen schließlich auch ausgehalten.“

      „Ich rede nicht von Schnarchen.“

      „Aber ...“

      „Akzeptier es einfach.“

      „Robert ...“

      „Ich kann es nicht und Punkt. Noch nicht.“

      „Aber ich ...“

      „Gute Nacht. Oder guten Morgen. Ganz wie du willst.“

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