passiert ist.“
„Sie wurde gefoltert und zum Schluss mit einem aufgesetzten Schuss getötet“, sagte Clive. „Wir vermuten, das man aus ihr herausbekommen wollte, wo sich Sonny D’Andrea befand. Der wurde nämlich wenig später umgebracht.“
„Dann war sie einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort...“
„D’Andrea vertraute ihr offenbar...“
„Ja, er überließ ihr häufig seinen gelben Sportwagen, weil er selbst nicht mehr fahren durfte.“ Sie zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht können Sie uns helfen. Sagen Sie uns möglichst viele Einzelheiten aus Beverlys Leben – vor allem in den letzten Wochen. Hat sich irgendetwas verändert?“
„Ja, sie ist plötzlich wieder hier eingezogen, obwohl sie monatelang nur noch pro forma hier gewohnt hat. Ich habe sie gefragt, ob sie sich mit Gold-Sonny gestritten hätte, aber das war wohl nicht der Fall. Sie wirkte sehr angespannt und hat viel telefoniert. Ich habe ihr die Adressen von Maklerfirmen herausgesucht.“
„Wir vermuten, dass Mister D’Andrea untertauchen wollte und Beverly ihm dabei half. Hat sie irgendwann einmal darüber gesprochen?“
Milla Johson überlegte einen Moment und schüttelte anschließend energisch den Kopf.
„Nein“, murmelte sie. „Aber sie hat mir die Telefonnummer von jemandem gegeben, dem ich Bescheid sagen sollte, falls ihr etwas passieren würde.“
„Geben Sie uns diese Nummer bitte.“
Sie kramte einen Zettel aus ihrer engen Jeans und gab ihn Orry. „Eine Handy-Nummer. Haben Sie dort schon angerufen?“
„Ich habe auf eine Mailbox gesprochen, gleich nachdem der Police Officer hier war und mir von Beverlys Ermordung berichtet hat.“
Orrys Handy klingelte in diesem Augenblick.
Unser Kollege sagte zweimal kurz „Ja!“ und schließlich einmal „In Ordnung!“ bevor er das Gespräch beendete.
„Es gab eine Schießerei im Dachgarten des Lokals Chez Jules in Chelsea. Jimmy Kim ist dabei ermordet worden“, berichtete Orry.
„Da werden jetzt offenbar Rechnungen der Vergangenheit ausgeglichen!“, murmelte Clive.
28
Von der Bronx nach Yonkers ist es nicht besonders weit. Wir forderten daher die SRD von New York an, um die Untersuchungen in Catherine’s Bar durchzuführen. Schließlich waren die Mitarbeiter bereits mit unserem Fall vertraut und wir konnten hoffen, dass Parallelen zu anderen Morden, die in irgendeiner Form mit dem Auftauchen von Big Tony Damiani zu tun hatten, schneller auffielen, wenn dieselben Kollegen den Fall bearbeiteten.
Die erste Parallele ergab sich sehr schnell. Ein Turnschuhabdruck, der mit einem online abrufbaren Abdruck übereinstimmte, den wir von dem Täter im Mordfall D’Andrea/Reynolds hatten.
Der Gerichtsmediziner Dr. Brent Claus nahm die Erstuntersuchung an der Leiche von Mark Manetta vor. „Er starb durch einen aufgesetzten Schuss – genau wie Beverly Reynolds“, stellte er fest. „Ich wette, dass der Durchmesser des Hämatoms exakt mit dem Wert übereinstimmt, die wir dort gemessen haben.“
„Ob es wirklich derselbe Täter war, werden wir natürlich erst nach der ballistischen Untersuchung mit Sicherheit sagen können“, meinte Milo. „Aber die Wahrscheinlichkeit erscheint mir ziemlich hoch.“
„Gehen Sie ruhig davon aus“, sagte Dr. Claus. „Außerdem könnte ich mir denken, dass der Mörder sein Opfer zunächst bedroht hat und beide noch miteinander sprachen. Andernfalls ist nicht erklärbar, wie es zum Aufsetzen des Schusses kommen konnte.“
„Also ging es auch hier um das Erpressen von Informationen?“, fragte ich.
Dr. Claus zuckte die Achseln. „Das herauszufinden ist Ihr Job, Jesse!“
29
Wir befragten das Personal und die Gäste von Catherine’s Bar. Aber die Aussagen brachten uns zunächst nicht weiter. Vom Täter wussten wir bis jetzt nur, dass er über 1,90 war, große Füße hatte und Turnschuh trug.
Der Barkeeper glaubte sich an jemanden zu erinnern, auf den diese vage Beschreibung passte. „Von seinem Gesicht habe ich fast nichts gesehen, er trug eine Baseballmütze und eine Spiegelbrille – selbst hier drinnen. Mister Obercool. Hat einen einfachen Whiskey bestellt. Er saß zwei Stunden hier – allerdings, bevor der Mann kam, den Sie mir auf dem Foto zeigten.“
„Mister Manetta.“
„Ja genau. Seinen Namen wusste ich nicht, aber der kam häufig. Fast immer zur selben Zeit.“
„Wissen Sie ob dieser Mister Obercool auf der Toilette war?“
„Er hat mich jedenfalls danach gefragt wo sie ist. Ich habe meine Gäste nicht ständig im Auge. Übrigens fingerte er immer an einem Goldkreuz herum, das er um den Hals trug. Das war wie ein nervöser Tick oder so etwas.“
Wir fragten die anderen Gäste nach dem Mann. Aber es konnte sich nur einer an ihn erinnern.
Und das auch nur flüchtig. Verwertbare Aussagen bekamen wir nicht. Also begannen wir, die umliegenden Geschäfte abzuklappern.
Vielleicht hatte ja irgendjemand etwas Merkwürdiges beobachtet oder besaß sogar eine Videoüberwachungsanlage, auf der erkennbar war, wer vor der Bar geparkt hatte. Aber da wir uns nicht gerade in der besten Gegend von Yonkers befanden, war der Sicherheitsstandard der Geschäfte nicht besonders hoch. Die Erträge, die hier von den Geschäftsleuten verdient wurden, waren einfach nicht groß genug und an der Sicherheit glaubten viele am ehesten sparen zu können.
Schließlich nahmen wir uns auch noch den Hinterhof vor. Sehr wahrscheinlich hatte er die Bar durch die Hintertür verlassen. Der Hinterhof, der sich daran anschloss, diente Lieferantenfahrzeugen als Parkplatz. Müllcontainer standen hier. Die meisten quollen über.
Ein paar Kinder spielten Basketball. Wir befragten auch sie, aber sie spielten offenbar erst seit kurzem hier und hatten nichts gesehen.
„Fürs Erste müssen wir uns wohl geschlagen geben, Jesse“, sage Milo.
„Aber nur fürs Erste“, erwiderte ich.
„Na komm schon, du weißt, dass unser Job etwas für Leute mit Geduld ist, Jesse!“
„Das musst du auch gerade sagen.“
„Über einen Punkt komme ich immer noch nicht hinweg.“
„Welchen?“
„Die Limousine, die dieser Clay gesehen haben will.“