Dr. med. Fritz Friedl

Die heilsame Kraft der Wärme


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der TCM abgeleiteten Fehleinschätzungen betrifft Milch und Milchprodukte. Weder trifft es zu, dass in China keine Milch verwendet wird, noch dass sie generell unverträglich sein soll. Fakt ist allerdings, dass Menschen, die mit Wassereinlagerungen im Gewebe zu Müdigkeit nach dem Essen oder zu Blähungen und Verdauungsbeschwerden neigen, überprüfen sollten, ob dies in einem Zusammenhang mit dem Genuss von Joghurt, Käse oder Milchshakes stehen kann. Menschen mit einem angeschlagenen Verdauungssystem werden dann möglicherweise feststellen, dass ein Vermeiden von Milchprodukten tatsächlich Veränderungen nach sich ziehen kann. Das liegt daran, dass unser Körper mit klaren Flüssigkeiten wie Leitungswasser oder Tee leichter fertig wird als mit solchen, in denen sich Schwebstoffe mit Flüssigkeit verbinden, wie eben in Milch oder auch beispielsweise im Orangensaft. Das Trennen von »klaren und trüben Säften«, wie die chinesische Medizin das nennt, kann ein Problem darstellen. Sie sollten daher Ihr Ernährungsverhalten hinsichtlich dessen sorgsam prüfen und die Dosierung Ihrem Naturell anpassen, aber keinen generellen Verzicht anstreben.

      KAFFEE

      Ähnlich sieht es mit dem Genussmittel Kaffee aus. Auch das wird häufig abgelehnt, obwohl ein Tässchen Kaffee die Gesundheit der meisten Menschen nicht beeinträchtigt. Kaffee aktiviert das Qi, deshalb ist es am Morgen ein belebendes Getränk. Wenn Sie jedoch das Bedürfnis haben, ganztägig Kaffee aus Isolierkannen zu trinken, dann sollten Sie sich fragen, warum Ihr Energiehaushalt eine ständige Initialzündung braucht. Der dazu verwendete Kaffee ist dann ein Symptom dafür, dass Ihre Eigensteuerung nicht funktioniert, der erhöhte Kaffeeverbrauch zeigt das Problem – aber er ist nicht »schuld« daran.

      TRINKEN

      Hierzulande quälen sich viele Menschen, die vorgeschriebenen eineinhalb bis drei Liter Wasser zu trinken. Sie quälen sich deshalb, weil Trinken ohne Durstgefühl nicht leichtfällt. In Asien trinkt man üblicherweise morgens eine schöne große Tasse Früchtetee oder grünen Tee. Nach dem Frühstück nimmt man die gleiche Tasse mitsamt den Teeblättern mit in die Schule, Arbeit oder wohin auch immer. Und wo immer man auf heißes Wasser trifft – und das ist in Asien an vielen Plätzen der Fall, denn Teetrinken ist ein überall gepflegter Brauch –, bedient man sich und trinkt wieder ein bisschen Tee. Im Laufe des Tages verlieren die wiederverwendeten Teeblätter an Wirkung, daher wird der grüne Tee eher hellgrün, somit wird auch die kreislaufaktivierende Funktion des Tees im Laufe des Tages immer weniger und es gibt auch nachts keinen Überhang, der zu Schlafstörungen führt. Dieses regelmäßige Trinken ist sehr gesund, da es eine wiederkehrende Erwärmung und Anregung des Stoffwechsels bewirkt. Und kein Mensch macht sich in Asien Gedanken, wie viel Wasser er auf diese Weise zu sich genommen hat! Wir tun unserem Körper Gutes, wenn wir also nicht generell viel trinken, sondern ihm regelmäßig Warmes zuführen.

      ROHKOST

      Rohkost ist nicht für jedermann geeignet. Wer zu schnell isst oder wessen Funktionskreis Milz geschwächt ist, der wird auf Rohkost mit Blähungen und Stuhlunregelmäßigkeiten reagieren. Das gilt noch mehr, wenn Rohkost kalt zubereitet wird, wie es in Form von Smoothies der Fall ist. Kochen hingegen präpariert Lebensmittel, sodass sie leichter verarbeitet werden können. Entscheidend ist das Ergebnis, wie es Ihnen also ganz persönlich bekommt: Wenn Sie sich wohlfühlen, ist alles gut. Wenn nicht, sollten Sie nach anderen Erfahrungen suchen, denn Ihr Organismus entscheidet, was ihm guttut. Verdauungsbeschwerden sind dabei wie Lampen auf dem Armaturenbrett anzusehen, die Ihnen den Störungsfall anzeigen.

      Diagnosen wie Reizdarm oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten beschreiben Funktionsstörungen, bei denen kein organischer Befund vorhanden ist und es trotzdem zu Beschwerden kommt. Das heißt übersetzt: Rein technisch ist alles in Ordnung, aber es funktioniert leider nicht perfekt. Nehmen Sie den ersten Teil als Beruhigung – es gibt keinen Anlass zu Reparaturen und Operationen. Der zweite Teil hingegen kommentiert Bedienfehler, also eine Nichtübereinstimmung Ihrer Konstitution und Ihrer Lebensführung. Nehmen Sie die Herausforderung an, Ihre Ernährung so zu verändern, bis Ihr Körper die Warnlampen (Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall) abstellt und Ihnen wieder Wohlbefinden signalisiert.

      DIE BEDEUTUNG VON HEISSHUNGER AUF SÜSSES

      Manche Symptome sind ein Albtraum. Jeder kennt sie, steht damit auf Kriegsfuß und wird immer wieder zum Fehlverhalten gedrängt. Besonders schlimm ist Heißhunger auf Süßes, der beim Essen immer noch größer wird und dem eine ganze Tafel Schokolade oder eine Packung Pralinen geopfert werden muss. Hinterher kommt dann das schlechte Gewissen, denn man wollte ja eigentlich Kalorien reduzieren, Kohlenhydrate vermeiden und den bösen raffinierten Zucker umgehen. Im Allgemeinen definieren wir dieses Verhalten als Disziplinlosigkeit und als psychische Verfehlung – bei uns selbst und bei unseren Mitmenschen, die ja nur weniger essen müssten, um ihr Gewicht zu halten …

      Heißhunger auf Süßes ist jedoch keine Einbildung, sondern ein Symptom für eine ganz aktuelle Qi-Schwäche, die nicht nur den Stoffwechsel im Bauch, sondern vor allem auch den im Gehirn vermindert. Der Griff zum Süßen ist also eine Art Therapie – allerdings keine besonders gute und wirksame! Denn bedauerlicherweise führt die Verarbeitung von Süßigkeiten nicht zu einer echten Stärkung. Sie ist deshalb nicht nachhaltig und führt zu einem baldigen Wiederauftreten des Hungergefühls.

      Wenn Sie aus dieser Konfliktsituation herauskommen wollen, dann sollten Sie nicht gegen sie ankämpfen. Ein reales Bedürfnis können wir nur beseitigen, wenn wir unserem Körper helfen, nicht in diese schwierige Situation zu kommen. Nehmen Sie es als Warnzeichen Ihres Stoffwechsels, wenn Ihr Körper Sie zwingt, etwas Ungesundes zu machen. Genauere Kenntnisse über den Stoffwechsel helfen Ihnen dabei, ihn zu verstehen und eine Mangelsituation zu vermeiden.

      In Europa haben wir glücklicherweise kein Problem mit der Beschaffung von Nahrungsmitteln. Der Lebensmittelmarkt floriert, alles ist in unbegrenzten Mengen in den Regalen vorhanden, die Preise sind günstig – jedenfalls wenn man die langfristigen Entwicklungen von Benzin, Strom und Mieten mit der Preisentwicklung von Eiern, Fleisch und Gemüse vergleicht. Daher braucht der Großteil der europäischen Bevölkerung keine mangelnde Versorgung zu befürchten. Die Menschen kämpfen eher mit der Bewältigung von Überversorgung und Begrenzung.

      Die Folge daraus: Es gibt einen gewaltigen Markt von Empfehlungen für Gewichtsreduktion und Wohlfühldiäten. Viele haben eine Fülle von Diätexperimenten hinter sich und keine Maßnahme hat schlussendlich dazu geführt, dass das Problem grundlegend verschwunden wäre. Für die Medienwelt ist dies eine sehr dankbare Situation: Sie kann darauf vertrauen, dass jede Neuerung begierig aufgesogen wird und dass dieses unstillbare Bedürfnis auf Dauer die Nachfrage erhalten wird.

      Gleichzeitig drängt die Medizin zur Gewichtsreduktion, da sie uns immer wieder nahelegt, dass Übergewicht unsere kostbare Lebenszeit vermindern kann. Dies gilt noch verstärkt, wenn Zuckerkrankheit, Bluthochdruck, Bewegungsmangel, erhöhte Blutfette zusammenkommen, was der Fachmann dann mit dem Begriff »metabolisches Syndrom« bezeichnet. Die Folgen in Form von Arteriosklerose und Gefäßerkrankungen stellen nach Tumoren und Unfällen die häufigsten Erkrankungen mit Todesfolge dar und verkürzen bei vielen Menschen die Lebenserwartung um zehn oder mehr Jahre. Damit ist der Kampf um das Körpergewicht zu einem Leistungssport geworden, der das Selbstbewusstsein vieler Menschen beeinträchtigt. Wenn alle Versuche scheitern, wenn die Waage immer wieder unerfreuliche Ergebnisse zeigt, wenn am Ende jeder Reduktionsdiät der Jo-Jo-Effekt überwiegt und das Gewicht stagniert, dann bleibt nur noch der Frust. Hilflosigkeit und Resignation sind dann an der Tagesordnung. Dazu ein Vergleich aus der Tierwelt: Wild lebende Tiere kämpfen im Allgemeinen nicht mit Übergewicht. Obwohl (oder weil) sie keine Informationen über gesunde Ernährung erhalten, verfügen sie offensichtlich über ein natürliches Empfinden, welche Nahrung ihnen guttut. Oder anders formuliert: Sie verfügen über einen gesunden Stoffwechsel, der dazu führt, dass sie die aufgenommene Nahrung optimal verarbeiten. Denn genau dies ist die Aufgabe des Stoffwechsels: unseren Organismus gut zu versorgen, die Abfallstoffe zu trennen und möglichst regelmäßig zu entsorgen.

      Auch