die Atmung können wir weit mehr beeinflussen, als den meisten Menschen bewusst ist. Dabei ist die tiefe Bauchatmung (Zwerchfellatmung) wichtig. Durch eine tiefe und ruhige Atmung können wir zum Beispiel jederzeit beruhigend und vitalisierend auf unser Gesamtsystem einwirken. Atmung ist ein mächtiger allgegenwärtiger Wohlfühlzugang. Eine ideale Verbindung von Bewegung, Entspannung, Geistestraining und Atmung findet sich im Qigong (mit Atmung und Qigong beschäftigen wir uns im Kapitel »Den Körper kräftigen« ab >).
»Du bist dein eigener Herr und Meister.
Deine eigene Zukunft hängt von dir selbst ab.«
BUDDHA
VERÄNDERUNG ERMÖGLICHEN
Jeder von uns kann mit den Shaolin-Übungen mehr Energie und Kraft entwickeln. Voraussetzung ist, dass wir das wirklich wollen und dadurch bereit sind für eine Veränderung. Dafür müssen wir natürlich auch etwas tun, denn Veränderungen passieren nicht von selbst.
Das wichtigste Zugpferd bei einer Veränderung ist die gefühlte Attraktivität des »Nachher«, also des Ziels, welches wir erreichen wollen. Hierauf liegt der 1. Fokus, die Motivation. Da uns im Alltag jedoch oft entgleitet, wie sich das »Nachher« anfühlt, brauchen wir unsere Kraft der Vorstellung, mit der wir auf das »Nachher« fokussieren können. Je intensiver wir dieses »Zielgefühl« spüren, je besser sich diese Vorstellung anfühlt (oder je schmerzhafter das »Vorher«, also die gegenwärtige Situation ist), desto eher sind wir bereit, die Hindernisse zu überwinden. Für diesen 2. Fokus müssen wir Energie investieren, um uns mit den Hindernissen auseinanderzusetzen. Wollen wir zum Beispiel abnehmen, ist zunächst das Wichtigste, sich das attraktive Gefühl vorzustellen, wie sich ein leichterer (schlankerer) Körper anfühlt (Fokus 1: gefühlte Attraktivität). Damit wird der eigentliche Veränderungsschritt erleichtert, nämlich das Investieren von Energie (Fokus 2: Hindernisse) in eine veränderte Ernährung und/oder mehr Bewegung.
HINDERNISSE ANNEHMEN UND ÜBERWINDEN
Auf neuen Wegen begegnen uns meist Hindernisse und Widerstände (Fokus 2). Diese können ganz unterschiedlicher Natur sein. Da ist zum einen unser innerer Schweinehund, unsere Bequemlichkeit, die uns daran hindern kann, uns aufzuraffen und noch Vokabeln zu lernen oder unsere Achtsamkeitsübungen zu machen. Schließlich sind wir doch schon reichlich müde nach einem anstrengenden Tag. Da wäre es doch viel angenehmer, vor dem Computer oder Fernsehapparat zu sitzen und einen netten Film anzusehen.
Auch unser Umfeld, die Familie oder Freunde, können mit unseren neuen Vorhaben unzufrieden sein, weil wir ihnen vielleicht weniger Zeit schenken als zuvor oder weil sie gar nicht wollen, dass sich etwas ändert. Manchmal stehen uns auch Ängste im Weg, vielleicht die Angst vor dem Unbekannten oder vor möglichen Gefahren. Doch Hindernisse lassen sich Schritt für Schritt überwinden.
DIE POSITIVE SEITE DER HINDERNISSE FÜR SICH VERWERTEN
Wichtig ist zunächst, dass wir die Hindernisse annehmen und ernst nehmen und nicht nach der Devise handeln: Augen zu und durch! Das geht meistens nicht gut. Besser ist es, nach der positiven Absicht dahinter zu fragen. So hat Angst auch eine Schutzfunktion in dem Sinne, dass wir uns in einer bestimmten Situation nicht überfordern oder Gefahren unterschätzen. Wenn wir beispielsweise Angst haben, einen steilen Berggrat zu gehen, soll uns das davor schützen, leichtsinnig und übermütig loszugehen.
Und welchen Nutzen hat unsere Bequemlichkeit? Sie schützt uns zum Beispiel davor, zu viel Energie zu verbrauchen, und hilft uns, unsere Kräfte zu schonen und uns zu regenerieren. Ähnlich ist es auch, wenn wir an Gewohnheiten und Routine festhalten: Das spart Energie.
Und da jede Veränderung zunächst einmal Energie kostet, bevor sie unsere Energie vermehren kann, bewegt uns dieser Schutzmechanismus erst einmal zum Innehalten.
Tauchen Hindernisse auf, können wir versuchen, ihre positiven Aspekte in unser Vorhaben einzubinden: den Schutzfaktor »Angst« etwa, indem wir die Veränderung langsam, bedacht und vorsichtig planen, bevor wir loslegen; den Wohlfühlfaktor »Bequemlichkeit« durch immer wieder achtsames Innehalten auf dem Weg der Umsetzung, damit wir nicht tatsächlich zu viel Energie verbrauchen. Hindernisse aus dem Umfeld können wir überwinden, indem wir etwa unserer Familie erklären, warum wir regelmäßig üben wollen – und dass sie vielleicht auch davon profitiert, wenn wir innerlich ruhiger und ausgeglichener sind.
DIE KRAFT DER VORSTELLUNG NUTZEN
Um mit Hindernissen besser umgehen zu können und Veränderungen zuzulassen, hilft uns also die gefühlte Attraktivität, eine klare Motivation, ein starkes positives Gefühl für das, was uns danach erwartet. Hier kommt Imagination, die Kraft der Vorstellung, ins Spiel. Je deutlicher wir uns vorstellen können, wie wir uns fühlen, wenn wir unser Ziel erreicht haben, wo wir uns dann sehen und wie sich unser Leben zum Positiven verändert haben wird, umso größer ist unser Antrieb, die notwendigen Schritte zu gehen, die Mühen auf uns zu nehmen und die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Wie Sie Ihre Fähigkeit zur Imagination trainieren können, erfahren Sie auf den folgenden Seiten.
MENTALE POWER ENTWICKELN
Das größte Geheimnis der Shaolin-Mönche besteht für uns in der besonderen Kraft, die sie aus der Beherrschung ihrer Gedanken beziehen. Dahinter steckt ein grundlegender Unterschied zwischen östlicher und westlicher Mentalität. Nimmt der abendländisch geprägte Mensch seine Gedanken normalerweise sehr ernst und neigt dazu, sich mit ihnen zu identifizieren (»Ich denke, also bin ich.«), sieht ein östlich sozialisierter Mensch seine Gedanken als nicht so wichtig an. Buddhisten haben die Einstellung, dass Gedanken kommen und gehen, dass sie wie Wolken am Himmel vorüberziehen und deshalb auch nicht so ernst genommen werden müssen.
Zudem können wir lernen, unsere Gedanken zu kontrollieren und sie für unsere Ziele zu nutzen. Das geschieht in drei Schritten.
1. SICH DIE GEDANKEN BEWUSST MACHEN
Zunächst sollten wir uns die Tatsache bewusst machen, dass wir ständig denken. Normalerweise schweifen unsere Gedanken unbewusst in alle möglichen Richtungen ab. Nicht gemeint sind hierbei die Gedanken, die wir bewusst denken, die uns helfen, unser Leben zu organisieren, unsere Arbeit zu machen, zu planen, zu analysieren, zu reflektieren. Wir sprechen hier von dem unbewussten gedanklichen Hintergrundrauschen, das wir ähnlich wie das Brummen des Kühlschranks irgendwann gar nicht mehr wahrnehmen. Schätzungsweise sind es etwa 40 000 bis 60 000 Gedanken, die uns Tag für Tag durch den Kopf gehen, von denen sich aber 90 Prozent immer wieder um das Gleiche drehen. Das können Sie selbst umgehend prüfen. Nehmen Sie sich eine Minute Zeit und beobachten Sie Ihre Gedanken. In der Regel bleiben wir mit unseren Gedanken da hängen, wo sie um Schwierigkeiten und Probleme kreisen. Das entzieht uns enorm viel Energie, denn jeder Gedanke ist Energie. Achtsamkeits- und Meditationsübungen unterstützen uns dabei, unsere Gedanken bewusst wahrzunehmen, sie kommen und ziehen zu lassen.
2. DIE GEDANKEN ZUR RUHE BRINGEN
Im nächsten Schritt können wir dafür sorgen, dass es stiller wird in unserem Kopf, dass die Gedanken uns zur Ruhe kommen lassen, bevor wir sie bündeln und auf einen bestimmten Fokus, auf ein Ziel hin ausrichten. Das heißt letztlich, bewusst zu denken oder zumindest die Gedanken bewusst zu beobachten. Diese Beobachtung und Kontrolle des Denkens reicht deutlich weiter, als es zunächst scheint, denn es betrifft auch die Gefühle. Sie entstehen nämlich aus Gedanken: Gefühle sind im Körper umgesetzte Gedanken. So löst beispielsweise das Gefühl der Angst eine körperliche Reaktion aus, etwa ein Fluchtverhalten oder Herzrasen. Würde ein Normalsterblicher mit dem Gedanken spielen, sich gleich eine Eisenstange auf den Kopf zu schlagen, würde sich sofort das Gefühl der Angst in seinem Körper ausbreiten. Wir könnten uns schwer verletzen – und tun das sehr wahrscheinlich auch.
Haben wir aber, wie die Shaolin-Mönche, gelernt, unsere Gedanken