Dr. Thomas Späth

Shaolin - Das Geheimnis der inneren Stärke


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Neid, Eifersucht, Ärger, Zorn und Angst schwächen uns, sie kosten viel Energie und trüben darüber hinaus unsere Lebensfreude. Gelingt es uns, die Ursachen dafür, nämlich die Gedanken, die zu diesen Gefühlen führen, zu erkennen und zu kontrollieren – was nichts mit verdrängen zu tun hat –, behalten wir unsere innere Stärke. Das mit der Eisenstange wird zwar dennoch nicht so schnell funktionieren, dazu müssten wir wie die Mönche das Training zur Hauptaufgabe unseres Lebens machen. Aber schon mit deutlich weniger Aufwand können wir enorme innere Kräfte entwickeln.

      3. MIT IMAGINATION DIE GEDANKEN GEZIELT STEUERN

      Das gelingt uns mithilfe der Imagination, der Kraft der Vorstellung: Wir können lernen, unsere Gedanken und Vorstellungen dahin zu richten, wo wir sie haben wollen. So erzeugen wir eine enorme Kraft. Stellen Sie sich vor, Sie bündeln all Ihre Gedanken, also auch alle Energie Ihrer Gedanken. Dieses Bündel ist ungleich kraftvoller als ein einzelner Gedanke. Shaolin-Mönche schirmen ihren Kopf gegen die enorme Wucht der Eisenstange mit dieser Energie ab. So passiert ihnen gar nichts – ganz ohne Hokuspokus. In unserem Leben könnte das bedeuten, dass wir unsere geistige Kraft auf ein Ziel richten, das wir erreichen möchten, etwa eine berufliche Veränderung oder ein wichtiges Gespräch mit unserem Partner. Wir stellen uns diese Situation vor unserem inneren Auge vor und richten unsere Gedanken darauf, immer wieder. Wie die Gehirnforschung zeigt, kann unser Unterbewusstsein nicht unterscheiden, ob wir etwas wirklich erleben oder ob wir es uns intensiv vorstellen. In beiden Fällen sind exakt dieselben Hirnareale aktiv. Diese Tatsache können wir nutzen: Wenn wir uns ein Ziel wirklich lange genug und intensiv vorstellen, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass unsere innere Vorstellung wirklich eintritt. So ist zum Beispiel bekannt, dass der berühmte Golfer Tiger Woods vor seinem letzten Schlag minutenlang ruhig steht und imaginiert, wie er diesen Schlag ausführt. Dabei werden die Nervenzellen in seinem Gehirn quasi vorgeglüht, wodurch eine Bahn gelegt wird, die die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sein Schlag auch wirklich gelingt. Hat er in dem Moment allerdings auch anderes im Kopf, etwa hübsche Frauen, wird er sein Ziel nicht erreichen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir das Sammeln unserer Gedanken, wie oben beschrieben, intensiv trainieren und uns nicht ablenken lassen.

      Zwar denken die meisten Menschen viel über ihre Ziele oder bestimmte Situationen nach. Meist bringt sie das aber nicht weiter, da dieses Nachdenken häufig ein unbewusstes, unkontrolliertes und nicht zielgerichtetes Grübeln ist und daraus negative Gefühle wie Zweifel und Versagensängste entstehen. In diesem Fall werden im Gehirn zwar ebenfalls Bahnen gelegt, aber eben in eine ungünstige Richtung. Erst wenn es uns gelingt, unseren Geist zur Ruhe zu bringen, unsere Gedanken bewusst zu kontrollieren und dadurch keine negativen Gefühle zu erzeugen, können wir durch Imagination, mit unserer Vorstellungskraft, die positive Energie gezielt dahin lenken, wo wir sie haben wollen.

      Lesen Sie zu dem Thema auch die Kapitel ab > und >.

      ZWEI KULTUREN, EIN ERGEBNIS

      Interessant ist, dass sich die Erkenntnisse der Positiven Psychologie, der modernen Hirnforschung, der Verhaltensforschung und der Resilienzforschung mit der Shaolin-Tradition decken. Das ist deshalb so bemerkenswert, weil hier zwei völlig unterschiedliche Kulturen zu demselben Ergebnis kommen. Am Beispiel der Resilienzforschung lässt sich das besonders gut zeigen. Hier wird untersucht, warum manche Menschen, obwohl sie in widrigen Verhältnissen geboren werden und aufwachsen, etwa in Slums von Indien oder Lateinamerika, später zu erfolgreichen und krisenfesten Menschen werden.

      RESILIENZ: WAS MACHT MENSCHEN ERFOLGREICH UND KRISENFEST?

      1. Ein klares Ziel

      Bei allen Menschen, die als resilient gelten, sind ähnliche Eigenschaften zu beobachten, die einen sozialen Aufstieg offenbar begünstigen. Zum einen sind sie intensiv auf der Suche nach einem Lebenssinn, danach, wohin es in ihrem Leben gehen soll. Die Zielrichtung ist klar und wird aktiv verfolgt: Es geht darum, in den Verhältnissen zu überleben, ihnen zu entkommen und es einmal besser zu haben als die Eltern oder die anderen Menschen in der Umgebung. Diese Vision verleiht ihnen Kraft, denn sie richten ihre Energie gezielt auf das aus, was sie erreichen wollen. Das entspricht der Imagination, mit der die Shaolin-Mönche ihre Energie gebündelt auf ein Ziel richten.

      2. Selbstwirksamkeit

      Ein zweiter enormer Kraftfaktor starker, krisenfester Menschen ist die sogenannte Selbstwirksamkeit: Sie haben die Fähigkeit entwickelt, Herausforderungen oder Hindernisse aus eigener Kraft zu überwinden – egal wie schlimm die Lebensumstände sind. Diese Selbstwirksamkeit hilft auch dabei, kreative Lösungen zu finden, um Ziele zu erreichen.

      3. Verbundenheit und Wertschätzung

      Eine weitere wichtige Energiequelle und Antriebskraft starker Menschen ist die Kraft der Verbundenheit und Wertschätzung. Sie entspringt aus der Aufmerksamkeit und Anerkennung, die sie durch andere Menschen erfahren. Das funktioniert sogar innerhalb von Kinder- und Jugend-Gangs in Slums. Auch hier existiert eine starke Gemeinschaft, auf die Verlass ist und mit der man sich nach außen hin wehren kann. Sowohl das Erweisen als auch das Erfahren von Wertschätzung spielen hier eine Rolle und verstärken noch die positive Wirkung der Zugehörigkeit (Verbundenheit), was als Synergieeffekt bezeichnet wird.

      BINDUNG UND WACHSTUM

      Die Resilienzforschung kommt zu dem Ergebnis, dass es vor allem zwei wesentliche Elemente sind, die Menschen selbst in widrigen Lebensumständen antreiben: zum einen die Bindung an Menschen und Gruppen, zum anderen der Drang zu wachsen.

      Bindung an die Mutter existiert bereits vor der Geburt durch die Nabelschnur, später wächst die Bindung an die Familie und eine Gruppe. Wer die Frage beantworten kann, wohin er gehört, empfindet und erfährt durch seine Verbundenheit die nötige Wertschätzung.

      Aber auch das Wachstum beginnt bereits im Mutterleib, unmittelbar nach der Befruchtung. So bilden sich schon im Mutterleib pro Minute Tausende von Gehirnzellen, der ganze Organismus wächst in einer enormen Geschwindigkeit. Im Lauf seiner körperlichen und geistigen Entwicklung wächst der Mensch dann normalerweise immer weiter über sich selbst hinaus, indem er die Umgebung entdeckt und die Welt erkundet, aber auch alte Muster loslassen kann.

      RESILIENTE MÖNCHE

      Bei Shaolin-Mönchen zeigt sich, dass zwei Eigenschaften besonders stark ausgeprägt sind: Es besteht eine enge Bindung an das Kloster, an die Gemeinschaft der Mönche, das »Sangha«. Zudem verfolgen sie ein klares Ziel, nämlich das Leid in der Welt zu mindern. Vor allem durch ihre öffentlichen Auftritte wollen sie zeigen, wie man mithilfe der Shaolin-Techniken eine solch enorme Kraft erzeugen kann. Der tiefere Sinn ihres Wirkens ist jedoch, den Menschen die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie große Energie und innere Stärke zu erzeugen sind, um damit letztendlich das Leiden zu mindern und glücklicher zu leben. Darin sehen sie ihre Aufgabe und ihren Sinn.

      In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie das alte und bewährte Erfolgsrezept der Shaolin-Mönche in Ihrem eigenen Alltag umsetzen können, um Ihre positive Energie zu vergrößern, stark und krisenfest durchs Leben zu gehen und Ihre Ziele zu erreichen.

      ACHTSAMKEIT BEWUSST LERNEN

      Eine wichtige Voraussetzung, um unsere Gedanken zu kontrollieren und damit innere Stärke zu entwickeln, ist Bewusstheit oder Achtsamkeit. Dieser Begriff spielt im (Chan-)Buddhismus, der auch der Shaolin-Philosophie zugrunde liegt, eine zentrale Rolle, nimmt aber in der westlichen Welt ebenfalls eine immer wichtigere Stellung ein, insbesondere im zwischenmenschlichen Bereich. Achtsamkeit bedeutet vor allem eine erhöhte Aufmerksamkeit, eine besondere Bewusstheit und Offenheit, ein Gewahrsein dessen, was ist.

      Der Schlüssel zu innerer Stärke, zu mehr Glück und weniger Leid ist das bewusste Erkennen der schnellen, unbewussten Reaktionsketten. Wenn wir erkennen,