Alfred Bekker

Sammelband 4 Fürstenromane: Liebe, Schicksal, Schlösser


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      Wirklich nicht?, fragte sie sich im Stillen. Und wieso hast du dann die halbe Nacht von ihm geträumt und nicht von Ted? Du hast Thomas im Traum sogar geküsst, und wenn der verdammte Hahn nicht gekräht hätte, wer weiß, was noch passiert wäre ...

      »Warum lächelst du jetzt wie eine verliebte Makrele?«, erkundigte sich Fürst Boris und sah sie misstrauisch an. »Gibt es vielleicht doch etwas, das mich davon abbringen könnte, dir Wildhirt als Begleiter zuzuteilen?«

      »Nein, Onkelchen ... äh ... Onkel Boris, da gibt es gar nichts«, beruhigte ihn Jenny. »Warum auch? Schließlich kenne ich Thomas kaum.«

      »Dann sorge dafür, dass es so bleibt!«, knurrte der Fürst.

      Jenny lachte. »Aber wie soll ich denn das anstellen? Es kann doch gar nicht ausbleiben, dass ich Thomas im Laufe der Zeit besser kennenlerne.«

      »Ich denke, dass du verstanden hast, was ich damit ausdrücken wollte«, entgegnete Fürst Boris. »Das gilt übrigens auch für andere Männer. Ich möchte deiner Mutter nicht mitteilen müssen, dass du schwanger bist.«

      »Aber Onkel!«, rief Jenny verärgert. »Für wen oder was hältst du mich? Ich bin nicht nach Deutschland gekommen, um die hiesige Männerwelt auszuprobieren, sondern um zu studieren. Und ich wiederhole es auch gern noch einmal: Ich bin so gut wie verlobt. Genügt das jetzt endlich, um dich von meinen moralischen Absichten zu überzeugen? Ich möchte weder deinen Verwalter verführen, noch sonst jemanden. Mein Ted genügt mir voll und ganz.«

      »Nun reg dich nicht auf!«, grummelte der Fürst. »Diese Sache musste ja von Anfang an zwischen uns geklärt werden. Schließlich hat mir deine Mutter eine gewisse Aufsichtspflicht für dich auferlegt.«

      »Auf mich muss niemand aufpassen«, stellte Jenny klar. »Ich bin alt genug, um es selbst zu tun. Gibt es sonst noch etwas?«

      »Nein«, erwiderte Fürst Boris. »Das soll für heute genügen.«

      »Das waren ja auch genügend Verhaltensregeln«, meinte Jenny. »Wie komme ich jetzt zu einem Pferd? Sagst du Thomas Bescheid?«

      »Ja, ich werde ihn informieren, dass er für dich und sich selbst ein Pferd satteln lässt und dich begleitet«, bestätigte der Fürst. »Sieh zu, dass du pünktlich zurück bist. Wir essen um zwölf Uhr zu Mittag.«

      Damit war sie entlassen und begab sich in ihr Zimmer, um sich für den Ausritt mit Thomas umzuziehen. Als sie zu den Stallungen kam, wurde sie bereits erwartet.

      »Guten Morgen, Jenny«, empfing Alexander sie mit einem vergnügten Lächeln. »Ich hoffe, du hast trotz des Theaters gestern Abend gut geschlafen?«

      »Wie ein Bär im Winter«, entgegnete sie. Von ihren Träumen erzählte sie ihm nichts. »Vielen Dank übrigens, dass du dir Zeit für mich nimmst.«

      »Nichts zu danken. Es geschieht auf allerhöchsten Befehl.«

      »Nur deshalb?« Jenny wirkte ein wenig enttäuscht. »Und ich dachte, du würdest gern mitkommen.«

      »So ist es ja auch. Nur hätte ich es von mir aus nie gewagt, dir meine Begleitung anzubieten, weil Seine Hoheit mich dann wahrscheinlich wieder gerügt hätte.«

      »Wieso das denn?«

      »Weil ein biederer Verwalter es sich nicht erlauben darf, sich an die blaublütige Verwandte eines Fürsten annähern zu wollen«, klärte Alexander das Mädchen mit den Worten seines Brötchengebers auf. »Denn genau so hätte es in seinen Augen vermutlich ausgesehen, wenn ich vorgeschlagen hätte, mit dir auszureiten. Zum Glück ist er jetzt selbst auf diese glorreiche Idee gekommen. Was mich wiederum wundert, weil er mir den Umgang mit dir praktisch verboten hat.«

      »Bei mir hat er gerade ähnlich geredet«, berichtete Jenny.

      »Über mich?«

      »Über dich und über andere Männer. Ihm wäre es offensichtlich am liebsten, wenn er mich unter eine große Glasglocke stecken könnte, damit ich mit niemandem in Berührung komme. Aber lassen wir das jetzt. Sehen wir uns lieber ein bisschen die Gegend an. Welches Pferd ist für mich gedacht?«

      »Der braune Hengst«, antwortete Alexander. »Er heißt Attila und ist ein braves Tier. Du wirst nicht viel Mühe mit ihm haben.«

      »Mit anderen Worten - er ist eine lahme Ente«, spöttelte Jenny.

      Alexander hob die Schultern. »Auch das ist eine Anweisung Seiner Majestät. >Geben Sie ihr Attila<, hat er befohlen. >Mit dem kann ihr nicht viel passieren.< Also gebe ich dir Attila. Und setz bitte auch diese Schutzkappe auf!«

      »Ich möchte aber lieber die schwarze Stute da reiten.«

      »Tut mir leid«, bedauerte Alexander. »Eine größere Auseinandersetzung mit dem Fürsten pro Woche genügt mir. Die von dieser Woche hatten wir gestern Abend. Also wirst du dich diesmal fügen müssen. Und ganz so übel ist Attila auch gar nicht. Du wirst schon sehen.«

      »Na schön«, willigte Jenny missmutig ein. »Aber die Schutzkappe trage ich nicht. Das ist bei uns in Amerika nicht üblich.«

      »Du bist aber nicht drüben, sondern hier in Deutschland. Also, tu mir bitte den Gefallen!«

      Jenny tat, wie ihr befohlen ward, dann band sie den Hengst los und schwang sich in den Sattel. »Auf geht’s, mein Freund! Zeig mal, was noch in dir steckt.«

      Das Tier reagierte brav und trabte los, war aber zu einer etwas schnelleren Gangart nicht zu bewegen.

      »Das ist ein Opa!«, rief Jenny ihrem Begleiter zu, der sie inzwischen eingeholt hatte und an ihrer Seite ritt. »Der schläft ja beim Laufen ein. Eine Frechheit, mir ein altersschwaches Tier anzudrehen. Ich möchte unseren Ausritt am liebsten abbrechen und meinem Onkel gehörig die Meinung sagen.«

      »Das ist deine Entscheidung, Jenny«, erwiderte Alexander. »Ich richte mich ganz nach deinen Wünschen.«

      »Dann überlass mir dein Pferd, Thomas!«

      Alexander schüttelte den Kopf. »Das darf ich, wie gesagt, leider nicht.«

      »Also gut«, fauchte Jenny verärgert. »Lassen wir’s heute dabei bewenden. Ein zweites Mal setze ich mich allerdings nicht mehr auf dieses Tier, so lieb es auch sein mag.«

      Sie überquerten eine blühende Wiese und gelangten zum nahen Wald. In diesem Moment vernahmen sie wütendes Gekläff, und dann sprang auch schon einer dieser gefährlichen Kampfhunde aus dem Gebüsch und ging, ohne zu zögern, auf Attila los. Dieser wieherte erschrocken, stieg mit den Vorderhufen auf, um gleich danach mit den hinteren zu bocken.

      Jenny, die mit so etwas nicht gerechnet hatte, stürzte aus dem Sattel, fiel mit dem Kopf zuerst auf den Boden und blieb regungslos liegen. Und schon war Alexander neben ihr, um sie vor etwaigen Angriffen des Hundes zu schützen. Doch dieser beschäftigte sich weiterhin mit Attila, der sich erstaunlich geschickt wehrte und den Kläffer nicht an sich herankommen ließ.

      Jetzt stürmte eine aufgeregte Gestalt aus dem Wald, bei der es sich offenbar um den Besitzer des Hundes handelte, schrie und wedelte mit den Armen. Als er sie erreicht hatte, gelang es ihm, das Vieh am Halsband zu packen und festzuhalten.

      »Entschuldigen Sie bitte tausendmal«, rief er. »King hat sich losgerissen. Ich hoffe, Ihnen ist nichts passiert? Ich komme selbstverständlich für jeden Schaden auf.«

      Alexander hatte Jenny, die unterdessen wieder zu sich gekommen war, aber noch etwas benommen wirkte, aufgerichtet und stützte ihren Körper von hinten mit seinem Schoß und seinen Knien.

      »Geht’s wieder?«, fragte er besorgt, und als sie nickte und erklärte, gebrochen habe sie wohl nichts, legte er los. Er beschimpfte den Hundebesitzer als unverantwortlichen Idioten, der samt seinem Köter hinter Schloss und Riegel gehöre.

      »Es zeugt von geistiger Armut, ein solches Vieh überhaupt zu halten«, brüllte er außer sich vor Zorn. »Tut’s ein Dackel, Pudel oder meinetwegen ein Schäferhund