Alfred Bekker

Sammelband 4 Fürstenromane: Liebe, Schicksal, Schlösser


Скачать книгу

herankommen, als ich gestatte«, korrigierte Jenny den besorgten Gedanken ihres eifersüchtigen Verehrers. »Hör bloß auf zu klagen! Oder denkst du etwa, ich werfe mich dem erstbesten Knaben drüben an die Brust? So nötig habe ich es weiß Gott nicht. Außerdem: Wer sagt mir denn, ob du treu bist, während ich fort bin?«

      »Wie kannst du daran zweifeln?«, rief Ted. »Für mich gibt es nur eine Frau - und das bist du. Alle anderen können mir gestohlen bleiben.«

      »Aber mir traust du zu, dir untreu zu werden«, beschwerte sich Jenny und verzog schmollend das Gesicht. »Kein besonders schöner Zug an dir. Eigentlich müsste ich dir böse sein.«

      »Ich liebe dich eben so sehr«, entschuldigte sich Ted. »Da kommt man schon mal auf dumme Gedanken.« Er griff nach ihren Händen und küsste sie. »Es wäre unerträglich für mich, dich an einen anderen zu verlieren. Ich glaube, dann möchte ich nicht mehr leben.«

      »Unsinn!«, widersprach Jenny. »Natürlich wirst du weiterleben, falls der Fall aller Fälle tatsächlich eintreten sollte.«

      »Siehst du!«, regte sich Ted auf. »Jetzt schließt du es selbst nicht mehr völlig aus, dass du dich in einen anderen verlieben könntest.«

      »Ganz ausschließen kann man das nie«, meinte Jenny. »Selbst du kannst das nicht.«

      »O doch!«, beteuerte Ted. »Ich schon! Für mich wird es nie eine Andere geben.«

      »Das haben schon viele behauptet«, versetzte Jenny trocken. »Mein Onkel Thomas, der Bruder meines Vaters, zum Beispiel. Sechsundzwanzig Jahre war er mit seiner Mary Ann verheiratet. Jeder glaubte, es gebe kein glücklicheres Paar als die beiden. Sie turtelten den ganzen Tag miteinander, hielten Händchen und küssten sich zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Dann musste Mary Ann zu ihrer kranken Mutter nach New York reisen. Sie kam nie mehr zurück, weil sie dort eine neue Liebe gefunden hatte; eine Liebe, die noch größer und inniger war als die zu Onkel Thomas. So schnell geht das. Sag also nicht, so etwas könnte dir nie passieren. Die Geschichte von Onkel Thomas und seiner Mary Ann beweist das Gegenteil. Onkel Thomas hat es übrigens auch überlebt und ist mittlerweile mit einer neuen Frau liiert.«

      »Wie schön für ihn«, brummte Ted verdrießlich. »Aber ein Trost ist das nicht für mich.«

      »Meine Güte, Ted! Du nervst mich mit deiner blöden Eifersucht!«, erregte sich Jenny. »Soll ich mir vielleicht einen Keuschheitsgürtel zulegen, damit du an meine Treue glaubst? Ich werde bei meinem Onkel im Schloss wohnen; vielleicht gibt es dort einen.«

      »Jetzt bist du sauer«, stellte Ted betrübt fest.

      »Stinksauer«, bestätigte Jenny. »Deshalb werde ich jetzt nach Hause reiten. Ich hatte mir den Abschied von dir anders vorgestellt - ganz anders.«

      »Aber das können wir doch immer noch ...«

      »Nein«, unterbrach ihn Jenny. »Du hast mir die Stimmung gründlich verdorben.«

      Sie sprang auf, eilte zu ihrem Pferd und schwang sich in den Sattel. Dann galoppierte sie in einem Tempo davon, dass Ted Mühe hatte, ihr zu folgen.

      »So warte doch!«, rief er hinter ihr her. »Jenny, bitte! Ich habe das alles doch nicht so gemeint!«

      Das Mädchen gab keine Antwort und beschleunigte eher noch das Tempo. Blacky, wie ihr Hengst wegen seines schwarzen Fells hieß, schien zu fliegen. Und Jenny auf seinem Rücken mit ihm.

      »Jenny, bitte!« flehte Ted. »Du brichst dir noch den Hals!«

      Aber da täuschte er sich. Jenny war eine begnadete Reiterin. Kein Graben war ihr zu breit, kein Hindernis zu hoch. Wenige Minuten später hatte sie die Ranch ihres Vaters erreicht. Erst dort ritt sie langsamer, lenkte das Pferd zu den Stallungen und drückte, nachdem sie abgestiegen war, einem Stallburschen die Zügel in die Hand.

      Inzwischen war auch Ted angekommen. Er sprang ebenfalls vom Pferd und überließ es dem Stallburschen. Dann spurtete er hinter Jenny her, die sich mit eiligen Schritten dem Haus zugewandt hatte. Kurz vor dem Eingang holte er sie ein.

      »Jenny, lass uns noch einmal miteinander reden«, bat er und griff nach ihrem Arm, damit sie stehenblieb. »Oder willst du im Streit von mir gehen?«

      »Ich habe keinen Streit mit dir«, stellte sie klar. »Ich bin lediglich sauer auf dich.«

      »Aber das ist doch dasselbe«, meinte er. »Tut mir leid, dass ich dummes Zeug geschwätzt habe; tut mir ehrlich leid.«

      »Ach was«, winkte sie ab. »Das stimmt doch gar nicht. Du hast doch immer noch Angst, ich könnte dich in Deutschland betrügen. Aber hast du auch schon mal davon gehört, dass Liebe etwas mit Vertrauen zu tun hat? Für dich scheint das allerdings ein Fremdwort zu sein.«

      »Natürlich vertraue ich dir«, behauptete Ted. »Aber kann man etwas gegen seine dummen Gedanken machen?«

      »Man darf sie sich erst gar nicht in den Kopf setzen«, entgegnete Jenny.

      »Das ist leichter gesagt als getan«, seufzte Ted unglücklich.

      »Dann versuch es zumindest!«, schlug Jenny vor. »So, Darling, und jetzt muss ich gehen. Ich habe noch ein paar Dinge zusammenzupacken, die ich mitnehmen möchte.«

      »Darf ich noch eine Weile bleiben?«

      »Nein, machen wir’s kurz. Ich hasse nichts mehr als lange Abschiedsszenen. Mach’s gut, Ted, und halt die Ohren steif!«

      Sie beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn flüchtig auf den Mund. Als er sie in die Arme nehmen und länger küssen wollte, sträubte sie sich dagegen.

      »Nein, Ted, bitte nicht! Ich möchte nicht, dass meine Eltern uns überraschen.«

      »Aber sie wissen doch, dass wir uns lieben.«

      »Trotzdem, Ted! Ich will es einfach nicht. Mach’s gut, Darling! Ich rufe dich an, wenn ich angekommen bin.« Sie küsste ihn noch einmal, diesmal sogar etwas zärtlicher, streichelte ihm übers Haar und verschwand im Haus.

      Ted blieb noch eine Weile wie benommen stehen, schüttelte dann mit einem bitteren Lächeln den Kopf und begab sich zu seinem Wagen, um nach Hause zu fahren. Er fühlte sich miserabel, war wütend auf sich selbst und die Boys, die Jenny in Germany unweigerlich kennenlernen würde, und beschloss, seinen Kummer an diesem Abend in Bier zu ertränken. Das würde seinen Schmerz zwar nicht aus der Welt schaffen, ihm jedoch dabei helfen, ihn für eine Weile zu vergessen.

      5

      »Sie könnten mir einen Gefallen erweisen, Wildhirt«, wandte sich Fürst Boris an seinen neuen Verwalter, als dieser zum täglichen Rapport bei ihm antrat. »Ich weiß, dass es nicht zu ihren Aufgaben gehört, für mich den Chauffeur zu spielen, aber ich befinde mich in einer Notlage. Oskar, mein Fahrer, ist erkrankt. Ich selbst muss in einer dringenden Angelegenheit nach München. Und Karl möchte ich nicht schicken. Der fährt nämlich Auto, wie ich Klavier spiele.«

      »Sie spielen Klavier, Durchlaucht?«

      »Eben nicht«, versetzte der Fürst trocken. »Und genauso fährt Karl Auto.«

      Alexander lachte. Der Fürst schaute ihn an, runzelte die Stirn und dann huschte - man höre und staune - auch so etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht.

      »Das