„Dann beschäftigen Sie sich mal eingehend damit. Sie sehen doch, wie einfach es für den Mörder war, Zerban zu töten und Dietrich Colditz in die Falle zu locken. Und allem Anschein nach waren Sie der Einzige, der davon einen Vorteil hatte.“
„Aber Dietrich war im Gefängnis, als Elisa ermordet wurde. Das müsste doch ausreichen, um ihn zu entlasten.“
„In den Augen der Polizei genügt das keineswegs. Sie könnten ja einen Komplizen haben.“
„Ich hätte Zerban gar nicht umbringen können. Sie selbst waren doch vor einundzwanzig Uhr dreißig mit mir zusammen.“
„Sie schon, aber was ist mit Ihrem Komplizen? Begreifen Sie es denn nicht? Damit wäre zum ersten Mal in diesem Fall ein echtes Motiv aufgetaucht.“
Stollberg zog seinen Morgenmantel enger um sich. Er schien plötzlich zu frösteln.
„Was soll ich nach Ihrer Ansicht nun unternehmen?“
„Sagen Sie mir die Wahrheit!“
Er senkte den Blick.
„Das ist schwierig ...“
„Vor Gericht wird es noch schwieriger.“
Stollberg breitete hilflos die Arme aus.
„Aber die Sache ist völlig bedeutungslos und steht in keinem Zusammenhang mit ...“
„Das muss ich schon selber beurteilen. Erzählen Sie mir bitte alles!“
Stollberg spielte nachdenklich mit dem Gürtel seines Morgenmantels.
„Ich hatte tatsächlich ein Verhältnis mit Elisa“, sagte er. „Im Grunde genommen habe ich für solche Geschichten nicht das Geringste übrig. Sie hat mich herausgefordert.“
„Das glaube ich Ihnen ohne Weiteres. Haben Sie ihr Juwelen geschenkt?“
„Nur ein einziges Schmuckstück. Einen Rubinring. Unsere Freundschaft hat nicht sehr lange gedauert.“
„Woher kommen dann all die anderen Stücke?“, fragte Katharina. „Jedes von ihnen war ein kleines Vermögen wert.“
Stollberg zuckte mit den Schultern.
„Ich habe keine Ahnung. Außerdem habe ich ihr noch drei Schecks gegeben. Es handelte sich natürlich um sehr hohe Beträge, aber sie hätten niemals ausgereicht, um irgendwelchen wertvollen Schmuck zu kaufen.“
„Schecks? Wofür?“
„Elisa hat mir einen kleinen Dienst erwiesen.“
„Was für einen Dienst?“
Stollberg unterbrach sich und vergrub seine Hand in den Taschen des Morgenmantels.
„Sehen Sie, Zerban arbeitete äußerst geschickt. Es gelang niemandem, ihn auf frischer Tat zu ertappen. Ich musste doch darauf achten, dass in Zukunft keine weiteren Betriebsgeheimnisse an Dritte verraten wurden. Aus diesem Grund habe ich Elisa zu ihm geschickt. Sie sollte sich als Mitarbeiterin einer großen ausländischen Firma ausgeben.“
„Ich verstehe“, murmelte Katharina. „Sie haben Frau Colditz damit beauftragt, Ihre eigenen Geheimnisse für Sie zurückzukaufen.“
„Ja. Das hat natürlich eine Menge Geld gekostet.“ Er seufzte. „Leider hat dieser Trick nur einmal geklappt. Zerban fand schnell heraus, wer sie war. Deshalb hat er das Material auch noch an andere Unternehmen verkauft und auf diese Weise doppelt abkassiert. Als ich dahinterkam, war meine Beziehung zu Elisa längst beendet, und ich brach den Kontakt zu ihr ab. Das ist wirklich alles, was ich weiß. Ich schwöre es Ihnen.“
„Aber mit Hilfe von Frau Colditz hätten Sie Zerban doch auf frischer Tat ertappen können“, hielt sie ihm vor.
„Sie kennen Zerban nicht. Er war verdammt vorsichtig und forderte von Elisa, dass sie den Betrag in kleinen Scheinen in einem Paket wochenlang mit sich herumtragen solle, bevor er mit ihr Kontakt aufnahm. Jeder Versuch, ihn zu schnappen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Er war einfach zu gerissen.“
„Aber mittlerweile ist er tot. Leute wie er enden immer so.“
„Ja, und aus diesem Grund benötige ich Ihre Dienste nicht mehr. Ich werde Ihnen einen Scheck ausstellen ...“
Katharina erhob sich und ging zur Tür.
„Nicht nötig. Ich behalte natürlich die Vorauszahlung, die Sie geleistet haben, aber ansonsten nehme ich die Bezahlung nur dann an, wenn ich tatsächlich Dienste geleistet habe. Also, auf Wiedersehen.“
Stollberg rannte ihr nach und packte sie am Arm.
„Einen Augenblick, Frau Ledermacher, warten Sie! Ein Skandal muss um jeden Preis vermieden werden. Wenn die Medien davon erfahren, dann ... Sie müssen den Mörder finden. Und zwar schnell. Ich werde Sie gut bezahlen.“
Katharina drehte sich langsam um und sah zum ersten Mal Angst in den harten blauen Augen. Dann warf sie ihrem Auftraggeber ein ermutigendes Lächeln zu.
„Ich werde mein Bestes tun“, versicherte sie.
12
Katharina Ledermacher kehrte in ihre Wohnung zurück. Robert stand in der Küche und bereitete das Mittagessen zu. Sie gab ihm einen Begrüßungskuss.
„Riecht lecker“, sagte sie.
„Das will ich hoffen. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben.“
„Ich weiß.“
Das Telefon klingelte. Katharina ging in den Flur und nahm den Hörer ab.
„Ledermacher.“
„Hier Reese“, meldete sich der Kommissar. „Es gibt Neuigkeiten. Dietrich Colditz hat gestanden, den Bericht auf der Maschine geschrieben zu haben, die normalerweise in seinem Büro steht.“
„War es tatsächlich dieselbe?“
„Ja, wir haben sie ihm gezeigt. Er hat sie sofort wiedererkannt. Allerdings weiß er nicht, wie sie in den Kofferraum von Bentes Wagen gekommen ist.“
„Da ist er nicht der Einzige. Sonst noch etwas?“
„Nichts von Interesse. Wie war es bei Ihnen?“
„Ich werde es Ihnen später erzählen.“
„Eine Neuigkeit habe ich noch. Bleiben Sie am Apparat!“ Katharina hörte ein knackendes Geräusch, als Reese den Hörer zur Seite legte. Nach etwa fünf Minuten meldete er sich wieder. „Einer meiner Männer erhielt heute Morgen Besuch von einem Tonnenwühler. Sie wissen schon, die Kerle, die überall die Mülltonnen nach Gegenständen durchsuchen, die sie eventuell noch gebrauchen können, Dinge wie Schals oder Flaschen oder ähnliches Zeug.“
Katharina fragte sich, was eine solche Person in dieser Geschichte zu suchen hatte, aber sie unterbrach den Kommissar nicht, sondern hörte weiter seinem Bericht zu.
„Zufällig hat dieser Mann in einer Mülltonne in der Nähe von Zerbans Haus einen Herrenmantel gefunden, der fast noch nie getragen wurde. Er wollte ihn gerade zusammenfalten, um ihn mitzunehmen, als er bemerkte, dass der Kragen blutdurchtränkt