er einem engstirnigen Beamten in die Hände gefallen und musste die Nacht in der Zelle verbringen. Heute Morgen hat man ihn zu uns geschickt. Einer meiner Männer hat die Sache sofort überprüft. Jetzt besteht kein Zweifel mehr. Der Mantel hat Zerban gehört. Er wurde bei demselben Schneider gefertigt wie die Anzüge. Unser Labor hat außerdem festgestellt, dass er den Mantel getragen hat, als er getötet wurde.“
„Aha, deshalb war sein Jackett so sauber.“
„Genau. Diese Tatsache kommt Colditz sehr zugute, denn offenbar wurde Zerban umgebracht, als er gerade nach Hause gekommen war. Das muss noch vor dem Zeitpunkt gewesen sein, als Sie sich im Flur auf die Lauer gelegt haben. Jetzt frage ich mich nur, warum sich der Mörder die Mühe gemacht hat, seinem Opfer den schweren Mantel auszuziehen.“
„Wahrscheinlich um vorzutäuschen, dass das Verbrechen viel später stattgefunden hat. Aber vielleicht waren im Futter des Mantels auch Geld oder Dokumente versteckt.“
„Das glaube ich weniger. Ich neige mehr zu der ersten Erklärung, denn abgesehen von ein paar Flecken war der Mantel völlig unbeschädigt. Trotzdem bleibt es eine komische Sache.“
„Sie sagen es.“
Katharina verabschiedete sich und legte den Hörer wieder auf den Apparat. Im selben Moment kam Robert aus der Küche.
„Essen ist fertig“, verkündete er.
13
Eine Stunde später hatten sie das üppige Festmahl beendet. Katharina lehnte sich im Stuhl zurück und stieß einen tiefen Seufzer aus. Der Fall Eduard Zerban berührte sie in diesem Augenblick überhaupt nicht. Das änderte sich erst, als das Telefon klingelte. Katharina erhob sich, ging in den Flur und hob den Hörer ab.
„Frau Ledermacher?“, fragte eine Männerstimme.
„Ja.“
„Hier ist Felix Wuttke.“
„Oh.“
„Ich möchte Ihnen gerne etwas sagen.“
„Aha.“
„Sie ... Sie haben sicherlich bemerkt, dass meine Frau gestern Abend gezögert hat, als Sie nach der Zeit fragten, zu der ich nach Hause gekommen bin.“
„Das konnte nicht einmal ein Blinder übersehen“, antwortete Katharina.
„Sie ... sie hat gelogen, um mich zu decken. Ich bin nicht direkt nach Hause gegangen.“
„Aha. Und wo sind Sie gewesen?“
Wuttke zögerte einen Moment.
„Ich bin um die Wohnung eines gewissen Eduard Zerban herumgeschlichen.“
„Weshalb?“
„Diese Spionagegeschichte in der Firma geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Meiner Ansicht nach mussten wir alle eines Tages in Verdacht geraten, obwohl es nur einen Verräter gibt. Deshalb hatte ich mich entschlossen, den Schuldigen selbst ausfindig zu machen. Zuerst habe ich sämtliche Büros nach versteckten Mikrofonen untersucht.“
„Das war eine gute Idee“, stellte Katharina anerkennend fest. „Aber Sie vergessen den Raum, in dem die Aufsichtsratssitzungen stattfinden. Dort hätte man ebenfalls ein Mikrofon verstecken können.“
„Ich habe daran gedacht, und ich kann Ihnen versichern, dass das nicht der Fall war. Ich weiß natürlich, dass praktisch jeder den Raum betreten kann, aber ich habe die Leute gefragt, die dort saubermachen. Ihnen ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen.“
„Was haben Sie dann getan?“
„Ich habe systematisch alle meine Kollegen verfolgt. Am Abend des Verbrechens hatte ich mich an Dietrich Colditz geheftet und gesehen, dass er seinen Wagen vor dem Haus parkte, in dem Zerban wohnte.“
„Sind Sie hineingegangen?“
„Nein. Ich habe Colditz an dem Abend zum ersten Mal verfolgt. Zudem habe ich mich offenbar ziemlich ungeschickt angestellt, denn ich glaube, er hat meinen Wagen erkannt, bevor er das Gebäude betrat.“
„Aber er ist trotzdem hineingegangen?“
„Ja, ohne zu zögern.“
Katharina überlegte einen Moment. Sagte Wuttke wirklich die Wahrheit oder log er? Wenn Colditz ihn tatsächlich gesehen hatte, dann musste er damit rechnen, dass dieser die Tatsache früher oder später in einem Verhör erwähnte. War Wuttke möglicherweise nur daran gelegen, diesen Verdachtsmoment von vornherein zu entkräften? Hatte er die ganze Geschichte nur erfunden, um sich zu rechtfertigen?
„Haben Sie irgendwelche Notizen über Ihre Verfolgungsjagd gemacht?“
„Ja. Ich habe für jeden Verdächtigen ein extra Kapitel angelegt. Zuerst habe ich mir die Adresse und Telefonnummer des Betreffenden notiert, und dann sämtliche Bewegungen, die ich während der Beschattung feststellen konnte.“
„Ich würde mir Ihre Notizen gerne einmal näher ansehen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir die Aufzeichnungen für vierundzwanzig Stunden zu leihen?“
„Aber keineswegs“, gab Wuttke bereitwillig zurück. „Jetzt, wo sich die Polizei mit der Sache befasst, werde ich mich nicht mehr einmischen. Meine Frau war sowieso nicht damit einverstanden.“
„Da Sie es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Ihre Kollegen zu überwachen, nehme ich an, dass Sie gestern als Letzter den Raum verlassen haben, in dem die Versammlung stattfand. Stimmt das?“
„Fast. Gröne folgte mir einige Augenblicke später.“
„Können Sie mir dann vielleicht sagen, in welcher Reihenfolge die anderen Teilnehmer der Besprechung den Raum verlassen haben?“
„Das ist einfach“, antwortete Wuttke. „Stollberg ging als Erster. Dann ist er wiedergekommen und mit Ihnen zusammen weggegangen.“
„Ja, das weiß ich natürlich.“
„Ach, entschuldigen Sie. Das ist eine Schwäche von mir. Ich bin manchmal so methodisch, dass es direkt absurd ist. Nach Ihnen hat Colditz den Raum verlassen. Er schien es ziemlich eilig zu haben. Dann folgten Bente, ich selber, und Gröne. Er war als Erster gekommen, wie üblich, und wir haben uns vor dem Verlassen des Raums noch eine Weile unterhalten und verabredet, uns bei mir zu treffen.“
„Ist Colditz lange nach mir gegangen?“
„Nicht sehr viel. Höchstens zehn Minuten.“
„Und Bente?“
„Er ist Colditz unmittelbar gefolgt, aber er schien es überhaupt nicht eilig zu haben.“
Katharina runzelte die Stirn und schwieg für einige Zeit. Schließlich dankte sie Wuttke für seine Informationen und sagte ihm, dass sie gleich bei ihm vorbeikommen würde, um das Notizbuch zu holen.
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