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Die Hauptpersonen des venezianischen Dramas:
Dr. med. Sergiu Petrescu: ich, der Erzähler
Giuseppe Tartini ‚Volpe‘: Privatdetektiv; mein Freund
Namenlos: Der nächtliche Würger von Venedig
Conte Raimondo d‘ Inceto, geb. Tiepolo: ein Verdächtiger
Contessa Cornelia d‘ Inceto, geb. di Malatesta: seine Frau
Maria Augusta Tiepolo: seine leibliche Mutter
Ambrosio di Fusco: Tenente (Leutnant) der Carabinieri
Giulio Marcello: Capitano der Carabinieri, sein Chef
Alberto Scimmia (‚Der Affe‘): Reporter des Corriere della Sera
1. Teil: Ich, Dr. med. Sergiu Petrescu und mein Freund Volpe
Ich bin Rumäniendeutscher, schwarzhaarig, inzwischen grau meliert, nur 1, 65 m. groß und leider nicht so schlank, wie ich es gerne wäre, obwohl ich mich bei jeder Gelegenheit in den Sattel meines feurigen Rappen Diavolo (‚der Teufel‘) schwinge oder auf dem Tennispatz meine Runden drehe. Italien liebe ich im Allgemeinen und Venedig im Besonderen.
Deutsch, Rumänisch und das ihm verwandte Italienisch, alle drei Sprachen beherrsche ich so perfekt, dass ich es manchmal gar nicht merke, in welcher ich spreche.
Nach dem Medizinstudium in Bukarest und München brachte ich meine Zeit als Krankenausarzt in Verona hinter mich, um dann in Jesolo eine Praxis für Allgemeinmedizin zu eröffnen. Man nennt mich dort liebevoll ‚il Tedesco‘ (der Deutsche), weil mich Sommer für Sommer die deutschen Badegäste aufsuchen, wenn ihnen die Gesundheit einen Streich spielt und sich freuen, einen Doktor zu finden, der ihre Sprache versteht.
Zu meinem Radius gehörten auch die Dörfer südlich Jesolos, Cavallino, Cá Pasquali und Punta Sabbioni. Sie alle liegen auf einer Landzunge, die westlich an den Sümpfen der Lagune von Venedig und östlich an einem der schönsten Strände Italiens, vielleicht dem schönsten überhaupt, endet.
Warum es mich dorthin verschlagen hat? Nun, zum einen suchte dort ein älterer Arzt einen Nachfolger; zum anderen lag es an Venedig, der ‚Serenissima‘, welcher ich seit meinem ersten Besuch verfallen bin. Wenn man von Punta Sabbioni, wo die Halbinsel endet, in den Vaporetto (‚Dampferchen‘) steigt, gelangt man eine halbe Stunde später zur Anlegestelle unmittelbar am ‚Monumento Nazionale a Vittorio Emanuele‘. Im Unterschied zu all den Leuten, die Venedig mit dem Auto über den künstlich aufgeschütteten Damm erreichen, kommt man auf meine Weise ganz wie früher in die Stadt, und das auch noch stressfrei.
Viele Jahre ist es jetzt schon her, seit ich das erste Mal dem Zauber des Markusplatzes verfiel. Nachdem ich von der oben genannten Anlegestelle in dieser Richtung unterwegs war und im Vorbeischlendern einen Blick auf die unvergleichlich schöne ‚Seufzerbrücke‘ geworfen hatte, bog ich nach rechts auf die ‚Piazzetta‘ (kleiner Platz‘) ab, zu meiner Rechten die herrliche Fassade des Dogenpalastes, um dann die Weite des göttlichen Markusplatzes mit seinem himmelhohen Campanile zu erreichen.
Verzückt stand ich vor dem Markusdom und blickte zu den vier vergoldeten römischen Bronzerössern empor, den schönsten jemals verfertigten, als mir jemand auf die Schulter klopfte. Ich drehte mich um und sah einen hageren Mann vor mir, der mich um Haupteslänge überragte. Wären da nicht seine schulterlangen feuerroten Haare gewesen, könnte man sagen, dass es die Adlernase sei, die sein Gesicht beherrschte. Er bleckte das Raubtiergebiss und sagte grinsend:
»Buon giorno, dottore Tedesco! Buon giorno, Sergiu!«
»Wo-woher ke-kennen Sie mich?«, fragte ich ihn erstaunt.
»Signore, es ist meine Aufgabe, alles Mögliche zu wissen, sozusagen mein Beruf, auch wenn mich manche, die sich dafür von Staats wegen besolden lassen, für einen Amateur halten. Ich bin der stadtbekannte Privatdetektiv Giuseppe Tartini, den man meistens ‚Volpe‘ (‚Fuchs/Schlaumeier‘) nennt.«
Ich hatte bislang noch nichts von ihm gehört und ließ mir das auch anmerken. Er lächelte nachsichtig und fuhr fort:
»Nebenbei bemerkt, Dottore: Sie haben auf der Überfahrt gefrühstückt, sind ein Schiff zu spät hier angelangt, obwohl Sie sich beeilt haben und ferner der Meinung, die vier Pferde da oben seien die schönsten der Kunstgeschichte. In Ihrer Freizeit reiten Sie und spielen Tennis, zweifellos und bevorzugen die altmodische Nassrasur, nicht wahr?«
»Sie sprechen in Rätseln. Woher wissen Sie das alles, was Sie sagten? Sind Sie Hellseher?«, erwiderte ich bissig und wunderte mich über die Kühnheit des Schlaksigen mit dem großen schwarzen Schuh, »denn Sie sind mir ganz und gar unbekannt, mein Herr. Ihre Aussagen, meine Person betreffend, sind zwar richtig, aber woher stammen sie?«
»Sie haben Ihre Praxis zu Jesolo erst kürzlich aufgemacht. Das stand in der Zeitung. Dass Sie es heute eilig hatten, beweist die Tatsache, dass Sie, da Sie Bermudas tragen, zwei verschiedene Socken zur Schau stellen, einen weißen, wie man ihn beim Tennis trägt und einen blau-weiß geringelten.«
Ich unterbrach ihn grimmig und knurrte:
»Zuhause habe ich noch so ein Paar.«
»Göttlich, Sie haben Humor. Das lässt Sie in meiner Achtung weiter steigen«, sagte der Lange kichernd und rieb sich die knochigen Hände, »aber lassen Sie mich auch die übrigen scheinbaren Rätsel lösen:
Dass Sie die eingeplante Fähre nicht erwischt haben, ließ sich daraus schließen, dass Sie vorhin mehrfach auf die Uhr blickten und dazu ein verkniffenes Gesicht machten. Sie waren sichtlich verärgert, nicht wahr?«
»Ja, der verdammte Capitano sah mich wie einen Sprinter heran stürmen und legte schnell ab, aus purer Bosheit, eine Minute vor der Zeit. Ich hätte ihn ermorden können.«
»Oho«, sagte der Rote, »dann wären Sie ja ein Fall für Meinesgleichen geworden; doch zurück zu den Rätseln:
Dass Sie Reiter sind, bleibt dem geschulten Auge nicht verborgen: Ihre Knie weisen auf der Innenseite die typische Verhornung auf, die davon herrührt, dass der Pferdefreund diese Stelle fest an den Sattelgurt zu pressen hat. Ich kenne mich da aus. In jungen Jahren bi ich eifrig geritten. Als Sie dann aber zu den weltberühmten Rössern von San Marco aufblickten, hellte sich Ihre Miene sichtlich auf und Sie nickten dreimal mit dem Kopf.«
»Und die Nassrasur? Das Frühstück auf dem Schiff?«
»Hihihi, Dottore, Sie haben sich ein winziges Bisschen geschnitten, da, links oberhalb ihres bemerkenswert runden Adamsapfels, und da auf dem weißen Hemd ist ein winziger, noch frischer brauner Kaffefleck. Gewiss ist die Nussschale, auf der Sie von Punta Sabbioni hergekommen sind, ins Schwanken geraten, während Sie den Becher ansetzten.«
»Ein Tanker passierte uns, unverschämt nahe. Beinahe wären wir abgesoffen, so war das.«
»Das dachte ich mir«, sagte der rote Lulatsch freundlich, während mir jetzt der Kragen platzte:
»Aha, soso«, sagte ich zähneknirschend, »derart einfach war das alles also, das da mit mir, alles fürchterlich simpel, und ums Haar hätte ich Sie für einen Hexenmeister gehalten. Wenn ich Ihnen nun einen Spitznamen verpassen darf, dann möchte ich Sie, caro Giuseppe, bitte sehr, ‚il Pulcinella Rosso (‚der rote Hanswurst‘) nennen, hahaha.«
Signore Tartini kicherte und rieb sich vergnügt die Hände:
»Ist ja göttlich! Bravo, bravissimo, Tedesco! Treffender als Sie, verehrter Signore Dottore Petrescu, hat mich noch niemand beschrieben. Ich bin begeistert. Dafür