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13
Der Bärtige stürmte den Flur entlang. Zehn Meter bis zur Hintertür lagen noch vor ihm.
In der rechten Hand hielt er eine Automatik.
Augenblicke später erreichte er die Tür, riss sie auf...
...und blickte in die Mündung eines 4.57er Colt Magnum.
Seit seiner Zeit bei der City-Police benutzte Jay Kronburg diese Waffe. Weder mit dem früher üblichen Smith & Wesson-Revolver vom Kaliber .38 Special noch mit der seit einigen Jahren zur Standard-Ausrüstung des FBI gehörenden Pistole vom Typ SIG Sauer P226 hatte er sich je anfreunden können.
"FBI! Waffe Weg!", rief Jay.
Sein Partner Leslie Morell befand sich etwa zwanzig Meter hinter ihm, hielt seine SIG mit beiden Händen im Anschlag.
Der Bärtige zögerte.
"Okay", sagte er dann.
Er senkte die Waffe.
Aber nur zum Schein.
Als Jay ihm die Automatik abnehmen wollte, schnellte der Fuß des Bärtigen blitzschnell hoch.
Der Ex-Cop bekam den Fuß seines Gegners direkt vor den Solar Plexus.
Jay rang nach Luft, taumelte rückwärts die drei Stufen hinab, die zum Hintereingang hinaufführten. Er landete mit dem Rücken auf dem Boden.
Der Bärtige feuerte.
Aber er verriss die Waffe, denn fast im selben Moment feuerte auch Leslie Morell.
Der Bärtige wurde an der Schulter getroffen, stöhnte auf.
"Keine Bewegung!", rief Leslie.
Am Türpfosten rutschte der Bärtige zu Boden. Die Linke presste er gegen die Schulterwunde. Rot rann es zwischen seinen Fingern hindurch.
Er sah ein, dass sein Spiel aus war und ließ die Waffe los.
Leslie war Augenblicke später bei ihm.
Jay rappelte sich wieder auf.
Er steckte sich den Ohrhörer wieder dorthin, wo er hingehörte.
"Alles klar, wir haben ihn!", meldete er über das Kragen-Mikro.
14
Ein Helikopter landete auf dem Dach des 32 Stockwerke hohen Saratoga-Towers in Queens. Die Schiebetür öffnete sich.
Mit Sturmhauben und Splitterwesten ausgerüstete Bodyguards sprangen heraus. Sie fuchtelten nervös mit ihren MPis herum.
Insgesamt ein Dutzend Mann waren es.
"Alles in Ordnung!", gab einer von ihnen durch sein Walkie-Talkie durch.
Ein zweiter Heli näherte sich, landete schließlich ebenfalls.
Zwei der maskierten Bodyguards eilten herbei, öffneten die Tür, nachdem die Rotorblätter zum Stillstand gekommen waren.
Ein leicht übergewichtiger Mann im dunkelblauen Jackett stieg aus. Das auffallendste Kennzeichen seines Gesichtes war eine Narbe am Kinn.
In der New Yorker Unterwelt brauchte man nicht einmal seinen Namen zu erwähnen, um zu wissen, von wem die Rede war.
Es reichte, wenn man von Raymond Zapata als dem "Mann mit der Narbe" sprach.
Sie stammte aus seinen wilden Jugendjahren.
Zapata hatte sich als Sohn kubanischer Flüchtlinge ganz nach oben geboxt. Aber die Zeiten, in denen er selbst auf der Straße seine Gegner niederstreckte, waren natürlich längst vorbei. Für das Grobe hatte er seine Leute. Zapata war zu einem Weißer-Kragen-Gangster mutiert. Und er stand kurz davor, sich in einen ganz legalen Geschäftsmann zu verwandeln, der sein Geld nur noch in blütenweiße Geschäfte investierte.
Aber dieses Ziel hatte er noch nicht ganz erreicht.
Und gerade jetzt, da er sich gewissermaßen auf der Zielgeraden befand, drohte alles den Bach hinunter zu gehen, wenn er nicht die Nerven behielt.
Die zweite Person, die den Heli verließ, war eine junge Frau. Die blonde Mähne reichte bis weit über die Schultern.
Das enganliegende, knappe Kleid verbarg kaum etwas von ihrer sexy Figur.
Das Girl hakte sich bei Raymond Zapata ein.
"Ich hoffe, wir sind hier in Sicherheit, Ray!"
"Ich bitte dich, dreh nicht durch, Kleines!"
"Ich meine ja nur..."
"Teresa! Bitte!"
Raymond Zapata drehte sich zum Heli herum. Er wartete bis der dritte Passagier ausgestiegen war: Terry Zapata, der Neffe vom großen Boss. Raymond Zapata versuchte, den etwa dreißig Jahre alten Mann als seinen Nachfolger aufzubauen.
"Hey, Terry, wo bleibst du? Willst du hier Wurzeln schlagen?"
Terry knurrte irgendetwas Unverständliches vor sich hin.
Er hasste die Bevormundung durch den großen Raymond, den berühmten "Mann mit der Narbe", dessen Wort innerhalb seiner Organisation Gesetz war. Aber Terry hütete sich, gegen seinen Gönner aufzumucken.
Nur zu gut wusste Terry nämlich, wie man enden konnte. Als Fischfutter im Hudson zum Beispiel. Oder in Plastik verpackt auf einer der großen Müllhalden von Staten Island.
Die maskierten Bodyguards eskortierten das Trio zu dem quaderförmigen Betonaufbau auf dem Dach des Hochhauses. Dort befand sich die Tür, über die man ins Innere gelangen konnte.
Mehrere der Bewaffneten gingen voran, dann folgten Raymond Zapata und seine Begleitung.
Über eine Treppe gelangten sie in die oberste Etage.
Männer in dunkelgrauen Anzügen empfingen sie.
Auch sie waren Bodyguards, allerdings trugen sie ihre Waffen dezent unter dem Jackett.
Ein grauhaariger Mann mit dünnem Oberlippenbart schien der Boss dieser Anzugträger zu sein.
Er breitete die Arme aus.
"Raymond!", stieß er hervor.
"Como vas?"
"Muy bien."
"Ah, qué rico te vez!"
"Scheiße, ich verstehe kein Wort", maulte Teresa.
Raymond Zapata lachte rau. "Das ist die Jugend, Juan! Die versteht kein Spanisch mehr!" Er wandte sich an seinen Neffen Terry. "Dies ist Juan Gomez. Wir kannten uns schon auf Kuba. Ich vertraue ihm