wir einen. Der war ganz in Ordnung. Mit dem habe ich mich oft unterhalten.“
„Was machen wir jetzt, Boss?“, wollte Bommerfield wissen. „Bis Lance Creek sind es mindestens zweihundert Meilen. Die schaffen wir nicht mit fünf Gallonen.“
„Aber bis zur nächsten Tankstelle schaffen wir es, du Schlauberger. Du fährst jetzt zum Auftanken und nimmst gleich noch die beiden Reservekanister mit. Die werden wir nach dem Überfall brauchen können.“
„Und der Chevy?“
„Den brauchen wir nicht. Zwei Mann müssen ohnehin hierbleiben, um auf die Gefangenen aufzupassen. Wäre doch ein Jammer, wenn sie uns vorzeitig verpfeifen. Hurt und Shatson, ihr haut euch jetzt aufs Ohr, damit ihr während der Nacht wach seid. Wenn euch auch nur einer der Typen durch die Lappen geht, schneide ich euch die Ohren ab.“
Die Genannten murrten zwar, weil sie bei dem Überfall nicht dabei sein sollten. Anscheinend kannten sie Munk aber gut genug, um zu wissen, dass er sie nicht um ihren Anteil betrügen würde.
Bommerfield fuhr mit dem Gefängniswagen ab. Falls er mit dem Fahrzeug auffiel und der Tankwart die Polizei alarmierte, würde hier auf der Ranch in kurzer Zeit die Hölle los sein.
Munk hatte sich noch etwas ausgedacht, was er jetzt hämisch verkündete: „Wir können von Hurt und Shatson natürlich nicht verlangen, dass sie auf sechs Leute gleichzeitig aufpassen. Aus diesem Grund nehmen wir die beiden Frauen mit. Sie sind unsere beste Garantie für gutes Gelingen. Sollte einer von den Geldboten auf die Idee kommen, auf uns zu schießen, muss er erst die hübschen Feen durchlöchern. Vielleicht tut er’s, vielleicht rückt er auch lieber freiwillig mit den Kohlen heraus. Wir werden es ja erleben. Hat sonst noch jemand eine Frage?“
Der Reverend meldete sich.
„Was geschieht mit uns, wenn alles vorüber ist?“
Munk antwortete nicht sofort. Erst nach einer Weile meinte er lässig: „Dich lassen wir vermutlich laufen. Was mit den anderen passiert, entscheide ich, wenn es soweit ist. Unser liebes Direktorchen hat ja eine kleine Lektion verdient. Wie der mit seinen Gefangenen umspringt, ist eine Sauerei. Und Bount Reiniger ist auch nicht gerade ein Freund für Leute wie wir. Der Typ mit den gelben Haaren kommt mir irgendwie bekannt vor. Könnte es sein, dass wir uns in irgendeinem Gefängnis getroffen haben? Und für Weiber hat man immer Verwendung. Ich kenne ein paar Kumpels, die zahlen sogar Bares für eine Hübsche. Aber Geld brauchen wir ja dann nicht mehr.“ Damit war alles gesagt.
Die Gefangenen wurden ins Haus getrieben. Die Frauen mussten das Abendessen zubereiten.
Bommerfield kam vom Tanken zurück. Niemand hatte Verdacht geschöpft. Das Unternehmen ließ sich gut an.
Ein Teil der Waffen wurde in dem Wagen verstaut. Auch für Proviant wurde gesorgt.
„Wir müssen versuchen, wenigstens den Frauen zur Flucht zu verhelfen“, zischte Bount Reiniger dem Gefängnisdirektor zu.
Palmer nickte unmerklich, doch sein Gesicht drückte Hoffnungslosigkeit aus. Was konnte man schon gegen sechs schwer bewaffnete, zu allem entschlossene Gangster ausrichten? Keiner kannte die Verbrecher besser als er.
Bount kam nicht dazu, einen Plan zu entwickeln. Nach dem Essen wurden Gladys und Mabel Taylor hinaus befohlen, während die Männer von den Gangstern in Schach gehalten wurden.
Einer der Verbrecher nach dem anderen entfernte sich. Zum Schluss blieben nur noch Hurt und Shatson zurück.
Draußen sprang ein Motor an.
Shatson, ein Bursche mit engstehenden Augen und vorspringendem Kinn, grinste amüsiert.
„Das hättet ihr wohl nicht gedacht, dass es jetzt schon losgeht. Ich habe euch angesehen, dass ihr die Puppen zu gerne befreit hättet. Daraus wird nun nichts mehr. Die sind unterwegs nach Lance Creek. Und wenn ihr ihnen noch helfen wollt, werdet ihr laufen müssen.“ Er lachte dröhnend.
Palmer, Lynch, Pool und Bount wurden in ihre Zimmer dirigiert und dort eingeschlossen. Sie wussten, dass sie außerdem von zwei hellwachen Männern mit Maschinenpistolen bewacht wurden.
20
Die Nacht versprach die längste seines Lebens zu werden. Und vielleicht auch die letzte.
Bount dachte nicht daran zu schlafen. Er grübelte über eine Möglichkeit nach, die Gangster zu überwältigen. Ein verrückter Wunsch.
Er konnte nur ahnen, wo sich die Halunken befanden. Einen vermutete er draußen im Gang, den anderen im Freien, aber an einer Stelle, die mit einem Pistolenschuss vom Fenster aus nicht zu erreichen war.
Unglücklicherweise bewohnte Palmer nicht ein Zimmer neben dem seinen, sonst hätte er sich mit ihm verständigen können. Der Gefängnisdirektor war der einzige, auf den er zählen konnte.
Bount öffnete probehalber das Fenster. Aber schon klang von unten ein Geräusch. Ein Mann richtete sich im Dunkel auf. Ein Gewehr wurde entsichert.
So ging es also nicht. Die Burschen passten auf. Für jeden ging es um mehr als eine Million.
Bount spähte durch die Ritzen in der Tür. Niemand war auf dem Gang zu erkennen. Vielleicht saßen beide Gangster unten und hielten sich gegenseitig wach. Es musste ihm doch gelingen, die Tür auch ohne Schlüssel aufzubringen.
Gleich nach dem Tod von Peter Brass hatte er sich für den Koffer des Mannes interessiert. Neben einigen Kleidungsstücken war er auf eine kleine Ledertasche gestoßen: die komplette Ausrüstung eines Einbrechers.
Brass hatte von Einbrüchen gelebt. Der letzte war ihm zum Verhängnis geworden.
Sein Werkzeug hatte Bount an sich genommen. Es befand sich in seinem Zimmer. Bount holte es und suchte einen Haken aus, der ihm geeignet erschien. Im Öffnen fremder Türen besaß er Übung. Er arbeitete leise und entsprechend langsam. Schon bald merkte er, dass er einen anderen Haken benötigte. Von Zeit zu Zeit lauschte er, um sich zu vergewissern, dass die Gangster keinen Verdacht schöpften. Wie er vorgehen wollte, sobald die Tür offen war, wusste er noch nicht.
Ein Geräusch hinter seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Da war nichts, und doch setzte sich das Kratzen und Schaben fort.
Es kam von der Wand. Dahinter befand sich Strother Lynch, aus dem Bount immer noch nicht recht klug wurde. Der Mann machte sich offensichtlich an der Trennwand zwischen den beiden Räumen zu schaffen.
Bount unterbrach seine Arbeit und schlich zurück. Die Wand bestand aus über Querbalken genagelten Bohlen. Die Fugen waren mit Wachs und Pech ausgefüllt. An einer Stelle ragte eine Messerspitze heraus, die sich bewegte.
Bount klopfte leise gegen die Bretter. Das Messer verschwand. Lynch klopfte zurück.
„Wir müssen etwas tun, Reiniger“, raunte der Mann auf der anderen Seite.
„Wem sagen Sie das? Haben Sie eine Idee?“
„Ich komme zu Ihnen hinüber. Gemeinsam schaffen wir es vielleicht, Mabel zu retten.“
Bount musste unwillkürlich grinsen. Den eisenharten Strother Lynch hatte es erwischt. Um des Mädchens willen, das ihm offenbar schlaflose Nächte bereitete, begrub er sogar das Kriegsbeil gegen seinen verhassten Widersacher.
„Ich habe eine bessere Idee“, gab Bount leise zurück. „Versuchen Sie, in den Raum auf der anderen Seite einzudringen!“
„Was soll das für einen Sinn haben? Der Raum ist leer.“
„Und wahrscheinlich unverschlossen“, ergänzte Bount. „Vor allem aber achten die Gangster nicht auf die Tür. Ich mache hier an dieser Wand weiter. Haben Sie eine Waffe?“
„Nur mein Messer.“
„Das ist nicht viel. Palmer besitzt einen Revolver. Doch den können wir nicht holen. Fangen wir an!“
Eine mühselige Arbeit begann. Die Bretter