„Ein Glück, dass Sie kommen, Sheriff“, sagte Doc Caan erleichtert. „Ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass ich gerettet würde.“
„Gerettet?“, fragte Launders und deutete auf die Handschellen.
„Ein gewisser Dave Carlson hat das alles angezettelt“ erklärte der Doc. „Er hat mit einem Trick ein paar Geiseln auf der Ranch festgehalten. Ich war einer der Leidtragenden. Drei hat er umgebracht. Sie finden ihre Gräber hinterm Haus. Dann befreite er in Nebraska sechs Schwerverbrecher. Es kam dann aber zu einer Auseinandersetzung zwischen den Gangstern. Seitdem sind sie verschwunden. Ich nehme an, dass sie sich gegenseitig jagen. Ich wurde mit den Handschellen gefesselt, die Mister Palmer, der Gefängnisdirektor, bei sich trug. Sie hätten mich auch umgebracht, aber sie sagten, sie würden mich vielleicht noch als Geisel brauchen, wenn sie wiederkommen. Sie planen irgendeine Gaunerei.“
Launders hörte aufmerksam zu. Zum Schluss ließ er sich diesen Dave Carlson beschreiben. Da gab es keinen Zweifel mehr. Es handelte sich um den Kerl, der die Gangster aus dem Gefängnis geholt hatte. Demnach sagte der Mann die Wahrheit.
Er befreite den Doc von den Handschellen und forderte ihn auf, mit ihm zu kommen, um seine Aussage zu Protokoll zu geben. Doc Caan erklärte sich einverstanden.
Jim bestätigte die Aussage. Er war heilfroh, seine Fesseln loszuwerden.
Launders zögerte, Hurt zurückzulassen, aber drei Mann hatten auf seiner Maschine nicht Platz. Er würde sich beeilen und den Gangster schnell abholen lassen. Bunk Jorry ließ er laufen.
Er ging mit Doc Caan zum Motorrad.
„Halten Sie sich gut bei mir fest, Doc“, empfahl er, als er sich auf die Maschine schwang.
„Ist es so richtig, Sheriff?“, erkundigte sich der Doc. Er zog vorsichtig den Revolver aus dem Holster und rammte die Waffe Launders in den Rücken. Dann drückte er ab. Ein einziger Schuss genügte für den feigen Mord.
Launders kippte zur Seite.
Caan nahm sämtliche Munition an sich, die er bei dem Toten fand. Dann schwang er sich aufs Motorrad und flüsterte hasserfüllt: „Dass du es gewagt hast, mir Handschellen anzulegen, wirst du noch bereuen, Bount Reiniger.“
23
Es war längst hell. Die Gangster lauerten abseits der Staatsstraße 270. Sie wussten zwar nicht, wann der Transport mit den Millionen vorbeikommen würde, doch dass er eine andere Route wählte, war ausgeschlossen.
Munk hatte an alles gedacht. Wie in seinen besten Zeiten. In Lusk hatten sie noch einmal vollgetankt und sich außerdem zwei Walkie Talkies besorgt. Mit einem dieser Geräte hatten sie Rushling kurz hinter Lance Creek abgesetzt. Er sollte den Transporter ankündigen.
Munk, Bommerfield und Geliert hockten im dichten Buschwerk. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet. Gladys und Mabel Taylor wurden von ihnen in Schach gehalten.
Munk weidete sich an ihrer Angst.
„Betet, dass die Knaben mit dem Zaster keine Helden sind“, meinte er gehässig. „Bei dem kleinsten Widerstand jage ich persönlich einer von euch eine Kugel durch den Schädel. Die andere benutzen wir dann als Kugelfang. Wollen wir wetten, dass sich Sesam dann öffnet und die Millionen ausspuckt?“
Die Frauen tauschten verzweifelte Blicke. Sie dachten beide dasselbe. Sie waren nach South Dakota gekommen, um eine geheimnisvolle Erbschaft anzutreten. Und nun hatten sie nicht nur ihre finanziellen Schwierigkeiten am Hals, sondern auch noch eine Gruppe gnadenloser Killer. Niemand konnte ihnen helfen. Die Gefangenen auf der Ranch mussten selbst um ihr Leben fürchten.
Mabel dachte an Strother Lynch. War er wirklich der unversöhnliche Hasser, als der er sich gegen Reiniger produziert hatte? Ihr gegenüber war er immer freundlich gewesen. Das hatte ihr gutgetan. Sie wollte, er wäre jetzt hier und würde sie herausboxen.
Wunschträume! Diesen Mann sah sie wahrscheinlich nie wieder.
Es knisterte im Walkie Talkie, das neben Munk im Gras lag.
„Hallo, Boss! Seid ihr schon eingepennt? Ihr seid zu beneiden. Habt zwei kochend heiße Weiber bei euch, und ich muss die ganze Arbeit machen.“
„Du und arbeiten“, spottete Munk. „Du weißt doch nicht einmal, wie man dieses Wort schreibt. Ist dir langweilig, oder warum meldest du dich?“
„Ich habe etwas Interessantes in Erfahrung gebracht. Die Sandwood Corporation schafft jeden zweiten Sonnabend im Monat Lohngelder nach Wheatland. Heute ist ein zweiter Sonnabend.“
„Sandwood Corporation. Ist das die Elektronik Firma?“
„Wen interessiert das schon? Wichtiger ist, dass sie üblicherweise einen sandfarbenen Kombi benutzen und pünktlich um acht Uhr losfahren.“
„Das wäre in einer halben Stunde.“
„Volle Punktzahl, Boss. Die Weiber sollen sich noch mal schminken, damit sie hübsche Leichen abgeben. Ich melde mich wieder, sobald der Wagen bei mir vorbeikommt.“
Munk atmete tief durch. Er sah die beiden Frauen an.
„Ihr könnt euch selbst einigen, wer zuerst drankommen will“, sagte er.
Gladys Taylor wurde ohnmächtig. Damit waren die Würfel gefallen. Mabel würde als Erste sterben.
24
Während der ganzen Fahrt schwor Strother Lynch, furchtbare Rache zu üben, falls Mabel etwas zugestoßen war. Bount Reiniger, der den Chrysler fuhr, dachte weniger an Rache. Er wollte ein Verbrechen verhindern. Er zermarterte sich den Kopf, wie sie die Gangster aufspüren sollten. Die Verbrecher wussten genauso wenig wie er, welche Firma den Geldtransport durchführte und wann er stattfand.
Er versuchte, in Munks Rolle zu schlüpfen. Was konnte der Gangster tun, um den richtigen Wagen zu schnappen? Wie konnte er ihn stoppen? Wer gab ihm rechtzeitig das Signal zum Zuschlagen?
„Fünf Meilen hinter Lance Creek”, hatte Munk in seinem fingierten Brief angegeben. Ob das ernst zu nehmen war? Wer wollte das sagen.
Wenn es aber zutraf, dann musste mindestens ein oder zwei Meilen vorher ein Posten der Bande stehen. Den galt es zu schnappen.
Kurz nach sieben fuhren sie durch Lance Creek. Es gab dort nur eine größere Firma. Die Sandwood Corporation. Aber der Geldtransport konnte auch von einer Bank oder der Elektrizitätsgesellschaft des Niobrara County durchgeführt werden. Bis er alle diese Möglichkeiten abcheckte, war der Coup wahrscheinlich längst gelaufen.
Bount Reiniger entschied sich dafür, auf der „270” weiter in Richtung Süden zu fahren. Er hatte die Hoffnung, etwas Wichtiges zu entdecken. Eine Straßensperre schwebte ihm vor. Eine Umleitung, in der sich der Geldtransporter fangen sollte.
Nach kaum einer Meile zuckte er unmerklich zusammen. Den Kerl, der da so unverfroren neben einem Imbissstand lehnte, kannte er. Das war kein anderer als Rushling.
Bount fuhr weiter, lenkte den Chrysler aber in einen Waldweg, nachdem die Straße einen leichten Rechtsknick ausführte.
„Was ist los?“, fuhr Strother Lynch auf. „Haben Sie keine Lust mehr? Ich kann Sie ablösen.“
„Mit Ihrem Knöchel? Den schonen Sie gefälligst. Wahrscheinlich brauchen Sie schon bald alle Kraft.“
Er erklärte, was er beobachtet hatte, und Lynch sauste vor Wut fast durchs Versteck.
„Das Aas hole ich mir. Wir benutzen ihn als Geisel. Ihn gegen die beiden Frauen.“
„Sie glauben doch nicht, dass Munk darauf eingeht“, widersprach Bount. „Der opfert eiskalt seinen Komplizen. Umso weniger muss er von der Beute abgeben.“
„Was haben Sie sonst vor?“
„Fast dasselbe wie Sie.“