Jan Gardemann

Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019


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wie ein eisiger Hauch in mein Inneres ein. Eine innere Kälte erfüllte mich. Und für einen Moment konnte ich den abgrundtiefen Hass, den maßlosen Wunsch nach Vergeltung und den Schmerz, den man ihr zugefügt hatte, beinahe nachempfinden ...

      Ihr Leben ist zerstört worden – und deswegen zerstört sie jetzt ihrerseits die Leben anderer!, ging es mir durch den Kopf.

      "Wie scharfsinnig!", kam es von der schauderhaften Gedankenstimme zurück und es schien so, als hätte sie mir geradezu geantwortet.

      Der Gedanke gefiel mir nicht, wie tief sie in mein Inneres eindringen konnte ...

      Meine Gedanken schienen für sie ein offenes Buch zu sein.

      Eine Gänsehaut überzog meine Unterarme bei diesem Gedanken.

      "Patti!", hörte ich hinter mir Roberts Stimme.

      Ich fühlte, wie seine Hände meine Schultern umfassten. Ein angenehmes Gefühl, das mir zumindest die Illusion von Sicherheit gab, obwohl ich in meinem tiefsten Inneren natürlich wusste, dass es nichts gab, was einer von uns diesem geheimnisvollen Wesen aus finsterer Vergangenheit entgegenzusetzen hatte.

      Ein Schatten aus dem Reich der Toten, der in der Sphäre der Lebenden als unbarmherziger Racheengel zuschlug ... Wahllos, blindlings und von Hass verzehrt.

      "Joanne!", flüsterte ich ihren Namen.

      Die Antwort war nichts weiter als ein schauderhaftes Lachen, das einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte. Ihr Mund öffnete sich dabei weit und zwei Reihen makellos blitzender Zähne kamen dabei zum Vorschein, die ihr etwas Raubtierhaftes gaben.

      Und dann wandte sich ihr Blick Robert Clayton zu.

      Sie streckte die Hand aus und deutete mit dem Zeigefinger auf ihn.

      "Ihr habt mich eine Hexe genannt, Sir Henry!", meldete sich ihre Gedankenstimme, ohne dass ihr Mund sich dabei bewegte.

      Ihre vollen Lippen pressten sich jetzt fest aufeinander und bildeten einen schmalen Strich. "Eure Furcht war es, die mich genau dazu gemacht hat, Sir Henry! Zu einer Hexe!"

      Sie lachte erneut auf und dann trat sie einen Schritt zurück.

      Joanne berührte die Wand. Der Umhang, den sie trug, schien sich mit der Substanz des Mauerwerks zu vermischen. Sie trat weiter zurück und dabei schien es so, als würde der massive Stein, aus dem dieses uralte Gemäuer erbaut war, für sie nicht das geringste Hindernis bedeuten. Joanne wurde transparent, drang in das Mauerwerk ein und wirkte einen Augenblick lang noch wie ein an die Wand projiziertes Dia.

      "Ihr könnt dem Fluch Eurer Tat nicht entkommen, Sir Henry!", rief ihre Gedankenstimme jetzt wie aus weiter Ferne. "Nicht in diesem und nicht in einem anderen Leben ..." Die letzten Worte waren kaum noch zu verstehen und verhallten auf eigenartige Weise.

      Dann war Joanne verschwunden.

      Und im selben Moment ging überall auf Gilford Castle das Licht wieder an.

      24

      Robert nahm mich kurz in den Arm. Ich atmete tief durch und sah, dass auch die anderen mir gefolgt waren. Ihren Gesichtern nach waren auch sie Zeuge dieser geisterhaften Erscheinung von Joanne geworden ...

      Es war Myers, der Manager der Plattenfirma, der als Erster die Sprache zurückgewann.

      "Robert, es muss doch eine Erklärung für all das geben!", sagte Myers mit beschwörender Stimme. "Eine natürliche Erklärung!"

      "Und welche, Mr. Myers?", meldete sich Ted McRory zu Wort.

      Sein Tonfall hatte etwas Ätzendes an sich. "Wir alle haben doch dasselbe gesehen! Nicht einmal Sie können einfach so tun, als hätte es diese ... diese Erscheinung nicht gegeben!"

      Myers drehte sich zu dem Ex-Schlagzeuger herum und bedachte ihn mit einem misstrauischen Blick.

      "Wenn man nach einer Erklärung für diese seltsamen Phänomene sucht, die uns alle so erschreckt haben, dann sollte man sinnvollerweise bei Ihnen anfangen, Ted! Schließlich hat doch mit Ihrem Hokuspokus alles begonnen!"

      Ted schluckte.

      Er atmete schwer und biss sich auf die Unterlippe.

      Schließlich presste er heraus: "Sie haben ja keine Ahnung, Mr. Myers ..."

      "Aber Sie!", lachte Myers höhnisch. "Allerdings bin ich überzeugt davon, dass sie Robert in Kürze in denselben Grad der Verrücktheit getrieben haben, in dem Sie sich zweifellos inzwischen befinden, Ted!"

      "Aber das führt doch alles zu nichts!", griff jetzt Robert ein.

      Er wandte sich an Ted McRory. "Vorhin hast du von einem Ritual gesprochen, mit dem diese Erscheinung sich wieder bannen ließe ..."

      "Sie wollen doch nicht im Ernst auf so einen Unsinn eingehen, Robert!", ereiferte sich Myers, noch ehe Ted McRory auch nur ein einziges Wort hatte sagen können.

      "Lassen Sie ihn doch seinen Vorschlag machen", meinte Robert.

      In McRorys Gesicht zuckte unruhig ein Muskel. Er sah von einem zum anderen. Auch zu mir. Und ich erschauerte unwillkürlich, als ich in seine Augen sah ... Dieser Mann hatte unsägliche Furcht ...

      "Auf die Gefahr hin, dass Sie mich für verrückt halten, aber diese Erscheinung, die wir gesehen haben, ist eine wahnsinnige Mörderin ... Ich habe mich, wie allgemein bekannt ist, etwas eingehender mit okkulten Theorien auseinandergesetzt. Diese Joanne wird nicht mehr aufhören, zu morden ..."

      "Es sei denn, sie tötet mich", vollendete Robert. "Schließlich bin ich die Wiedergeburt von Sir Henry."

      Aber Ted schüttelte den Kopf.

      "Es ist nicht sicher, ob sie das wirklich befrieden würde. Falls ihr Hass zu stark ist, ginge das Morden unweigerlich weiter! Nein, wir müssen sie bannen!"

      "Und wie soll das Ihrer Meinung nach geschehen?", fragte ich. Dabei entstand in mir ein mulmiges Gefühl. Schließlich hatte ich Hermann von Schlichtens 'Absonderliche Kulte' auch gelesen und in Tante Lizzys Archiv lagerten Berichte über Dutzende von Fällen, in denen Unbedarfte versucht hatten, diese Rituale auszuprobieren und dabei Schreckliches angerichtet hatten.

      "Wir brauchen ein Opfer", flüsterte er dann. "Die meisten – und wirksamsten – dieser Rituale gehen mit einem Menschenopfer einher ..."

      "Sie sind wirklich verrückt!", erklärte jetzt Jim Field.

      Und Myers erklärte: "Fast könnte man auf den Gedanken kommen, dass Sie für den Tod von Miss Kelvin verantwortlich sind. Zutrauen würde ich es Ihnen jedenfalls!"

      "Sie sollten allesamt wenigstens darüber nachdenken!", zeterte Ted McRory dann. "Ist es nicht besser, wenn ein Mensch stirbt, als wenn diese Bestie immerfort tötet?"

      "Hör auf!", zischte Robert ziemlich barsch. "Ich will von diesem Unsinn nichts mehr hören!"

      Myers blickte auf die Uhr und sagte dann: "Ich werde heute Abend noch nach London zurückkehren, damit ich morgen früh gleich mit unserer Rechtsabteilung sowie mit den PR-Leuten etwas ausknobeln kann, das Ihr Image einigermaßen im Reinen hält, Robert!"

      Robert zuckte nur mit den Achseln. Ihm schien das ziemlich gleichgültig zu sein.

      "Tun