Jan Gardemann

Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019


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es immer tiefer in den Wald hinein.

      Nach ein paar Augenblicken war er verschwunden.

      Das dumpfe Klopfen der Pferdehufe auf dem weichen Waldboden verklang.

      "Ein Verrückter!", hörte ich Robert sagen. "Es gibt hier ein paar Leute, die Ritterspiele veranstalten und sich dazu auch möglichst zeitgenössisch kleiden. Der Kerl muss zu ihnen gehören ..."

      Ich hoffte, dass Robert recht hatte.

      Jede natürliche Erklärung war ein Strohhalm, an dem man sich festhalten konnte.

      Aber ich war mir nicht einmal sicher, ob Robert selbst an das glaubte, was er gesagt hatte ...

      Ich schmiegte mich an ihn, und er drückte mich zärtlich an sich. Seine Hand strich mir zärtlich über mein Haar.

      "Lass uns gehen", flüsterte ich.

      19

      Ich war froh, als wir Mornsley Castle endlich wieder hinter uns gelassen hatten.

      Ich hatte das Gefühl, wieder frei atmen zu können.

      Ein düsterer, verfluchter Ort ...

      Das Unheil, das aus der Vergangenheit kam, schien dort auf geradezu gespenstische Weise gegenwärtig zu sein.

      Inzwischen war es schon ziemlich dunkel geworden. Als wir durch den kühlen Abend fuhren, schwiegen wir die meiste Zeit über. Ich fröstelte ein wenig.

      Am Himmel waren weder Mond noch Sterne.

      Es würde eine dunstige Nacht werden. Dichte Wolken waren aufgezogen und auf den Weiden hatten sich Nebelbänke gebildet, die dicht am Boden über das Land krochen.

      Die Umgebung wirkte jetzt seltsam irreal – wie aus einem Alptraum ...

      Wir erreichten Gilford Castle. Robert hielt den Wagen an und als wir ausstiegen, legte er mir den Arm um die Schultern. An seiner Seite war es angenehm warm.

      "Es ist schade", sagte er.

      "Was?"

      "Dass wir uns nicht unter unbeschwerteren Umständen kennengelernt haben", erwiderte er.

      Wir sahen uns an. Der Blick seiner braunen Augen war warm und innig. Er lächelte.

      Dann fanden sich unsere Lippen zu einem Kuss voller Leidenschaft. Seine starken Arme hielten mich fest und für einige rare Momente fühlte ich mich wie im siebten Himmel.

      Es ließ sich nichts daran deuteln.

      Ich hatte mich verliebt.

      20

      Die Schar jener Gäste, die an Charles' erlesenem Diner teilnahmen, war beinahe handverlesen.

      Jedenfalls war diese Tafel nicht mehr mit der Festgesellschaft des vergangenen Tages zu vergleichen.

      Ted McRory war dabei. Er stocherte lustlos in seinem Essen herum und schien nicht einmal den Wein genießen zu können.

      Der Appetit schien ihm abhanden gekommen zu sein.

      Düster ging sein Blick von einem zum anderen. Es flackerte unruhig in seinen Augen. Furcht schien ihn zu beherrschen und vielleicht resultierte daraus eine nervöse Unruhe, die ansteckend zu wirken schien.

      Myers war ebenfalls geblieben.

      Er schien der Einzige zu sein, der einigermaßen gut gelaunt war. Am laufenden Band erzählte er Anekdoten, die er bei Studioaufnahmen mit Robert erlebt hatte. Ein Mann, der sich gerne reden hörte, so war mein Eindruck.

      Außerdem waren noch Jim und ich anwesend.

      Jim hatte seine Bilder inzwischen fix und fertig an die Redaktion geschickt, wie er mir auf dem Flur zugeraunt hatte.

      Wir sahen uns während des Essens kurz an und es war mir sofort klar, dass Jim Myers' Erzählungen ebenso langweilig fand wie ich.

      Plötzlich meldete sich Ted McRory zu Wort. Er strich sich das wirre Haar zurück, und seine Augen funkelten wild.

      Seine Hand sauste derart heftig auf den Tisch, dass sein Weinglas überschwappte.

      "Wir müssen etwas unternehmen!", rief er und seine Stimme zitterte dabei. "Wir sitzen hier seelenruhig und über uns schwebt unsichtbar das Verhängnis ..." Er atmete heftig. Seine Halsschlagader war angeschwollen. Er schluckte mehrmals hintereinander, und sein hervorstehender Adamsapfel hüpfte dabei ruckartig auf und nieder.

      Myers wandte den Blick zu ihm und verzog abschätzig das Gesicht.

      "Ihre Freunde haben einen schlechten Einfluss auf Sie, Ted! Sie sollten diese spiritistischen Kreise meiden, wenn Sie irgendwann mal wieder zu Verstand kommen wollen. Der ganze Weihrauch hat Ihnen nicht nur den Verstand vernebelt, sondern Sie auch so zittrig gemacht, dass kein Mensch mehr eine Platte mit Ihnen aufnehmen könnte!"

      Myers Worte waren ätzend scharf.

      Jeder andere wäre vermutlich unter ihnen zusammengezuckt.

      Aber zu einem Erstaunen schien Ted McRory diese Tirade völlig kalt zu lassen ...

      Er ballte die Hände zu Fäusten.

      Dabei zitterte er leicht und ich fragte mich, was jetzt in seinem Kopf wohl vor sich ging. War er wirklich am Rande des Wahnsinns oder wusste er nur sehr viel mehr über jene Geistererscheinung, die er beschworen hatte, als er zunächst hatte zugeben wollen.

      "Es war der Geist dieser Joanne, der Miss Kelvin getötet hat ... Ein Rachegeist, der von nun an ruhelos umherziehen und töten wird ..."

      "Ach!", versetzte Myers.

      "Es ist die Wahrheit!", rief McRory.

      Sein Timbre hatte dabei einen vibrierenden, sich beinahe überschlagenden Klang.

      "Was sollen wir Ihrer Meinung nach tun?", fragte ich und sah ihn dabei an.

      "Sie verstehen mich, scheint mir!", rief er dann aus. Sein Blick hatte eine unheimliche Intensität. Es war anstrengend, diesem Blick standzuhalten. "Wir müssen diese Joanne mit einem weiteren Ritual bannen!", flüsterte er dann. Und zur gleichen Zeit begann Regen gegen die Scheiben der hohen Fenster zu prasseln.

      Der Wind heulte um die Mauern von Gilford Castle.

      Da draußen schien sich ein regelrechtes Unwetter zusammenzubrauen.

      "Ich brauche die Hilfe von euch allen", sagte Ted McRory dann. "Wir alle werden unsere mentale Kraft vereinen müssen, wenn es einen Sinn haben soll ... Wenn